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Bildung

Türkische Schulbücher zeigen weniger Frauen

17. Oktober 2018

Das türkische Bildungsministerium hat im Schuljahr 2017/2018 Schulbücher und Lehrpläne reformiert. Darin kommen nun weniger Ingenieurinnen vor, aber häufiger der Begriff "Ehre", so eine Studie.

Syrische Flüchtlingskinder in türkischer Schule
Bild: picture alliance/NurPhoto/D. Cupolo

Canan Aratemur Çimen und Sezen Bayhan haben die Änderungen im Auftrag des türkischen Vereins "Vergleichende Bildung" und mit Förderung der deutschen Friedrich-Naumann-Stiftung untersucht. Betroffen waren Schulbücher der ersten, fünften und der neunten Klasse. In ihrem Bericht "Säkularismus und Geschlechtergleichheit in reformierten Schulbüchern” haben sie 16 Schulbücher aus den Unterrichtsfächern Türkisch, Sozialwissenschaften, Geschichte und Religion unter die Lupe genommen und ihre Inhalte mit denen der alten Schulbücher aus dem Jahr 2016 verglichen.

Frauen sind weniger sichtbar

Im Unterrichtsfach Sozialwissenschaften in der fünften Klasse, so stellten sie beispielsweise fest, kamen weniger Frauen in der Arbeitswelt vor. In den Schulbüchern von 2016 habe es im Kapitel "Vorstellung der Berufe” dagegen durchaus Ingenieurinnen oder Tierärztinnen gegeben. Zudem fehlen in den neuen Ausgaben historische Beispiele für Frauen in Machtpositionen.

Dr. Sezen BayhanBild: DW/B. Karakaş

Im Gespräch mit der Deutschen Welle erklärt Sezen Bayhan, dass sie am meisten über die Rückkehr des Begriffes "Ehre" in die Schulbücher erstaunt gewesen sei. Der Begriff erlebe eine regelrechte Konjunktur. "Ich denke, dass die neuen Lehrpläne dem politischen Islam angepasst wurden. Darin wird die (türkische) Geschichte neu geschrieben. Und es zeigt sich ganz klar, dass die Regierung offenbar ein Problem mit Frauen hat", meint Bayhan.

Die Co-Autorin des Forschungsberichtes Canan Aratemur macht auf einen weiteren Punkt aufmerksam. Laut ihrer Analyse wird in den neuen Schulbüchern der Religion eine besondere Rolle zugeschrieben. So werde die Religion als der Faktor dargestellt, der das gesellschaftliche Zusammenleben gestalte. Im Gegensatz zu den alten Schulbüchern von 2016 werde diese Rolle besonders hervorgehoben.

Dr. Canan ArtemurBild: DW/B. Karakaş

Unter der Überschrift "Die Rolle und die Bedeutung der Religion für das menschliche Leben" heiße es beispielsweise: "Die Religion entspricht der menschlichen Natur und befriedigt das  Bedürfnis des Menschen nach dem Glauben. Mit ihren klaren Vorschriften regelt die Religion das gemeinschaftliche Zusammenleben. Insofern genießt sie einen besonderen Stellenwert bei der Erstellung eines sozialen Systems."

Konjunktur für Religion

Nicht nur die Religion, sondern auch das religiös begründete Martyrium im Islam komme in den Inhalten häufiger vor. Auffällig sei die Ausweitung des Begriffes auf Ereignisse der jüngeren Vergangenheit. "Viele Geschichten behandeln den Türkischen Befreiungskrieg oder gehen auf den gescheiterten Putschversuch am 15 Juli ein", sagt Aratemur.

Der Putschversuch werde instrumentalisiert, um das Bild einer neuen Nation sowie eine neue nationale Identität aufzubauen. Ein Beispiel aus einem Geschichtsbuch für die neunte Klasse: "Von den Kreuzzügen bis hin zum Mongolensturm war es für unser Volk  eine heilige Aufgabe, bis zum letzten Tropfen Blut zu kämpfen. Die Angriffe gegen unser Land kamen aber nicht nur von außen. Es ist von großer Bedeutung, dass das Heldentum, das in der Nacht des 15. Juli in die Geschichte eingegangen ist, auch an die kommenden Generationen weitergegeben wird."

Ausschnitt aus einem türkischen Geschichtsbuch für die 9. KlasseBild: Karşılaştırmalı Eğitim Derneği/Vergleichender Bildungsverein

"Kein eigenständiges Denken"

Die Änderungen in den Schulbüchern kommt bei manchen Eltern nicht gut an. In der Initiative "Bewegung für eine wissenschaftliche und säkulare Schulbildung" wehren sie sich gegen die für sie "ideologische Auflage", der sie sich durch die zunehmende Zahl von Imam Hatip Schulen ausgesetzt sehen. In diesen Schulen werden Imame ausgebildet.

Doch die normalen Schulen mit ihren immer religiöser werdenden Inhalten machen sie auch unzufrieden. Hülya Sen engagiert sich in der Initiative. Gegenüber der  Deutschen Welle kritisiert sie die Qualität des Schulsystems. "Mit diesem Schulsystem wollen wir mit der Welt konkurrieren, aber das ist nicht möglich", sagt Sen.

Die Initiative entstand, weil immer mehr normale Schulen in religiöse Imam Hatip Schulen umgewandelt wurden. Sen und die anderen Eltern wollen dagegen vorgehen. "Wir haben Probleme, weil unsere Kinder in das bestehende Schulsystem eingegliedert werden müssen. Es ist ein System, das den Kindern keinen Freiraum für eigenständiges Denken gibt und es wird jeden Tag schlimmer."

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