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Türkische Touristen erobern die griechische Insel Lesbos

Kaki Bali (Lesbos/Athen)
8. August 2025

Für türkische Touristen ist die griechische Ägäis-Insel Lesbos ein attraktives Urlaubsziel. Und bei den Gastgebern sind sie beliebt. Kann der Tourismus die angespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern verbessern?

Blick von einem Kai über das abendliche Meer auf eine Hafenstadt, in der die ersten Lichter angehen
Die Inselhauptstadt Mytilene (Mytilini) auf LesbosBild: Kaki Bali/DW

Nach Skala Sikamineas an der Nordostküste von Lesbos, wo 2015 täglich Boote mit Flüchtlingen aus Syrien strandeten, kommen in diesem Sommer gutbetuchte Touristen von der gegenüberliegenden, der türkischen Küste der Ägäis. Die beiden sehr guten Fischrestaurants an der Küste sind voll, die vorherrschende Sprache an diesem Mittag ist Türkisch. Familien mit Kindern aus der türkischen Großstadt Izmir, eine Gruppe aus der Hafenstadt Ayvalik, die mit der brandneuen Katamaranverbindung gekommen ist, sowie ein junges Paar aus Istanbul essen und trinken in dieser malerischen Kulisse.

Isin und ihr Freund sind zum ersten Mal auf der Insel. "Freunde haben uns viel Gutes über Lesbos erzählt, und wir haben beschlossen, für ein paar Tage hierher zu kommen", sagt Isin zur DW. Das Paar aus Istanbul kam mit der Fähre aus Dikili, war begeistert von den Stränden und Tavernen der Insel und ist entschlossen, im nächsten Sommer wiederzukommen. Man braucht knapp eine Stunde für die Überfahrt, das Ticket kostet 35 Euro, und im Sommer gibt es von Dikili nach Mytilene (Mytilini), die Hauptstadt der Insel, acht Fahrten pro Tag.

Allein im Juli 2025 kamen fast 29.000 türkische Touristen nach Lesbos, und für August werden noch mehr erwartet. Die heimischen Wirte sind mit den Gästen aus dem Nachbarland sehr zufrieden. "Sie schätzen die gute Küche, sie trinken gern unseren berühmten Anisschnaps Ouzo, sie sind nicht geizig, und die meisten sind sehr freundlich und gelassen", sagt Takis, der eine Taverne in der Gera-Bucht betreibt. "Zu uns kommt die türkische Mittelklasse, die einen ruhigen Ort sucht."

Lesbos finanziell noch erschwinglich

Viele griechische Inseln sind für Durchschnittsverdiener auf beiden Seiten der Ägäis unbezahlbar geworden, Lesbos gehört nicht dazu. Die Insel ist mittlerweile günstiger als die türkischen Urlaubsziele an der Ägäis Bozcaada, Bodrum oder Assos. Außerdem ist die Atmosphäre für Türken, die gern ein Gläschen trinken, oder Türkinnen, die sich im Bikini sonnen wollen, auf der griechischen Seite der Ägäis entspannter. "Ich fühle mich hier sehr wohl", sagt Isin, während ihr Freund einen Ouzo einschenkt.

Die malerische kleine Hafenstadt Skala Sikamineas auf LesbosBild: Kaki Bali/DW

Skala Sikamineas ist ein kleiner Ort, 50 Kilometer von Mytilene entfernt. Pinelopi hat diesen Ort für ihren Keramikladen ausgewählt, viele türkische Kunden hat sie dieses Jahr nicht. "Der Wechselkurs wird immer ungünstiger für die Nachbarn, sehr wenige davon können sich meine Keramiken leisten", erklärt sie. Eigentlich sind ihre Werke nicht besonders teuer, aber "sowohl die Türken als auch wir Griechen sind finanziell unter Druck". Die Inflation in der Türkei liegt im hohen zweistelligen Bereich, in Griechenland dagegen nur bei 3,7 Prozent. 

Der Kassierer im Museum des größten Malers von Lesbos, Theofilos, glaubt, dass es nicht immer eine Frage des Geldes ist. "Es kommen Besucher aus aller Welt in unser Museum, nur Türken kommen selten. Sie bevorzugen die Tavernen gegenüber den Museen", sagt er etwas abschätzig. Allerdings hat der Volksmaler Theofilos (1867-1934) unter anderem die Helden der griechischen Revolution gemalt, die gegen die Türken kämpften, was vielleicht die Zurückhaltung der türkischen Gäste erklärt.  

Kann der Tourismus die Wunden von damals heilen?

Seit der griechischen Revolution 1821 sind über 200 Jahre und seit dem "Bevölkerungsaustausch" zwischen Griechenland und der Türkei 1922 über 100 Jahre vergangen. Damals hatten sich Tausende griechische Flüchtlinge aus Kleinasien auf Lesbos niedergelassen, hauptsächlich aus den gegenüberliegenden Gebieten um Ayvalik, Moschonisia und Pergamon. Gleichzeitig wurden die meisten Türken, die auf der Insel lebten, auf das andere, das türkische Ufer gezwungen. Beide Seiten konnten ihre Heimatdörfer jahrzehntelang nur aus der Ferne sehen. 

Von Lesbos aus kann man die gegenüberliegende türkische Küste sehenBild: Kaki Bali/DW

Heute sind die Beziehungen zwischen den Nachfahren der Vertriebenen von damals eher freundlich, hauptsächlich aufgrund des gegenseitigen Tourismus. Die Menschen auf Lesbos sind weder mehr noch weniger nationalistisch als im übrigen Griechenland, aber sie haben immer öfter die Gelegenheit, den "Feind" von gegenüber in Frieden zu treffen. Die türkischen Touristen auf den Straßen von Mytilene werden nicht als Invasoren empfunden, sondern als willkommene Gäste.

Zahlreiche Fährverbindungen nach Lesbos

Es war kein Zufall, dass der für Tourismus zuständige stellvertretende Bürgermeister von Mytilene, Nikos Giannakas, mit großer Freude am Hafen auf den Bürgermeister von Balikesir in der Türkei wartete. Ahmet Akin kam am 1.08.2025 mit der neuen Katamaranlinie der Reederei IDO nach Lesbos, zusammen mit 150 Touristen.

Die Reederei hat die neue Strecke Mytilene-Ayvalik eröffnet, zu deren Gesellschaftern auch die Gemeinde Balikesir gehört. Die neue Linie ist die achte, die Mytilene mit Ayvalik verbindet, und die elfte insgesamt zwischen Lesbos und der Türkei, einschließlich der Routen von und nach Izmir und Petra. Es besteht sogar die Möglichkeit der Einführung einer weiteren Katamaranverbindung im August, diesmal von Akcay aus. Zum Vergleich: Zwischen Lesbos und Piräus gibt es eine, manchmal zwei Fährverbindungen pro Tag und zwischen Lesbos und Thessaloniki nur eine pro Woche. 

Eine Katamaran-Fähre aus Izmir in der TürkeiBild: Florian Schmitz/DW

Laut dem stellvertretenden Bürgermeister Giannakas soll die neue Linie Mytilene-Ayvalik den Tourismus und den Handel zwischen Lesbos und der Türkei weiter stärken, Reisenden mehr Auswahlmöglichkeiten bieten und die grenzüberschreitenden Beziehungen festigen. Letztes Jahr kamen rund 120.000 Menschen mit dem Schiff aus der Türkei nach Lesbos, 2025 würde man gern noch mehr Besucher empfangen.

Die Spannungen sind immer noch da

Der Tourismus und die gute Zusammenarbeit in der Flüchtlings- und Migrationsfrage sind die einzigen nachhaltigen Erfolgsgeschichten in den griechisch-türkischen Beziehungen, seitdem Premier Kyriakos Mitsotakis und Präsident Recep Tayyip Erdogan im Dezember 2023 ein Freundschafts- und Kooperationsabkommen zwischen Griechenland und der Türkei unterschrieben. Theoretisch haben beide Regierungen den politischen Willen, auch schwierige Fragen der bilateralen Beziehungen zu besprechen, vor allem die Festlegung der Seegrenzen zwischen beiden Ländern. Doch bisher ist es dazu noch nicht gekommen. Im Moment sind weder Athen noch Ankara bereit für einen Kompromiss. 

Obwohl die hochgefährlichen Spannungen, die im Sommer 2020 in der Ägäis herrschten, beendet wurden, kommt es immer wieder zu kleineren Auseinandersetzungen um Luftraum und Hoheitsgewässer. Die Türkei verlangt sogar, dass sie zu den Untersuchungen Griechenlands zur Verlegung eines Stromkabels zwischen Kreta und Zypern befragt wird. Und wenn sie nicht gefragt wird, schickt sie ihre Kriegsschiffe in die Ägäis, wie es im Herbst 2024 vor der Küste von Kasos der Fall war.

Die jüngsten Spannungen zwischen den beiden Ländern entstanden, als Athen am 21.07.2025 bekannt gab, zwei neue Meeresparks im Ionischen Meer und in der Südlichen Ägäis einzurichten. Prompt reagierte das türkische Außenministerium und merkte an, dass "einseitige Maßnahmen in geschlossenen oder halbgeschlossenen Meeren wie der Ägäis und dem Mittelmeer vermieden werden sollten".

Eigentlich haben Meeresparks nur mit Umweltschutz zu tun, aber hinter jeder Karte der Ägäis, die Griechenland oder die Türkei vorlegen, sieht die andere Seite eine Provokation. Ankara reagierte umgehend und legte am 2.08.2025 Karten seiner "geschützten Meeresgebiete" in der Nordägäis und im östlichen Mittelmeer von Rhodos bis zum Golf von Antalya vor. Das griechische Außenministerium bezeichnete die türkische Ankündigung daraufhin als "inakzeptabel, einseitige und illegale Handlung, die keine rechtlichen Auswirkungen auf die griechischen Hoheitsrechte hat und eine völlige Missachtung des internationalen Seerechts darstellt".

Die türkischen Touristen auf Lesbos kümmern diese politischen Zwistigkeiten nicht. Sie genießen die Schönheit der Insel.