Aufstieg durch Bildung
8. Februar 2011Die "Hürriyet" liegt auf dem Wohnzimmertisch, im Fernsehen läuft TRT und im Auto "Radyo Metropol FM". Wer will, kann sich in Deutschland von türkischen Medien durch den Alltag begleiten lassen. In einer Umfrage hat das Essener Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung (ZfTI) herausgefunden, dass mehr als 90 Prozent der türkisch-stämmigen Migranten in Deutschland regelmäßig türkischsprachige Medien nutzen.
Um die Bildungschancen von jungen Migranten zu erhöhen, hat das Essener Türkei-Zentrum nun zusammen mit sechs türkischen Medienhäusern (Ihlas Mediengruppe, Kanal Avrupa, Radyo Metropol, Sabah-ATV Gruppe, Türkshow, Zaman Gruppe) die Initiative "biz - Bildung ist Zukunft" gegründet. Die Initiative wird vom Bundesbildungsministerium gefördert und will deutsche Bildungsthemen durch türkische Medien populär machen.
Werbung für Berufsausbildung
Es geht um Veranstaltungshinweise, praktische Tipps und ein dichtes Netz von Kooperationen. "Alle beteiligten Medien haben sich bereit erklärt, über Ausbildungsthemen zu berichten", so ZfTI-Forscher Haci-Halil Uslucan. Die Journalisten sollen in Artikeln sowie Radio- und Fernsehbeiträgen erklären, wie eine erfolgreiche Bewerbung aussieht, ein guter Praktikumsplatz zu finden ist und welche Möglichkeiten der Arbeitsmarkt in Deutschland bietet, skizziert Uslucan die Anforderungen des Projektes. Möglichkeiten "abseits der Jobs hinter der Ladentheke von Verwandten oder Bekannten", wie Uslucan ergänzt.
Angesprochen werden sollen neben den Jugendlichen selbst auch die Eltern. Sie unterschätzten häufig die Bedeutung der Berufsausbildung für das Leben in Deutschland, glaubt Uslucan. Vor allem der weit verzweigte Berufsausbildungsmarkt stelle viele Türken vor große Herausforderungen.
Nach ZfTI-Studien ballen sich mehr als 40 Prozent der Migranten in lediglich zehn verschiedenen Berufen. Oft würden junge Migranten von ihrem Umfeld zu stark in eine Richtung gedrängt. "Dabei hat das Kind möglicherweise ganz andere Potenziale, etwa seine Zweisprachigkeit," so der Essener Professor für Integrationsforschung. Immerhin werden in Deutschland Ausbildungen in mehr als 360 Berufsbildern angeboten.
Auch die Wirtschaft profitiert
Die Initiative "Bildung ist Zukunft" richtet sich auch an die von türkischstämmigen Inhabern geführten Unternehmen. Die Ausbildungsquote in den 85.000 Betrieben könnte sich nach Wunsch der Initiatoren noch deutlich erhöhen.
Birgit Scheuerle, Geschäftsführerin der Frankfurter Industrie-und Handelskammer, spricht von guten Perspektiven für den türkischsprachigen Nachwuchs. "Allein in Hessen brauchen wir pro Jahr 200.000 nichtakademische Fachkräfte. Wir können es uns nicht mehr leisten, einen einzigen jungen Menschen außen vor zu lassen."
Autor: Andreas Noll
Redaktion: Kay-Alexander Scholz