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Politik

Ankaras Botschafter wegen Yücel "eingeladen"

28. Februar 2017

Die Causa Yücel wird immer mehr zum Politikum zwischen Deutschland und der Türkei. Die Bundesregierung setzt alle diplomatischen Hebel in Bewegung, um Ankara zum Einlenken zu bewegen.

Deutschland | Demo für die Freilassung von Welt-Korrespondent Deniz Yücel
Demonstranten vor der türkischen Botschaft in BerlinBild: Reuters/F. Bensch

Der türkische Botschafter in Deutschland, Kemal Aydin, ist wegen der Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel ins Auswärtige Amt "eingeladen" worden. Das Auswärtige Amt in Berlin korrigierte frühere Mitteilungen im Kurznachrichtendienst Twitter mit den Worten, es habe sich nicht um eine formelle Einbestellung gehandelt.

Außenminister Sigmar Gabriel sagte, Staatsseketär Walter Lindner habe in seinem Auftrag mit dem Botschafter ein Gespräch geführt. Aydin sei deutlich gemacht worden, dass es "sehr große Bewertungsunterschiede" bei der Presse- und Meinungsfreiheit zwischen beiden Ländern gebe, so Gabriel. "Die Solidarität mit Deniz Yücel ist der Ausdruck der klaren Haltung in der deutschen Öffentlichkeit."

"Eine der größten Belastungsproben"

Gabriel sieht die deutsch-türkischen Beziehungen durch die Inhaftierung des "Welt"-Korrespondenten stark überschattet. Das Verhältnis beider Länder stehe gerade "vor einer der größten Belastungsproben in der Gegenwart", erklärte er. "Wir setzen uns mit großem Nachruck dafür ein, dass Deniz Yücel so schnell wie möglich freikommt."

"Sehr große Bewertungsunterschiede": Außenminister Sigmar Gabriel (Archivbild)Bild: picture-alliance/abaca/R. De Luca

Nach 13 Tagen Polizeigewahrsam hatte ein Haftrichter in Istanbul am Montag Untersuchungshaft für Yücel angeordnet. Diese kann fünf Jahre dauern, bis es zur Freilassung oder zu einem Prozess kommt, in dem die Schuldfrage geklärt wird. Yücel wird Propaganda für eine terroristische Vereinigung und Aufwiegelung der Bevölkerung vorgeworfen.

Bundespräsident: "Uns fehlt das Verständnis"

Bundespräsident Joachim Gauck verurteilte die Inhaftierung scharf. "Wir können in Deutschland nicht nachvollziehen, warum diese Attacke auf die Pressefreiheit notwendig ist. Uns fehlt das Verständnis", sagte Gauck vor Korrespondenten ausländischer Medien im Berliner Schloss Bellevue. "Was derzeit in der Türkei passiere, wecke "erhebliche Zweifel, ob die Türkei ein Rechtsstaat bleiben will".

Der Bundestag wird sich voraussichtlich in der kommenden Woche mit dem Fall befassen. Das kündigte Bundestagspräsident Norbert Lammert an. Beantragt hatte die Aktuelle Stunde die Fraktion der Linken. 

Unterstützung auf Rädern: Autokorso in BerlinBild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeldpicture alliance / Kay Nietfeld/dpa

Vor der türkischen Botschaft in Berlin demonstrierten Politiker verschiedener Parteien, um ihre Solidarität mit Yücel auszudrücken. In mehreren deutschen Städten gab es Autokorsos zur Unterstützung des Journalisten. In Köln protestierten Demonstranten in etwa 50 Autos gegen die Untersuchungshaft. "Unser Kollege Deniz Yücel liebt Autokorsos", sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Frank Überall, der selber mitfuhr. Knapp 70 Wagen nahmen laut Polizei in Frankfurt an der Kundgebung teil, in München waren es rund 20 Autos. 

Dündar: "Macht weiter Druck"

Der ehemalige Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, sagte der Deutschen Welle: "Macht weiter Druck. Das ist so wichtig." Dass er selbst heute frei sei, liege auch an der internationalen Solidarität. "Wir müssen weiter Druck auf die türkische Regierung machen, alle Journalisten aus den Gefängnissen freizulassen", so Dündar im DW-Interview.

Parteichef Cem Özdemir (rechts) und Özcan Mutlu (Mitte) von den Grünen vor der türkischen Botschaft in BerlinBild: DW/C. Potts

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu sagte ebenfalls der Deutschen Welle, er vermute, Yücel werde "Gegenstand eines Deals" werden. Deutschland habe wenig Möglichkeiten, zu intervenieren, da der Korrespondent Doppelstaatler sei und in der Türkei als türkischer Staatsbürger gelte. "Deshalb sind unsere rechtlichen Möglichkeiten sehr limitiert", so Mutlu. Aber "das nächste Mal, wenn Ankara etwas von Berlin braucht", werde man "wahrscheinlich auch über Deniz Yücel diskutieren und ihn dann eventuell freilassen - wenn man das bekommt, was man will".

Merkel: "Bitter und enttäuschend"

Nach der Entscheidung der türkischen Justiz hatten zahlreiche Politiker die Inhaftierung des Reporters verurteilt. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Anordnung der Untersuchungshaft "bitter und enttäuschend". Bundesjustizminister Heiko Maas erklärte, das Wegsperren von missliebigen Journalisten sei mit dem Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit unvereinbar. Wenn sich die Türkei nicht an die europäischen Grundwerte halte, werde eine Annäherung an die EU immer schwieriger bis unmöglich.

"Fadenscheinige Festnahmen": Martin Schulz (Archivbild)Bild: Reuters/F. Bensch

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz sagte den Dortmunder "Ruhr Nachrichten": "Deniz Yücel muss freigelassen werden - genauso wie all die anderen mit fadenscheinigen Begründungen festgenommenen Journalisten".

Der SPD-Außenpolitiker Niels Annen sieht die Verhaftung - ebenso wie Minister Gabriel - als Gefahr für die bilateralen Beziehungen zur Türkei. Im ZDF-Morgenmagazin sagte Annen: "Die türkische Führung muss wissen: Das ist nicht irgendein Fall, sondern wir werden uns mit allen Möglichkeiten, die uns rechtlich, aber auch politisch zur Verfügung stehen, dafür einsetzen, dass Herr Yücel schnellstmöglich auf freien Fuß gesetzt wird."

jj/SC (dpa, afp, dw)

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