1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Türkei bezeichnet EU-Kritik als "rassistisch"

7. November 2016

Im verbalen Schlagabtausch hat sich Europaminister Celik jeden Vergleich mit der NS-Diktatur verbeten - und bringt im selben Atemzug selbst einen. Überlegungen zur Todesstrafe verknüpft er indirekt mit einer Forderung.

Mevlut Cavusoglu Türkei mit Omer Celik Federica Mogherini Johannes Hahn
Im September in Ankara war die Lage noch entspannter: Ömer Celik (2.v.r.) mit der EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini Bild: picture-alliance/dpa/F.Aktas

Der türkische Europaminister Ömer Celik hat die scharfe Kritik der Europäischen Union angesichts der Unterdrückung der Opposition und der Verhaftungswelle im Land zurückgewiesen und vor einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen gewarnt. Bei einem Treffen mit den EU-Botschaftern in Ankara habe er deutlich gemacht, dass die türkische Regierung über die von der EU vertretenen Standpunkte sehr "beunruhigt" sei, erklärte Celik anschließend im Fernsehen. Er hob damit auch auf die Äußerung von Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn an, der die Entwicklung in der Türkei mit der zur Zeit der Nazi-Diktatur verglichen und mögliche Wirtschaftssanktionen ins Spiel gebracht hatte.

Es sei vielmehr so, dass das Vorgehen gegen Terrorverdächtige in seinem Land mit dem "Kampf gegen Nazis" vergleichbar sei, ergänzte Celik. Er sieht die Beziehungen zwischen Ankara und der Europäischen Union inzwischen an einem "sehr zerbrechlichen" Punkt angelangt.

Forderungen aus der EU, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen, wies der Europaminister als "rassistisch" zurück. Es sei "nicht akzeptabel", dass "einige unserer Freunde in Europa in einem Satz sagen, dass sie an unserer Seite stehen, und dann neun kritische Sätze folgen".

Vor Razzien in der Türkei ist derzeit keiner gefeit (Archivbild) Bild: picture-alliance/AP Photo

EU-Vollmitgliedschaft wäre gut

Celik verteidigte die Diskussion um die Einführung der Todesstrafe. Sie sei eine "Reaktion unseres Volkes", weil die Türkei nach dem Putschversuch im Sommer "so sehr alleine gelassen worden" sei, meinte er weiter. Celik warb für starke Beziehungen zwischen der Türkei und seinen europäischen Nachbarn. Eine EU-Vollmitgliedschaft wäre der richtige Weg. Die Beitrittsverhandlungen waren 2005 aufgenommen worden. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in dem Land werden aber zunehmend Rufe laut, diese abzubrechen.

Deutschland unterstützt nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert derzeit keine Überlegungen zu Sanktionen. Nötig sei jetzt eine "klare und gemeinsame europäische Haltung" zur Türkei. "Dafür ist es richtig, Gesprächskanäle offen zu halten." Sollte die Regierung in Ankara allerdings die Todesstrafe wieder einführen, müssten die EU-Beitrittsgespräche beendet werden, machte Seibert deutlich.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hält schon jetzt einen Abbruch der Verhandlungen für denkbar. Ein Land, das die Opposition ins Gefängnis stecke, könne nicht erwarten, dass die Verhandlungen offen weitergeführt werden, betonte er.

Weiterer HDP-Abgeordnete in Haft

Ungeachtet der internationalen Kritik ließ die türkische Regierung an diesem Montag einen weiteren Abgeordneten der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP festnehmen. Der Parlamentarier Nihat Akdogan sei in seinem Wahlkreis im südosttürkischen Hakkari von Polizisten abgeführt worden, teilte Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus in Ankara mit. Am Samstag war gegen die beiden Parteichefs Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag sowie gegen sieben weitere HDP-Abgeordnete Untersuchungshaft verhängt worden. Die gegenwärtige Verhaftungswelle verteidigte Kurtulmus als einen "zu hundert Prozent rechtmäßigen Vorgang" der Justiz, in den sich die Politik nicht einmischen könne.

se/cr (afp, ap, dpa, rtr)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen