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Politik

Türkischer Premier: "Der Volkswille ist klar"

18. April 2017

Die türkische Opposition beantragt offiziell die Annullierung des Referendums - doch der Regierungschef stellt sich stur. "Die Debatte ist vorbei", so Yildirim. Für die Gegner Erdogans fängt sie aber erst richtig an.

Türkei Referendum  Binali Yildirim AKP Feier
Klare Richtung: Regierungschef Yildirim am Wahltag im AKP-Hauptquartier in AnkaraBild: Getty Images/AFP/A. Altan

Das Ziel schien knapp erreicht: Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan steuert nach der Volksabstimmung vom Sonntag auf ein Präsidialsystem zu, das ihm weitreichende Machtbefugnisse sichern soll. Doch die Opposition will mit aller Kraft dafür sorgen, dass die Regierung zwar einen Punkt gemacht, aber nicht das Spiel gewonnen hat.

Regierungschef Binali Yildirim - der Mann, dessen Amt es nach der Verfassungsreform und der kommenden Wahl nicht mehr geben soll - tritt nach vorn, um die aufbrandende Empörung zu dämpfen. Hinter den "Gerüchten", es habe beim Referendum Unregelmäßigkeiten gegeben, stecke nichts weiter als der Versuch, einen Schatten auf das Ergebnis zu werden, so der Premier.

"Jeder muss es akzeptieren"

"Der Wille des Volkes ist klar", sagte Yildirim vor der AKP-Regierungsfraktion. "Die Debatte ist vorbei." Jeder müsse den Ausgang des Referendums akzeptieren. Der Premier reagierte damit auf die Widersacher des Regierungslagers, die verlangen, das Referendum zu annullieren. Die größte Oppositionspartei CHP stellte an diesem Dienstag einen entsprechenden Antrag bei der Hohen Wahlkommission.

Nein (türkisch: hayir)! Gegner des Präsidialsystems protestieren gegen den WahlausgangBild: picture alliance/AP Photo/E. Gurel

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Volksentscheid mit 51,4 Prozent Ja-Stimmen knapp gewonnen. Doch nicht nur die Opposition, auch internationale Wahlbeobachter haben längst Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Ergebnisses angemeldet. Dabei geht es vor allem um eine Entscheidung der Wahlkommission, die in letzter Minute getroffen wurde: Wahlzettel seien auch ohne den vorgeschriebenen Stempel als gültig zu werten. Von Seiten der Opposition heißt es, dass nicht klar sei, wie viele ungestempelte Stimmzettel mit ausgezählt wurden.

2,5 Millionen Stimmen "manipuliert"?

Für Beobachter ist dies nicht allein ein formaler Verstoß. So erklärte die Menschenrechtssprecherin der österreichischen Grünen im Sender Ö1, es gebe den Verdacht, dass bis zu 2,5 Millionen Stimmen "manipuliert" worden seien - so viele, dass sie das knappe Wahlergebnis noch drehen könnten. Auch die türkische Anwaltskammer zweifelt die Rechtmäßigkeit des Referendums an. Ungestempelte Wahlzettel zu akzeptieren verstoße gegen das Gesetz, erklärte die Juristenvereinigung.

Mit oder ohne Stempel? Auszählung von Stimmzetteln am Sonntag in IstanbulBild: Getty Images/AFP/O. Kose

Überdies hatten die Wahlbeobachter berichtet, sie seien bei ihrer Arbeit behindert worden. In mehreren Fällen wurden Vertreter der Mission des Europarates und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für längere Zeit festgehalten, ehe sie Zugang zu bestimmten Wahllokalen bekamen. In sozialen Netzwerken wurde vielfach der Verdacht auf Mauscheleien bei der Stimmauszählung geäußert. Ob Videos, die das belegen sollen, echt sind, lässt sich allerdings kaum überprüfen.

EU-Kommission verlangt "transparente Untersuchung"

Inzwischen forderte auch die Europäische Kommission den EU-Beitrittskandidaten am Bosporus auf, eine "transparente Untersuchung" zu den Manipulationsvorwürfen einzuleiten. Die türkischen Behörden seien aufgerufen, "mutmaßliche Unregelmäßigkeiten" zu untersuchen, die von den internationalen Beobachtern festgestellt worden seien, sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas.

Die Regierung in Ankara forderte indes von der EU ein Ende der "Anfeindungen" gegen Präsident Erdogan. "Die Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union müssen mit offenem Geist und gebunden an objektive Regeln und auf demokratische Art geführt werden", sagte EU-Minister Ömer Celik. "Das geht nicht, indem man Tag und Nacht Erdogan anfeindet oder Tag und Nacht die Türkei anfeindet."

Sieht nur noch Anhänger: Erdogan am Tag nach dem ReferendumBild: picture-alliance/AP Images/Turkish Presidency

Weitere Einschränkungen für Zivilgesellschaft

Der angekündigten Beschwerde der CHP in der Türkei dürfte nach Einschätzung von Experten kein Erfolg beschieden sein. Die Opposition hat allerdings schon angekündigt, sie werde notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen. Die türkische Justiz ist durch Massenentlassungen und -festnahmen nach dem Militärputsch im Juli stark geschwächt. Immer wieder gibt es Vorwürfe, die Regierung nutze den Vorwand einer angeblichen Verwicklung in den Putsch, um missliebige Gegner kaltzustellen.

Die Einschränkung zahlreicher Grundfreiheiten bleibt derweil weiter bestehen. Die türkische Führung hatte am Montag angekündigt, den Ausnahmezustand erneut zu verlängern. Menschenrechtler kritisieren dies scharf. So erklärte die Organisation Human Rights Watch, wenn der Notstand andauere, gefährde dies zunehmend die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit, die "bereits schwer beeinträchtigt wurden".

Präsident Erdogan scheint sich um solche Befürchtungen indes nicht zu kümmern: Noch während der Siegesfeiern nach der Volksabstimmung hatte er seine Absicht bekräftigt, in der Türkei die Todesstrafe wieder einzuführen. Für die EU-Kommission jedenfalls, so erklärte Sprecher Schinas in Brüssel, wäre das "die roteste aller Linien".

jj/sti (dpa, afp, rtr)

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