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TÜV: Corona, Cannabis und der Verkehr

Dirk Kaufmann
16. Mai 2022

Der Technische Überwachungsverein prüft in Deutschland nicht nur Autos - er schaut auch generell auf das Verkehrsgeschehen. Seine aktuelle Mobilitätsstudie untersucht den Einfluss der Corona-Pandemie auf den Verkehr.

Deutschland Autobahnkreuz Kaiserberg
Autoverkehr an einem Autobahnkreuz im RuhrgebietBild: Jochen Tack/dpa/picture alliance

"Der individuelle Verkehr per Auto, Fahrrad oder Motorrädern gewinnt. Dagegen haben viele Menschen während der Pandemie Busse und Bahnen aus Sorge vor Ansteckung gemieden", sagte Joachim Bühler, der Geschäftsführer des TÜV-Verbandes bei der Vorstellung der aktuellen TÜV Mobility Studie am Montag (16.05.2022). Die Studie beschäftigt sich unter anderem mit der Frage, welchen Einfluss die Pandemie auf das Mobilitätsverhalten der Deutschen hat.

Laut einer Umfrage hat COVID-19 die Stellung des Autos als wichtigstes Verkehrsmittel eher noch verstärkt. 72 Prozent der Bundesbürger nutzen demnach an einem gewöhnlichen Werktag ein Auto. Das bedeutet im Vergleich zu Anfang 2020, also in der Zeit vor Ausbruch der Pandemie, eine Zunahme von sieben Prozentpunkten. 32 Prozent fahren werktäglich Rad, das entspricht einem Plus von drei Punkten.

Damit hat das Fahrrad den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) vom zweiten Platz verdrängt. 25 Prozent der Befragten nutzen an Werktagen Bus oder Bahn, der ÖPNV verzeichnet damit ein Minus von sieben Punkten. Fünf Prozent fahren mit einem Motorrad oder Motorroller (plus zwei Punkte).

Ist das die Zukunft des Individualverkehr in Deutschland? Im Moment sieht es nicht danach ausBild: Wolfram Steinberg/picture alliance

Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach

"Das heißt aber nicht, dass sich die Befragten nicht einen attraktiveren Nahverkehr wünschen und diesen auch nutzen würden", betonte Bühler aber. Die Studie zeigt, dass es den Verkehrsteilnehmern schwer fällt, ihre Mobilität umwelt- und klimaschonender zu gestalten. Zwar gab mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) an, dass der Umwelt- und Klimaschutz bei ihren Mobilitätsentscheidungen eine Rolle spielt. Fragt man aber, was den Menschen bei der eigenen Mobilität besonders wichtig ist, stehen auf den ersten Plätzen Flexibilität, Schnelligkeit und Verlässlichkeit noch vor den Faktoren Sicherheit, Kosten, Bewegung und Komfort. Der Schutz der Umwelt landet am Schluss.

Als größte Probleme des Straßenverkehrs nannten die Befragten die Überlastung der Innenstädte, Luftverschmutzung, Klimabelastung und vor allem: zu viele Staus. Einzukaufen oder Ausflüge in Naherholungsgebiete zu unternehmen sind vielen Befragten zu beschwerlich, wenn sie nicht das eigene Auto benutzen könnten. Das gaben 55 Prozent der Autobesitzer an, es fehle ihnen an Alternativen. Der Öffentliche Nahverkehr ist für 50 Prozent und das Fahrrad für 35 Prozent nicht verfügbar oder zu unsicher. Fast ein Drittel (30 Prozent) beklagen einen Mangel an Carsharing-Angeboten.

Sicherheit im Straßenverkehr verbessern

Zur "Kernkompetenz" des TÜV, der technischen Überwachung des Straßenverkehrs, bemerken die Studienautoren, dass Fahrerassistenzsysteme in Pkw immer wichtiger werden. Ab Juli dieses Jahres müssen in neuen Autos einige Sicherheitssysteme eingebaut werden, darunter Notbremsassistent, Müdigkeitswarner oder ein "intelligenter" Geschwindigkeitsassistent.

Kernaufgabe: Bei der "Hauptuntersuchung" stellt der die TÜV die Verkehrssicherheit eines Autos fest - oder auch nichtBild: picture alliance/dpa

44 Prozent der Befragten nutzen diese Assistenzsysteme bereits. "Auch Assistenzsysteme können verschleißen", sagte Bühler. Das beträfe vor allem die empfindliche Sensorik, die schon durch kleine Beschädigungen oder durch unsachgemäße Reparaturen beeinträchtigt werden kann. In solchen Fällen können sie laut Bühler zum Unfallrisiko werden. Deshalb sei es wichtig, Funktion und Wirkung von Assistenzsystemen regelmäßig bei der Hauptuntersuchung zu überprüfen.

In Zukunft elektrisch - vielleicht

Bei der Frage, ob die Zukunft des Individualverkehrs elektrisch sein wird, ist der TÜV nur eingeschränkt optimistisch. "Trotz des aktuellen Absatzbooms bei Elektrofahrzeugen gibt es in der Bevölkerung immer noch viele Vorbehalte gegen die Elektromobilität", so TÜV-Geschäftsführer Joachim Bühler. Geschäftsführer des TÜV-Verbandes.

Eine repräsentative Ipsos-Umfrage im Auftrag des TÜV-Verbands unter 1.000 Personen ab 16 Jahren ergab kein eindeutiges Bild. Zwar könnte sich ungefähr jeder vierte Deutsche (26 Prozent)  vorstellen, als nächstes Fahrzeug ein Elektroauto anzuschaffen. Doch hält eine Mehrheit von 52 Prozent den Kauf eines E-Auto für unwahrscheinlich und jeder fünfte (22 Prozent) hat gar nicht vor, sich ein E-Auto anzuschaffen.

Gegen ein Elektroauto sprächen vor allem die geringe Reichweite (für 49 Prozent), die hohen Anschaffungskosten (46 Prozent) und die geringe Zahl von Ladestationen (44 Prozent). Zudem haben 42 Prozent Zweifel, ob Elektrofahrzeuge umweltfreundlicher sind als Verbrenner. "Im Vergleich zu unserer letzten Befragung vor zwei Jahren hat sich an den Bedenken trotz der technischen Entwicklung und staatlicher Förderprogramme kaum etwas geändert", räumt Bühler daher ein.

Die aktuelle E-Auto-Boom könnte sich als Strohfeuer erweisen, wenn Politik und Hersteller jetzt nicht gegensteuern, so Bühler: "Wir brauchen eine Offensive für mehr Ladestationen, eine zielgenauere Förderung und mehr günstige E-Autos für Jedermann. Und wir müssen besser darüber informieren, welchen Beitrag die Elektromobilität für den Umwelt- und Klimaschutz leisten kann."

Vorbilder auf dem Lastenrad: Papa mit Helm und der Nachwuchs auch - sollen wir solche Räder jetzt auch staatlich fördern?Bild: Claus Völker/dpa/picture alliance

Umstrittene Tempolimits

Neben der Förderung der E-Mobilität vermissen viele Bürger weitere Maßnahmen, um die Klimabelastung durch den Straßenverkehr zu verringern. 80 Prozent fordern einen beschleunigten Ausbau des ÖPNV, 82 Prozent wünschen sich den Nahverkehr kostenlos. 70 Prozent der Befragten fordern darüber hinaus einen beschleunigten Ausbau der Fahrradinfrastruktur und fast die Hälfte (49 Prozent) wünscht sich eine finanzielle Förderung von Lastenrädern und E-Bikes.

Auch kontrovers diskutierte Maßnahmen finden eine Mehrheit: 56 Prozent befürworten ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen (38 Prozent lehnen ab). Innerstädtisch ergibt sich ein anderes Bild: Zwar befürworten 40 Prozent ein Tempolimit von 30 km/h in Städten, 55 Prozent der Befragten sind aber dagegen. Auch eine City-Maut oder Null-Emissionszonen lehnt eine Mehrheit ab.

"Die Bundesregierung hat die Chance, mutige Entscheidungen für den Umwelt- und Klimaschutz zu treffen", so der TÜV.  Als eine kurzfristig wirksame Maßnahme empfiehlt der Verband, die Richtwerte zur Luftqualität gemäß den internationalen Empfehlungen anzupassen. Luftschadstoffe wie Feinstaub und Stickoxide sollten bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor im Rahmen der Abgasuntersuchung unabhängig überprüft werden.

Wenn die neuen Schuhe oder die X-Box nicht mehr im Lkw kommen, sondern emissionsfrei geliefert werden ...Bild: SvenSimon/picture alliance

Nicht kiffen und fahren!

Auch mit der Fahrtüchtigkeit der Verkehrsteilnehmer beschäftigt sich die Studie: Die seit einem halben Jahr amtierende Rot-Grün-Gelbe Bundesregierung hat angekündigt, Cannabis-Konsum zu legalisieren. Das rückt den Konsum des Rauschgiftes durch Verkehrsteilnehmer in den Fokus.

In der Umfrage geben gerade einmal 42 Prozent der Befragten an, sie fühlten sich über die Regelungen zu Cannabis im Straßenverkehr ausreichend informiert. Das, so der TÜV, zeige einen hohen Aufklärungs- und Informationsbedarf in der Bevölkerung. Da Cannabis die Wahrnehmung und Sensomotorik der Fahrer negativ beeinflussen kann, müssten Cannabis-Nutzer wie bei Alkohol klar zwischen Konsum und Fahren trennen.

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