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Tabubruch im indischen Kino

Christine Harjes17. Juni 2004

Junge trifft Mädchen, gemeinsam tanzen und singen sie vor bunten Kulissen, Küssen aber ist verboten. So sind viele indische Filme gestrickt. "Girlfriend" bricht mit diesen Konventionen und sorgt in Indien für Unruhe.

Beziehung zwischen zwei Frauen im Film "Girlfriend"Bild: AP

Die Geschichte ist schnell erzählt: Mädchen trifft Jungen und verliebt sich in ihn. Bis hier ist alles noch wie in den meisten der vielen anderen "Bollywood"-Filme, von denen in Indien jedes Jahr rund 1000 auf den Markt kommen. Dann aber kommt noch ein Mädchen ins Spiel: Tanya, die beste Freundin der frisch verliebten Sapna. Eifersüchtig stellt sie sich zwischen Sapna und deren neue Liebe. Tanya wird klar, dass sie in ihre Freundin verliebt ist. Der Film zeigt lesbische Szenen zwischen den Freundinnen. Im westlichen Kino schon lange kein Tabu mehr, löst "Girlfriend" in Indien gewalttätige Proteste aus.

Zornige Hindus

Mitglieder radikaler Hindu-Gruppierungen wie der Shiv-Sena-Partei zertrümmerten Fensterscheiben von Kinos, die den Film zeigten, rissen Plakate von den Wänden und verbrannten Banner. Die Darstellung einer lesbischen Beziehung verletze die traditionelle indische Kultur, begründeten die radikalen Hindus ihre extreme Reaktion. Aus Angst vor Übergriffen beschlossen einige Kino-Besitzer, den Film nicht mehr zu zeigen. "Die Sicherheit der Zuschauer und der Gebäude stand bei der Entscheidung, den Film nicht vorzuführen, oben an", sagt Anshu Vyas von Fun Republik, einer landesweiten Multiplex-Kette.

Entfernung von Kinoplakaten nach ProtestenBild: AP

Vor acht Jahren war es in Indien schon einmal zu ähnlichen Ausschreitungen gekommen, als der Film "Fire" in den Kinos gezeigt wurde. Dieser Film über eine intime Beziehung zwischen zwei Frauen war schon zwei Jahre erfolgreich im Ausland gelaufen, bevor er in die heimischen Kinosäle kam und sich dort den Zorn der Shiv Sena zuzog.

Pornografie

Kritik an "Girlfriend" kommt aber nicht nur aus der konservativen Ecke. Der Film zeichne das stereotype Portrait einer lesbischen Beziehungen, hieß es von indischen Frauengruppen. "’Girlfriend ist pornografisch und ganz auf die Wünsche heterosexueller Männer zugeschnitten", sagt Tejal Shah vom "Forum gegen die Unterdrückung von Frauen". Der Film werde die indische Gesellschaft nur noch mehr gegen lesbische Frauen aufbringen. "Girlfriend" bediene sich aller gängigen Vorurteile über Beziehungen unter Frauen. So wird die lesbische Tanya im Verlauf der Handlung immer Besitz ergreifender und psychopathischer.

Ein Kinomitarbeiter entfernt Werbung für "Girlfriend"Bild: AP

Der Regisseur Karan Razdan erklärt, der Film handele von einer Frau, die durch ihre Umgebung lesbisch wird und nicht mit der sexuellen Orientierung zum eigenen Geschlecht geboren wurde. Eine nach dem heutigen Stand der Wissenschaft überholte Ansicht von Homosexualität.

Publikumsschlager

Trotz der Proteste: In Bombay läuft "Girlfriend" in mehr als einem Dutzend Kinos – geschützt von Polizisten und gestürmt von Massen neugieriger Zuschauer. Seit das Fernsehen Szenen des Films ausgestrahlt hat, ist das Interesse an "Girlfriend" riesig. "Die Vorführungen gestern waren alle ausverkauft. Der Andrang ist durch die Kontroverse noch größer geworden", sagt Pawan Jain, Kino-Manager in Bombay.

"Ich habe keinen pro-lesbischen Film gemacht, aber mein Film hat eine Debatte über das Thema ausgelöst", sagt Karan Razdan. "Unabhängig davon, ob mein Film gute oder schlechte Kritiken bekommt, wollte ich in der Gesellschaft ein Bewusstsein für dieses Thema schaffen." Auf jeden Fall dürfte ihm mit der für Indien ungewöhnlichen "Mädchen-trifft-Mädchen-Geschichte" ein Kassenschlager gelungen sein – auch wenn die negative Kritik vermutlich überwiegen wird.

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