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Politik

Tag der offenen Moschee: "Jetzt erst recht"

Helena Kaschel
3. Oktober 2017

Seit 20 Jahren öffnen Moscheen in Deutschland am 3. Oktober ihre Türen. In diesem Jahr werden rund 100.000 Besucher erwartet. Mit dem Einzug der AfD in den Bundestag steht die Initiative unter besonderen Vorzeichen.

Deutschland Moschee in Wuppertal
Mehr als 2000 Moscheen gibt es in Deutschland - viele laden am Tag der Deutschen Einheit zur Begegnung einBild: DW/ Mirza Odabaşı

Die Osmanische Herberge im Eifeler Örtchen Kall ist kein gewöhnliches Gotteshaus. Der ehemalige Landgasthof hat einige Gästezimmer, im Restaurant "Derwisch" wird Halal-Essen serviert. Über eine Treppe gelangt man zur Moschee im Keller: In einem Raum mit vielen Teppichen hängt eine bunte Lichterkette, rosa- und orangefarbene Schleier trennen den Männer- und Frauenbereich.

Einmal pro Woche kommen die Mitglieder der örtlichen Sufi-Gemeinde zum Dhikr zusammen, einem Gebet mit anschließendem Gespräch und Mantra-ähnlichem Gesang. Zwischen 5000 und 10.000 Muslime in Deutschland sollen dem Sufismus angehören, der häufig als eine spirituelle, mystische Strömung des Islam bezeichnet wird. In Kall sind an diesem Abend etwa 20 Männer und einige wenige Frauen anwesend - die meisten aus Aachen, Köln und Bonn. Aber auch Italiener, Spanier und Marokkaner, die in der Eifel leben, sind dabei.

Auch die Sufis in der Eifel wollen den Tag der deutschen Einheit für den Austausch mit Nicht-Muslimen nutzenBild: DW/ Mirza Odabaşı

Man sei gerade von einer Veranstaltung in der örtlichen evangelischen Kirche gekommen, die "im Sinne des interreligiösen Friedens" stattgefunden habe, sagt Sheikh Hassan Dyck, der das Zentrum vor 20 Jahren gegründet hat. Dieser Dialog sei sehr wichtig - ebenso wie der bevorstehende Tag der offenen Moschee. "Wir haben Nachbarn und alle Interessierten eingeladen. Es gibt auch ein Poster davon."

"Ohne Zweifel eine Erfolgsgeschichte"

Die Moschee in der Osmanischen Herberge ist eine von rund Tausend muslimischen Gotteshäusern in Deutschland, die an diesem 3. Oktober Ausstellungen, Führungen, Vorträge und Diskussionsrunden für Besucher anbieten. 1997 fand die Aktion zum ersten Mal bundesweit statt. Seit 2007 wird sie vom Koordinationsrat der Muslime (KRM) organisiert, in dem unter anderem die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB) und der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) vertreten sind.

Der Tag der offenen Moschee sei wichtiger denn je, um zu zeigen, "dass wir Teil dieser Gesellschaft sind", sagt Aiman MazyekBild: picture-alliance/NurPhoto/E. Contini

Die Transparenzinitiative sei eine "ohne Zweifel eine Erfolgsgeschichte", bilanziert Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland.

"Es ist ein fest datierter Tag, der bei vielen Bürgerinnen und Bürgern längst bekannt ist. Viele von ihnen verbinden am Tag der Deutschen Einheit einen Besuch beispielsweise in der Kirche oder dem Rathaus mit einem anschließenden Besuch in einer Moschee." 

Auch der KRM gibt sich zufrieden: Seit ihrer Initiierung habe die Aktion "mehr als eine Million Menschen zusammengebracht", heißt es in einem Rückblick auf die vergangenen 20 Jahre.

"Am besten nicht auffallen”

Doch dieser Tag der offenen Moschee ist ein besonderer, und das nicht nur wegen des Jubiläums. Mit der AfD wird nun eine Partei im Bundestag sitzen, deren Programm den Satz "Der Islam gehört nicht zu Deutschland" beinhaltet. Die Stimmung in der muslimischen Community sei "alles andere als positiv", beobachtet Mazyek.

"Wir haben immer darauf verwiesen, dass es eine Gruppe an Rassisten in unserem Land gibt und die Verharmlosung oder auch die Unterschätzung dieses Phänomens ist ein Grund dafür, dass wir den Einzug der AfD erlebt haben. Jetzt haben wir es schwarz auf weiß." Der 48-Jährige befürchtet nun, dass die Angriffe auf Muslime und Moscheegemeinden zunehmen könnten.

Von Angst unter Muslimen angesichts des Wahlergebnisses berichtet auch NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler. Vielen sei nicht klar, wie der von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland angeschlagene Ton auf Menschen wirke, die etwa schon einmal Opfer rechtsextremer Gewalt geworden seien. 

Serap Güler, Mitglied des CDU-Bundesvorstands, plädiert für einen stärkeren interreligiösen DialogBild: Laurence Chaperon

"Wir haben die letzten zwei Jahre über die Menschen gesprochen, die Angst vor Überfremdung haben. Jetzt ist es an der Zeit, über die Ängste der Menschen zu sprechen, die sich Sorgen machen, weil die AfD im Bundestag sitzt", fordert die CDU-Politikerin. Viele Muslime reagierten auf das Wahlergebnis selbstbewusst, ließen sich nicht einschüchtern, sagt Güler. Doch eine "große schweigende Mehrheit" sage sich: "Am besten nicht auffallen".

Ein Tag im Jahr genügt nicht

Die großen islamischen Verbände, so Güler, hätten in der Vergangenheit nicht genug getan, um Vorurteile abzubauen und Transparenz zu schaffen. Ihnen sei bewusst, "dass sie Fehler gemacht haben, dass sie vieles nicht ernst genommen oder sich dem nicht so stark gewidmet haben, wie es vielleicht notwendig gewesen wäre." Ein Tag der offenen Moschee reiche nicht aus.

Den Veranstaltern scheint die besondere Bedeutung der diesjährigen Aktion immerhin bewusst zu sein. "Wir wollen in diesem Jahr darauf hinweisen, dass wir gerade vor dem Hintergrund des Einzugs der Rechtspopulisten in den Bundestag jetzt erst recht den Dialog nicht abbrechen wollen", betont Mazyek. In einer Pressemitteilung des KRM vom 28. September heißt es, das diesjährige Motto - "Gute Nachbarschaft - bessere Gesellschaft" - erhalte "eine besondere Bedeutung in gesellschaftspolitisch aufgeheizten Zeiten.

Fraglich ist, wie viel die Initiative gerade jetzt in den Köpfen ändern kann. Viele Bürger, die das Begegnungsangebot wahrnehmen, werden ohnehin schon eine gewisse Offenheit gegenüber dem Islam mitbringen. Effektiver könnten langfristige Annäherungsversuche sein. Die liberal-islamische Gemeinde in Köln kommt schon seit Jahren in den Räumen der evangelischen Lutherkirche zusammen. Männer und Frauen beten zusammen, es herrscht keine Kopftuchpflicht, die Gebete leitet Imamin Rabeya Müller.

Muslimische Gebete in Kölner Kirche

Immer wieder feiern die christliche und muslimische Gemeinde zusammen Feste, sogar Gottesdienste. "Wir waren gemeinsam auf Demonstrationen, haben gemeinsam das große Fastenbrechen in der Keupstraße gefeiert", sagt Müller, die häufig interreligiöse Trauungen durchführt - und für ihr Engagement Kritik von konservativen Gläubigen erntet. "Wir zeigen deutlich, dass wir menschlich miteinander klar kommen und uns nicht nur respektieren, sondern auch gegenseitig beistehen."

Imamin Rabeya Müller (links) und Pfarrer Hans Mörtter setzen sich für mehr Miteinander zwischen den Religionsgemeinschaften einBild: DW/ Mirza Odabaşı

Das hält auch Pfarrer Hans Mörtter für essentiell. "Nach dieser Wahl ist es umso wichtiger, zu zeigen, wie normal es ist, miteinander zu feiern und sich zu begegnen und dass die Vorurteile einfach nicht stimmen und die Mehrheit der Menschen anders tickt." 

Letztes Jahr hat die liberale Gemeinde in der Lutherkirche zum Tag der offenen Moschee eingeladen. Dieses Mal habe man es organisatorisch nicht geschafft, denn die Gemeindemitglieder arbeiteten alle ehrenamtlich, sagt Müller.

In der Osmanischen Herberge schreitet das Dhikr voran. Es geht um das Überwinden des Egos, um die Vervollkommnung des Charakters, um Frieden - und um den Tag der offenen Moschee. Wie viele muslimische Gemeinden haben die Sufis ein Programm für den 3. Oktober zusammengestellt. "Wir wollen gemeinsam darüber sprechen, wie man eine Nähe zu Gott erreichen kann", sagt Sheikh Hassan Dyck. "Wir werden auch Musik machen, tanzen und die Leute bewirten - so wie immer."

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