Tag des inhaftierten Schriftstellers
15. November 2019"Jeden Tag bekomme ich so viele Briefe von PEN-Mitgliedern, dass ich von sehr schönen Gefühlen umgeben bin", schrieb Zehra Doğan aus dem Gefängnis Diyarbakir in der Türkei. "Ich nehme an, dass an Orten wie diesen, an denen alles verboten ist, die Stärke eines einzigen Stiftes eine große Kraft ist. Weil sie wissen, dass das Schreiben eine magische Kraft ist, sind sie dagegen machtlos. Ich kann mich fühlen, als sei ich bei Euch, immer, und vielleicht fühle ich mich deshalb nie hilflos."
Die kurdische Künstlerin, Aktivistin und Journalistin wurde wegen ihrer Arbeit zweimal inhaftiert. Die Verhaftung von Zehra Doğan wurde international verurteilt und PEN International unterstützte ihre Freilassung, die im Februar 2019 nach eineinhalb Jahren Haft erfolgte.
205 Schriftstellerinnen und Schriftsteller verfolgt
Viele weitere Autoren, Verleger und Journalisten sitzen noch immer im Gefängnis oder werden wegen ihrer Arbeit von staatlichen Behörden verfolgt. Jedes Jahr am 15. November stellt der Autorenverband PEN International fünf Fälle von Repression in verschiedenen Weltregionen vor. In diesem Jahr sind das Lydia Cacho Ribeiro (Mexiko), Stella Nyanzi (Uganda), Shakthika Sathkumara (Sri Lanka), Nedim Türfent (Türkei) und Galal El-Behairy (Ägypten).
Über diese fünf konkreten Beispiele hinaus beobachtet PEN International noch viele weitere. Im Jahr 2018 dokumentierte der Autorenverband 205 Fälle von Autoren, die wegen ihrer Arbeit verfolgt wurden. 68 von ihnen saßen im Gefängnis, verurteilt für ihre schriftstellerische Arbeit.
Zwei der gelisteten Fälle betreffen Schriftsteller, die 2018 ermordet wurden: Shahzahan Bachchu, ein 60-jähriger Verleger, Dichter und Blogger, der aus Bangladesch über säkulare Themen schrieb, wurde von Islamisten getötet. Das ehemalige dänische Bandenmitglied Nedim Yasar wurde am Tag seiner Buchpremiere erschossen - sein Buch behandelt seine Gang-Erfahrungen.
PEN listet noch 20 weitere Morde an Schriftstellern seit 2006 auf, die ungestraft blieben. Andere Fallbeispiele konzentrieren sich auf juristische Verfolgung, Bedrohung und Angriffe. Weltweit stehen derzeit viele Schriftsteller vor Gericht. Von den 88 in Asien beobachteten Fällen sitzen 32 Autoren hinter Gittern - die meisten von ihnen in China.
Fast die Hälfte der 41 Fälle in Afrika und im Nahen Osten betreffen inhaftierte Schriftsteller mit langen Haftstrafen, insbesondere in Eritrea, Ägypten und im Iran. Zwei Drittel der in Europa/Zentralasien Inhaftierten befinden sich in der Türkei, etwa ebenso viele stehen dort aktuell vor Gericht. Der jüngste Fall betrifft den türkischen Schriftsteller und Journalisten Ahmet Altan, der am 12. November, nur acht Tage nach seiner Entlassung aus dreijähriger Untersuchungshaft, erneut verhaftet wurde.
PEN International sammelt Informationen von internationalen NGOs wie Freedom House, Index on Censorship, Reporter ohne Grenzen, Article 19 und dem Komitee zum Schutz von Journalisten. Viele Schriftsteller arbeiten auch als Journalisten und Aktivisten. Neben den genannten Fällen von ermordeten Schriftstellern wurden im vergangenen Jahr auch mehrere Reporter ermordet.
Das Komitee zum Schutz von Journalisten berichtete, dass 34 Journalisten bei Vergeltungsmaßnahmen für ihre Arbeit getötet wurden, darunter der prominente Fall von Jamal Khashoggi, der im Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul gefoltert und ermordet wurde.
Wahrscheinlich noch mehr Fälle
PEN stellt auch fest, dass die vom Verband zusammengetragene Liste "nur eine Momentaufnahme eines wahrscheinlich größeren Phänomens liefern kann: Straftaten werden oft nicht gemeldet, Schriftsteller können sich selbst zensieren und andere Hindernisse entstehen, wenn es darum geht, das Schweigen von Schriftstellern zu dokumentieren."
Zu den von PEN International initiierten Kampagnen gehören das Versenden von Briefen an die betroffenen Regierungen und die Einbeziehung der eigenen Regierungen zur Unterstützung der inhaftierten und verfolgten Schriftsteller.
PEN International veröffentlicht auch die zuständigen Behörden und Namen von Ansprechpartnern, damit Unterstützer Beschwerden versenden können. Eine weitere Möglichkeit, Solidarität zu zeigen, bietet Social Media: Wer dort die Geschichten der Autoren teilt, sollte seinen Posts den Hashtag #ImprisonedWriter beifügen.