Taiwan: Serien und Spiele thematisieren Konflikt mit China
8. August 2025
Eine neue taiwanesische TV-Serie über eine fiktive chinesische Invasion führt derzeit die Hitliste im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und auf mehreren Streaming-Plattformen an. Sie eroberte den Spitzenplatz in kürzester Zeit: Die Premiere war erst am vergangenen Samstag (2.8.25).
Der Plot der zehnteiligen Reihe mit dem Titel "Zero Day Attack" gibt die Richtung vor: Ein chinesisches Kampfflugzeug ist 2028 spurlos verschwunden. Festlandchina nimmt diesen Zwischenfall als Vorwand, um die Inselrepublik von der Außenwelt abzuschneiden, die gerade einen neuen Präsidenten gewählt hat. Dieser steht kurz vor seinem Amtsantritt. Später werden Bodenattacken gestartet.
Wie die Serie endet, ist jetzt noch nicht bekannt. Ab August wird jede Woche eine Folge ausgestrahlt. Der Sendetermin für die letzte Folge ist 4. Oktober, kurz nach dem Nationalfeiertag der kommunistischen Volksrepublik am 1., und kurz vor dem Nationalfeiertag der Republik China am 10. Oktober.
Die Reaktionen der Zuschauer sind nach der ersten Folge unter der Überschrift "Krieg oder Frieden" gespalten. Einige lobten die Serie dafür, dass sie allen Taiwanesen beim Verständnis geholfen habe, wie die regierenden Kommunisten auf dem Festland Taiwan "infiltrieren". Andere glauben, der fiktive TV-Hit verbreite "eine Stimmung des nationalen Untergangs".
Taiwans umstrittener Status
Taiwan, offiziell Republik China, ist eine selbstverwaltete Demokratie mit circa 23 Millionen Einwohnern. Sie ist international isoliert und von den meisten Ländern nicht als ein souveräner Staat anerkannt, auch nicht von Deutschland. Die kommunistische Volksrepublik China betrachtet Taiwan als eine abtrünnige Provinz. Ein Gesetz legitimiert Peking die Anwendung von Waffengewalt im Falle einer Unabhängigkeitserklärung durch die Regierung auf der Insel.
Jahrzehnte lang vermieden taiwanesische Filmemacher weitgehend, Filmstoff zu den Konfliktsituationen auf beiden Seiten der Taiwanstraße, der Meeresenge zwischen dem Festland und der Insel Taiwan, zu produzieren. Schließlich wollten sie sich nicht den Zugang zum lukrativen chinesischen Medienmarkt verbauen.
Inzwischen sei der politische Konflikt aber kein Tabu mehr, sagt Yu-Hui Tai, Professor für politische Ökonomie der Kommunikation an der National Yang Ming Chiao Tung University in Taiwan. "Wir haben die Spirale des Schweigens durchbrochen", sagt Tai. "Es hat sich von etwas, über das wir nicht sprechen wollten, zu etwas entwickelt, das wir uns jetzt vorstellen und sogar simulieren können."
Inspiriert durch Angriffskrieg auf Ukraine
"Als ich die Schwere des Krieges in der Ukraine über Medien miterlebe, hatte ich das Gefühl, dass wir dieses Thema jetzt in Taiwan angehen müssen. Sonst gäbe es vielleicht nie wieder eine Chance", sagt Drehbuchautorin Cheng Hsin-mei gegenüber der DW. Die Dreharbeiten von "Zero Day Attack" begannen 2022, als russische Soldaten in die Ukraine einmarschierten.
Taiwan hat sich zu einem der umstrittensten Krisenherde der Welt entwickelt, da China seine militärische Kapazität in der Region verstärkt und regelmäßig Manöver rund um die Insel durchführt. Damit sagt Peking der starken Präsenz der US-Streitkräfte im asien-pazifischen Raum den Kampf an.
Schon im Mai feierte "Zero Day Attack" auf dem Kopenhagener Demokratie-Gipfel in Dänemark Premiere mit dem offiziellen Trailer und erhielt stehende Ovationen. Mitte August sind die ersten drei Folgen auf der Streaming-Plattform Amazon Prime in Japan zu sehen. Im September steht eine weitere Roadshow in der amerikanischen Hauptstadt Washington D.C. an.
Serie löst Kontroversen aus
Die Schauspielerinnen und Schauspieler kommen aus Taiwan, Hongkong und Japan. Das Budget der Serie beläuft sich auf 6,7 Millionen Euro. Nach Auskunft einer oppositionellen Parlamentarierin in Taiwan soll fast die Hälfte des Budgets mit Steuergeldern staatlich subventioniert worden sein. Der Anteil öffentlicher Zuwendungen ist in der Branche ungewöhnlich hoch.
Taiwan wird derzeit von der Peking-kritischen Demokratischen Fortschrittspartei DPP regiert. Die größte Oppositionspartei Kuomintang KMT wirft DPP nun Verschwendung öffentlicher Gelder vor, um damit in der Öffentlichkeit eine Stimmung des nationalen Untergangs zu schaffen.
Drehbuchautorin Cheng entgegnete, dass eine staatliche Filmförderung für die lokalen Film- und Fernsehproduktionen üblich sei. Das Gefühl des nationalen Untergangs sei auf die Realität zurückzuführen, dass "ein mächtiges autoritäres Regime nicht auf den Einsatz von Gewalt gegen Taiwan verzichten will."
Bei der Entwicklung des Plots habe sie sich mit Experten für nationale Sicherheit beraten, sagte Cheng. Moderne Kriegsführung setze eben "auf verschiedene Formen der Infiltration", um Angst zu schüren und so zur Kapitulation zu zwingen.
Realitätsnahe Kriegsspiele
Ähnlich wie die TV-Serie sind auch Computerspiele auf den Markt gekommen, die das Bewusstsein und Wissen über Chinas politische Infiltration schärfen sollen. Nach einer erfolgreichen Crowdfunding-Kampagne wurde Anfang des Jahres das Kriegsstrategiespiel "2045" offiziell veröffentlicht, das einen chinesischen Militärangriff im Jahr 2045 simuliert. Im Spiel wird Taiwans Öffentlichkeit in sechs verschiedene Rollen aufgeteilt, darunter die Anti-China-Gruppe und die Einheit "Pro-Wiedervereinigung".
Ein anderes Handyspiel namens "Reversed Front" schuf einen virtuellen "orientalischen Kontinent", auf dem Spieler von Taiwan, Hongkong oder anderen umliegenden Gebieten aus in die Kommunistische Partei Chinas infiltrieren können. Im Juni verboten die Behörden in Hongkong das Handyspiel wegen "Verletzung des Nationalen Sicherheitsgesetzes". Das Verbot führte jedoch nur zu einem Anstieg der Downloads.
"Wir wollen ein realistisches Bild der politischen Landschaft in Ostasien vermitteln", sagt Johnny, Sprecher von Reversed Front, der aufgrund der Sensibilität des Themas ein Pseudonym verwendet. "Unabhängig von der Bedrohung oder den Infiltrationsmethoden aus Peking hoffen wir, dass Taiwan lernen kann, Gegenmaßnahmen zu ergreifen."
Panikmacher
Kritiker solcher Computerspiele mit Bezug auf die Realität warnen vor Panikmacherei. Der Besitzer eines Gamingshops berichtet der DW, dass die meisten Kunden zocken, um sich zu entspannen und zu erholen. Allerdings führe das Spielen von "2045" bei einigen Gamern zu emotionaler Anspannung.
"Das wird unvermeidlich zu Ängsten führen", sagte Tammy Lin, renommierte Professorin an der National Chengchi University in Taiwan. Ihre Forschungsschwerpunkte sind digitale Spiele und Medienpsychologie. "Für Taiwan ist dies ein Thema, das einem Albtraum gleicht und das die Menschen lieber nicht erwähnen möchten", sagt sie gegenüber der DW.
Tai, Professorin für politische Ökonomie der Kommunikation, sagt, es sei angesichts der tiefen parteipolitischen Spaltung Taiwans in Bezug auf die Beziehungen zum Festlandchina nur eine Selbstverständlichkeit, dass die Filme und Spiele viel Emotionen hervorrufen. "Wie wir den Dialog zwischen diesen Emotionen fördern können, anstatt sie aufeinanderprallen zu lassen, ist eine echte Bewährungsprobe für Taiwans Gesellschaft."
Das Pekinger Verteidigungsministerium hat die TV-Reihe "Zero Day Attack" bereits kritisiert und es als "politisch motivierte TV-Produktion" bezeichnet, die darauf abziele, "die Landsleute auf beiden Seiten der Taiwanstraße in einen Konflikt zu zwingen und sich gegenseitig zu schaden und zu ruinieren".
"Spaltung ist ein fruchtbarer Boden für Fake News", sagt Tai. "Die Frage ist: Wollen wir Angst schüren oder eine sachliche Debatte fördern?"
Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan