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Taiwans smarte E-Scooter in Berlin

Klaus Bardenhagen
24. März 2017

Urbane Mobilität der Zukunft - dabei denkt man an E-Antrieb und an gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen. Aber man will auch gerne alleine losflitzen – hier setzt Gogoro aus Taiwan mit seinen smarten Elektrorollern an.

E.Mobilität made in Taiwan: Smarte Scooter für Berlin  (Foto: Coup Mobility GmbH )
Bild: Coup Mobility GmbH

Sie flitzen fast lautlos durch Berlin, funken ständig Position, Geschwindigkeit und Ladestand ins Netz und können am Ziel der Fahrt beliebig abgestellt werden. Innovative E-Roller made in Taiwan sollen zeigen, ob neue Formen der Elektromobilität funktionieren. Berlin ist für den Hersteller Gogoro weltweit der erste Testmarkt außerhalb der Heimat.

Das Tech-Start-Up aus Taiwan konnte gerade eine große Ladung Scooter nach Deutschland verschiffen. Die Zahl in Berlin verfünffacht sich ab April auf 1000. Mit 200 Gogoros startete Sharing-Anbieter Coup, hinter dem Elektronikriese Bosch steckt, die Ausleihe vergangenen Sommer. "Wir sind soweit zufrieden mit dem Feedback", sagt Gogoro-Sprecher Jason Gordon der DW. "Die Berliner sind aufgeschlossen für alternative Transportlösungen." Wie jedes Start Up hofft Gogoro auf exponentielles Wachstum. Das muss sich nicht auf Scooter beschränken. Dank der vernetzten Wechselakkus sieht die Firma sich primär nicht als Fahrzeughersteller, sondern als Energie-Systemanbieter. "Alles, was mobil ist und Strom braucht, kommt für uns in Frage", sagt Gordon.

1000 solcher Roller sollen demnächst in Berlin zur Verfügung stehenBild: Coup Mobility GmbH

Inspiriert von Apple

In Taiwan verleiht Gogoro seine E-Scooter nicht, sondern verkauft sie seit 2015 in mittlerweile mehr als 20 eigenen Markenshops, die an Apple Stores erinnern. Auch beim eleganten, kurvig-minimalistischen Design der Roller scheint das Vorbild der Kalifornier durch, die mit dem iPhone eine ganze Industrie revolutionierten. Gogoro gilt hier als Hoffnungsträger, weil auch Taiwans Technologie-Branche eine Revolution gut vertragen könnte.

Es gibt zahllose, zum Teil riesige Unternehmen, doch die meisten halten sich im Hintergrund. Als Zulieferer und Auftragsproduzenten für westliche und japanische Konzerne bleiben sie quasi namenlos. Was vor 20 oder 30 Jahren bestens funktionierte, stößt an seine Grenzen, seit China aufgeholt hat. Was fehlt, sind hausgemachte Innovationen und starke eigene Marken.

Fast nur Benzinroller: Ein ganz normaler Firmenparkplatz in TaipehBild: DW/K. Bardenhagen

Gogoro will frische Impulse geben

Mit seinem von Grund auf neu konzipierten Produkt will Gogoro das ändern. Gegründet wurde das Unternehmen 2011 von zwei leitenden HTC-Mitarbeitern. Der Smartphone-Hersteller war damals bereits als Marke etabliert und auf dem Höhepunkt seines Erfolges. Auch Gründerin Cher Wang investierte in Gogoro. HTC verlor seitdem durch verfehlte Modellpolitik mehr als 90 Prozent seines Börsenwerts. Gogoro mit derzeit 850 Mitarbeitern sieht sich dagegen als Start-Up mit großem Wachstumspotenzial.

Um sich bei der Expansion nicht zu überheben, ist Gogoro – mit Ausnahme Berlins – bislang nur auf dem Heimatmarkt aktiv. Die Insel ist ein optimales Testgebiet: Taiwan hat eine hohe Bevölkerungsdichte und ist vor allem verrückt auf Scooter. Mehr als 14 Millionen Roller sind unterwegs, bei 23 Millionen Einwohnern. In den Städten finden Zweiräder oft keine Parklücke. Fast alle haben klassische Verbrennungsmotoren. Zwar hat die Regierung die alten, besonders schmutzigen Zweitakter auf dem Verkehr gezogen. Trotzdem reinigen Benzinscooter ihre Abgase schlechter als PKW und tragen viel zur Luftverschmutzung bei - besonders in Taipeh, das ähnlich wie Stuttgart in einem Talkessel liegt.

Vorbild Apple-Store: Ein Gogoro-Geschäft in TaipehBild: DW/K. Bardenhagen

Rollende Smartphones

Dass Smog und Feinstaubwerte seit einigen Jahren zunehmend diskutiert werden, beobachtet auch Unternehmenssprecher Jason Gordon. Allein über den Umweltschutzaspekt ließen sich Kunden jedoch nicht gewinnen. "Uns kommt entgegen, dass Taiwaner neuen Technologien gegenüber sehr aufgeschlossen sind." Gogoro macht sich den Trend zum „Internet der Dinge" zunutze, der Vernetzung aller Lebensbereiche. Die Scooter erinnern an rollende Smartphones und kommunizieren ständig mit dem eigenen Handy und der Zentrale. Vom Displaydesign über Lichteffekte bis zur Melodie beim Hochfahren können Nutzer persönliche Akzente setzen, wie sie es vom Smartphone gewohnt sind. Praktischen Nutzen hat die Vernetzung auch: "Wir haben die Daten jeder Maschine im Blick und können manche Probleme voraussehen, bevor sie auftreten", sagt Gordon. "Dann erhält der Fahrer eine Nachricht mit der Bitte, in die Werkstatt zu kommen."

Scooter sind für viele in Taipeh das wichtigste VerkehrsmittelBild: DW/K. Bardenhagen

Wechselbatterien sind der Clou

Eigentliches Alleinstellungsmerkmal von Gogoro ist aber das Batterie-System. Viele Nutzer schreckt ab, dass E-Roller und E-Autos immer wieder langwierig aufgeladen werden müssen. Gogoro spart sich die Strippe, setzt auf selbst entwickelte Wechselbatterien und ein flächendeckendes Netz von Ladestationen. Unter dem Sitz stecken zwei Lithium-Ionen-Akkus, jeweils neun Kilo schwer und mit 1,3 Kilowattstunden Kapazität. Das soll im Schnitt für knapp 100 Kilometer reichen.

Geht der Strom zur Neige, steuern Fahrer in Taiwan die nächste Wechselstation an. Die sind kaum größer als ein Getränkeautomat und stehen an Tankstellen oder Straßenecken. Dort werden alte Akkus mit wenigen Handgriffen gegen frische ausgetauscht. 300 Stationen habe Gogoro schon über Taiwan verteilt, sagt Gordon. "Unser Ziel ist, dass man in den Städten zum Tauschen nie weiter als einen Kilometer fahren muss."

Wechselstation für Gogoro-Akkus in dem Ort Shifen bei TaipehBild: DW/K. Bardenhagen

In Berlin ist die Geschwindigkeit gedrosselt

In Berlin gibt es keine Wechselstationen, Betreiber Coup sorgt selbst dafür, dass immer frische Akkus in den Leihrollern stecken. Wer hier – natürlich per App – einen Scooter lokalisiert, entriegelt und startet, zahlt drei Euro pro halber Stunde, maximal 20 Euro am Tag. Wieder abstellen darf man ihn bislang nur in den Stadtteilen Mitte, Friedrichshain, Prenzlauer Berg und Kreuzberg – dafür aber überall, wo Parken erlaubt ist. Die Leistung entspricht einer 125-cc-Maschine. Weil die Berliner Gogoros per Software auf eine Höchstgeschwindigkeit von 45 statt der in Taiwan möglichen 95 km/h gedrosselt sind, ist kein Motorradführerschein nötig.

Ursprünglich hatte Gogoro Amsterdam als ersten europäischen Testmarkt angepeilt. "Als Coup sich mit seinem Konzept bei uns meldete, haben wir schnell auf Berlin umgeschwenkt", sagt Gordon. Welche Märkte als nächstes anstehen, will er nicht verraten. "Ich bekomme jeden Tag Mails von Städten in aller Welt, die uns fragen, wann wir bei ihnen anfangen können."

 

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