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Musik

Komponist Arnold Schönberg: Der Taktgeber eines Jahrhunderts

12. September 2024

Komponist, Maler, Erfinder der Zwölftontechnik – der Jahrhundertkünstler Arnold Schönberg wurde vor 150 Jahren geboren. Die Musikwelt feiert einen ihrer ganz Großen.

Arnold Schönberg dirigiert
Arnold Schönberg am Dirigentenpult des Rundfunk Sinfonie Orchesters BerlinBild: APA Publications Arnold Schönberg Center/dpa/picture alliance

Ein frühes Foto zeigt den kleinen Arnold in Wien an der Hand seiner jüdischen Mutter. Der Blick des Fünfjährigen – neugierig und voller Tatendrang. Als Schönberg 1951 mit 77 Jahren in Los Angeles stirbt, hinterlässt er tiefe Spuren: musikalisch, malerisch, politisch. "Arnold Schönberg war nicht nur Komponist und hat gemalt, er war auch unglaublich wichtig als Lehrer, als Pädagoge, als Schriftsteller, als Theoretiker, als Erfinder", sagt Ulrike Anton, die Direktorin des Arnold-Schönberg-Centers in Wien, das den Nachlass Schönbergs beherbergt. "Er hat mit seinem Glauben an den Fortschritt ein ganzes Jahrhundert inspiriert."

Arnold Schönberg (rechts) als Fünfjähriger an der Hand seiner Mutter Pauline. Mit dabei: Schwester OttilieBild: Arnold Schönberg Center Wien

Das Leben geht weiter, alles hat eine Zukunft, wenn man nur bereit ist, Grenzen zu überschreiten – das könnte Schönbergs Vermächtnis sein. Das belegen die Stationen seines Lebens und viele seiner wegweisenden Entscheidungen: Von den musikalischen Anfängen in Wien oder dem autodidaktischen Kompositionsstudium bei Alexander Zemlinsky in Prag, vom Leben als Komponist und Musikprofessor in Berlin und Wien, bis hin zur Übersiedelung in die USA, als 1933 die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland ergreifen.

Schönberg setzt ganz neue Takte 

Wie ein roter Faden zieht sich die Musik durch Schönbergs Leben. Vom Geigelernen mit neun und den begeisterten Besuchen von Freiluftkonzerten im Wiener Prater bis zu seiner ersten größeren Tondichtung "Verklärte Nacht" für Streichsextett von 1899 vergehen gerade einmal 16 Jahre.

Danach fließen "Friede auf Erden" op. 13, die Kammersymphonie op. 9, seine Streichquartette Nr. 1 op. 7 und Nr. 2 op. 10, "Erwartung" op. 17 – vor allem aber die berühmten "Gurre-Lieder" aus Schönbergs Feder. "Er kommt musikalisch aus der spätromantischen Zeit", sagt Schönberg-Expertin Ulrike Anton. Die großen Vorbilder: Johannes Brahms (1833-1897) und Gustav Mahler (1860-1911). Doch auch mit der Klassik hat sich Schönberg angefreundet, wie etwa mit den Werken Ludwig van Beethovens (1770-1827) und Johann Sebastian Bachs (1685-1750). "Er hat Spuren der Vergangenheit verarbeitet – und dann zu ganz neuen Ufern geführt."

Auch als Maler hinterlässt Arnold Schönberg tiefe Spuren. Hier sein Werk "Christus Vision" von 1919 Bild: Belmont Music Publishers, Los Angeles

Doch vorher, um 1907, beginnt Schönberg zu malen. Er bringt ausdrucksstarke Portraits und Selbstporträts zu Papier und Leinwand. Zartfarbene Naturstücke entstehen, ebenso malerische Fantasien wie etwa die gelbfarbene "Christus-Vision" von 1919. Der Künstlerzirkel "Der Blaue Reiter" um Wassily Kandinsky stellt Bilder Schönbergs in München aus. Das Gesamtwerk des Malers Schönberg zählt am Ende etwa 70 Bilder.

Bruch mit der Tonalität aus Dur und Moll

Auch musikalisch beschreitet Schönberg neue Wege: Von 1908 an hinterfragt er die Tonalität aus Dur und Moll. Sein 2. Streichquartett gilt bereits als ein Schlüsselwerk der atonalen Musik. Der Künstler stürzt in eine Schaffenskrise, aus der heraus er bis 1920/21 eine völlig neue Methode des Komponierens entwickelt - die sogenannte "Zwölftontechnik". Dabei werden alle zwölf Töne der Tonleiter verwendet, also etwa alle weißen und schwarzen Klaviertasten innerhalb einer Oktave.

Arnold Schönberg: Intermezzo aus Suite für Klavier, op 25

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Die einzelnen Töne der Reihe dürfen erst dann wiederholt werden, wenn alle einmal gespielt sind. Mit diesem System verleiht Schönberg seinen Werken einen theoretischen Unterbau.

Die Musikwelt ist angetan, aber mehr noch: "Die Entwicklung dieser Methode macht Schönberg zu einem der großen Erneuerer der Geschichte", sagt Nachlassverwalterin Ulrike Anton, "vergleichbar mit dem Jugendstil-Architekten Otto Wagner (1841-1918), dem Philosophen Ludwig Wittgenstein (1899-1951), dem Psychoanalytiker Sigmund Freud (1856-1939) oder dem Physiker Albert Einstein (1879-1955)." Was die Protagonisten der Wiener Moderne verbindet: die Aufbruchstimmung zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Auswanderung in die USA

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 verlässt Schönberg Deutschland, wo er eine Professur innehat, und geht mit seiner Familie nach Paris. Nach dem Tod seiner ersten Frau hat er zum zweiten Mal geheiratet. In Paris kehrt er, der vom jüdischen Glauben zum Protestantismus gewechselt war, zum Judentum zurück. Ein Rabbi und sein Künstlerfreund Marc Chagall bezeugen das mit ihrer Unterschrift.

Gefragter Hochschullehrer: Der Komponist Arnold Schönberg beim Unterricht an der Universität von Los Angeles im Jahr 1948Bild: Richard Fish

Noch im gleichen Jahr wandert Schönberg in die USA aus. "Die Enigma der Modernen Musik trifft ein", titelt eine führende Musikzeitschrift. Nach Lehrverpflichtungen in New York und Boston wechselt Schönberg nach Los Angeles. Er wird US-amerikanischer Staatsbürger.

Schönbergs Einfluss auf die Musik des 20. Jahrhunderts ist groß. Die Entwicklung von Kompositionstechnik und Musiktheorie - von der Atonalität über die Zwölftontechnik zur Seriellen und schließlich zur Elektronischen Musik – all das geht auf Schönberg zurück. Die Liste seiner Schüler liest sich wie das Who-is-who der neueren Musikgeschichte. Den breiten Publikumsgeschmack traf Schönberg jedoch nie, auch wenn er darauf hoffte: "Ich wünsche nichts sehnlicher", schrieb er 1947 einem Freund, "als dass man mich für eine bessere Art von Tschaikowski hält – um Gotteswillen: ein bisschen besser, aber das ist auch alles. Höchstens noch dass man meine Melodien kennt und nachpfeift."