Mit der Wahl würdigt die Jury neben der Spielidee auch die besondere Ästhetik von "Azul". In dem taktischen Legespiel geht es darum, mit bunten Mosaiksteinen einen portugiesischen Königspalast zu fliesen.
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Der Spielname "Azul" leitet sich von dem portugiesischen Wort "Azulejo" ab, das für die landestypischen bunt bemalten Keramikfliesen steht. Das Taktikspiel enthält insgesamt hundert kleine Mosaikkacheln aus Kunstharz. Mit ihnen sollen die Spieler den Palast des bedeutenden portugiesischen Königs Manuel I. gestalten. Hierfür brauchen sie mal viele Fliesen einer Sorte, dann wieder wenige zur Erweiterung des Musters. Wer sich verspekuliert, büßt Punkte ein.
Das Material sei ein Genuss, schreibt die Jury in ihrer Begründung. "Azul" vereine vermeintliche Gegensätze: "Die fast schon nüchterne Funktionalität des Spielbretts ist ein gelungener Kontrast zur wunderbaren Ästhetik des entstehenden Mosaiks." Dem Autor Michael Kiesling sei die Meisterleistung gelungen, einem einfachen Auswahlmechanismus so viel Tiefgang zu verleihen, dass dieser einen nahezu endlosen Wiederspielreiz auslöse.
Land der Spiele
Seit Jahrhunderten spielen die Deutschen in Kneipen, an Küchentischen und in Klöstern. Die Spielbegeisterung zahlt sich aus – deutsche Spiele sind Exportschlager. Ein Blick auf die Anfänge der deutschen Spielkultur.
Bild: picture-alliance/dpa
Würfeln ist Teufelszeug
In welcher Kultur das Würfelspiel erfunden wurde, ist nicht bekannt. Sicher ist aber, dass schon die Germanen um die Wette würfelten. Im Mittelalter war dieses Glücksspiel verpönt. Es galt als Teufelszeug. Schließlich hatten Soldaten um die Kleidung des gekreuzigten Jesus geknobelt. Trotzdem wurde selbst hinter Klostermauern heimlich dem Würfelspiel gefrönt.
Bild: M. Schuppich
Entspannung für Körper und Geist
Thomas von Aquin (1225-1274) hingegen befürwortete das Spielen ausdrücklich. Als Philosoph und Theologe war der Dominikaner davon überzeugt, dass es den Geist entspanne. Spielen sei ein menschliches Grundbedürfnis, glaubte er. Deshalb empfahl er auch Mönchen und Nonnen, sich häufiger dem Spiel zu widmen.
Bild: PD
Öffentliche Spielverbrennung
Für den Franziskanermönch Johannes Capistran (1386-1456) kam das Spielen einer Sünde gleich. Deshalb sprach er sich offen gegen den geselligen Zeitvertreib aus. Eine Nürnberger Chronik belegt, dass im Jahr 1452 Spielbretter, Würfel und Kartenspiele öffentlich verbrannt wurden, nachdem Capistran in einer Predigt gegen das Spielen gewettert hatte.
Bild: LWL/Ansgar Hoffmann
Mittelalterliches Backgammon
Dennoch wurde viel gespielt: Wurfzabel war im Mittelalter unter deutschen Adligen sehr beliebt. Es war zur gleichen Zeit in Europa, in den arabischen Ländern, in Indien und in Ostasien populär und trug schon damals viele Namen: Tavla in der Türkei, Tavli in Griechenland, Trictrac in Frankreich. Bis heute findet sich Backgammon in vielen Spielesammlungen.
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Eicheln, Schellen und Co.
Gegen Ende des Mittelalters kamen die Spielkarten nach Europa. Inzwischen sind vor allem die französischen Farben bekannt, Pik, Karo, Herz und Kreuz. Früher aber spielten die Deutschen mit Eicheln, Schellen, Blatt und Herz. Das deutsche Blatt kommt noch heute in bayerischen Gaststuben zum Zug: beim Schafkopf.
Bild: Residenzschloss Altenburg, Schloss- und Spielkartenmuseum
Spiele verbreiten sich schnell
Im 15. Jahrhundert entstand der Beruf des Kartenmachers, der Spielkarten produzierte. Die Kartenmotive wurden in Holz geschnitzt und im Hochdruckverfahren gedruckt. Da das französische Blatt weniger Details aufweist, war es günstiger herzustellen - deshalb versorgte Frankreich den Kontinent im 16. und 17. Jahrhundert mit Spielkarten und verdrängte das traditionelle deutsche Blatt.
Bild: Residenzschloss Altenburg, Schloss- und Spielkartenmuseum
Dem Volk die Würfel, den Reichen ein Brett
Kunstvoll gefertigte und reich verzierte Spielbretter gehörten im 18. Jahrhundert zur Ausstattung eines jeden gut Betuchten. Auch Kartenspiele waren weiterhin in Mode. Nur vom Würfelspiel distanzierte sich, wer etwas auf sich hielt. Das Glücksspiel galt als vulgär und wurde dem einfachen Volk überlassen.
Bild: imago/United Archives
Erfindung des Skatspiels
Der 4. September 1813 ist der Geburtstag des Skatspiels. Entstanden ist es im thüringischen Altenburg aus den Spielen Schafkopf, L'Hombre, Solo und Tarock. Das neue Spiel verbreitete sich schnell unter Studenten und Soldaten. Noch heute ist Altenburg die Skat-Hauptstadt, hier wacht das "Internationale Skatgericht" über die Regeln und entscheidet bei Streitfällen.
Bild: Residenzschloss Altenburg, Schloss- und Spielkartenmuseum
Mensch ärgere Dich nicht
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts brach die Zeit der deutschen Spieleverlage an. Einige bestehen unter anderem Namen bis heute. Viele neue Spiele wurden erfunden - allerdings oft auf Basis eines bereits bestehenden Spiels. "Mensch ärgere Dich nicht" ist beispielsweise eine Abwandlung des indischen Spiels Pachisi aus dem 6. Jahrhundert.
Bild: picture-alliance/Arco Images GmbH
Exportschlager "German games"
Das Gesellschaftsspiel diente nicht nur der Unterhaltung, sondern sollte den Horizont des Spielers erweitern. Lern-, Geschichts- und Reisespiele kamen auf den Markt. Im 20. Jahrhundert begann der Export deutscher Spiele. Bis heute sind "German games" im Ausland beliebt.
Bild: picture-alliance/dpa
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Dritte Auszeichnung für Kiesling
"Azul" kann von zwei bis vier Spielern ab einem Alter von acht Jahren gespielt werden. Spieleentwickler Michael Kiesling erhält mit "Azul" bereits zum dritten Mal den Kritikerpreis. 1999 gewann er mit "Tikal", ein Jahr später konnte er die Jury mit "Torres" überzeugen.
Das Gremium vom Verein "Spiel des Jahres", das aus ehrenamtlichen Kritikern aus dem deutschsprachigen Raum besteht, kürt seit 1979 einmal jährlich unter allen Neuerscheinungen das nach ihrer Auffassung beste Spiel. Die entscheidenden Kriterien sind Idee, Regelgestaltung, Layout und Design. Die Wahl gilt als wichtigste Auszeichnung für analoge Gesellschaftsspiele im deutschsprachigen Raum. Ziel der alljährlichen Preisverleihung ist "die Förderung des Spiels als Kulturgut in der Familie und in der Gesellschaft".