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PolitikAsien

Taliban bestreiten ethnische Exklusion

23. Februar 2022

Die Taliban halten nicht nur Frauen aus dem Staatsdienst weitgehend fern. Auch ethnische Minderheiten würden dort herausgedrängt, so eine Kabuler Zeitung.

Afghanistan | Ethnische Minderheit Hazara
Hasara-Mutter und -Kind auf einer Veranstaltung zum Internationalen Frauentag in der Provinz Bamian im März 2021Bild: Wakil Kohsar/AFP/Getty Images

Die vergangene Woche von der afghanischen Tageszeitung "Etilaatroz" veröffentlichten Listen der Namen von suspendierten Behörden-Mitarbeitern in Kabul ist lang. Was auffällt beim Blick etwa auf die Liste der Öl- und Gasbehörde: Betroffen sind ausschließlich Angestellte, die nicht zur Volksgruppe der Paschtunen gehören. Aus dieser rekrutieren sich die seit August in Afghanistan de facto regierenden Taliban.

Die Freistellungen dienten der Säuberung des Staatsapparats von ethnischen und religiösen Minderheiten, schreibt eine Journalistin der Kabuler Zeitung auf Nachfrage der DW unter Wahrung der Anonymität. "Diese Listen, die uns zugespielt wurden, zeigen nur einen kleinen Teil der Realität. Wir haben mit mehreren Angestellten gesprochen, die 'freigestellt' wurden. Außerdem kennt jeder von uns etliche Leute, die nach der Machtübernahme der Taliban aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit entlassen wurden."

"Wir entlassen nur korrupte Mitarbeiter"

"Etilaatroz" hat nach eigenen Angaben mit mehreren betroffenen Angestellten gesprochen. Demnach wurden sie trotz akademischer Bildung und Berufserfahrung wegen angeblicher "mangelnder Befähigung" vom Dienst befreit. "Bleiben durften nur Paschtunen; auch unter den neu angestellten Mitarbeitern sind ausschließlich Paschtunen", sagt die Journalistin.

Das Ministerium für die Tugend und gegen das Laster in KabulBild: Hoshang Hashimi/AFP/Getty Images

Auf Nachfrage der DW wies Schafiullah Asam, ein Mitarbeiter des Außenministeriums, die Vorwürfe auf allgemeine Weise zurück. Auf die Listen mit freigestellten Behördenmitarbeitern ging er nicht direkt ein. Die Taliban hätten sich die Bekämpfung der "weitverbreiteten Korruption in der afghanischen Regierung" zum Ziel gesetzt. Wenn also jemand wegen Korruption gefeuert werde, habe das nichts mit ethnischer Zugehörigkeit zu tun. Ins Außenministerium seien "nur 50 neue Leute" geholt worden. Alle anderen seien übernommen worden und stammten aus "allen Volksgruppen", ähnlich sei es in anderen Ministerien. Insgesamt hätten noch "eine halbe Million" Staatsbedienstete der alten Regierung ihren Job. Aufgrund der Flucht einiger Mitarbeiter hätten die Taliban deren Posten neu besetzen müssen.

Taten anders als Worte der Taliban

Die Taliban hatten nach der Machtübernahme versprochen, eine "inklusive Regierung" unter Beteiligung aller Volksgruppen in Afghanistan zu bilden. Sie kündigten auch eine General-Amnestie für alle Mitarbeiter der ehemaligen afghanischen Regierung an.

Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid: Nur korrupte Justizmitarbeiter entlassenBild: Xinhua /imago images

Eine solche "inklusive Regierung" wurde allerdings nicht gebildet. Angehörige anderer Volksgruppen blieben weitgehend außen vor. Es kam auch zu außergerichtlichen Tötungen: Laut einem UN-Bericht von Ende Januar  wurden mehr als 100 Ortskräfte und ehemalige Mitarbeiter der alten Regierung meist ohne Verfahren von den Taliban getötet.

Frauen im Staatsdienst wurden direkt nach der Machtübernahme im August nach Hause geschickt. Fast 300 Richterinnen sind aus Angst vor Vergeltung untergetaucht. Sie hatten Hunderte Männer wegen Vergewaltigung, Mord, Folter oder Entführung verurteilt. Unter den Verurteilten waren auch Taliban-Kämpfer. Eine Chance, wieder als Richterinnen im Islamischen Emirat der Taliban zu arbeiten, dürften sie kaum bekommen.

Hasara-Junge in der Provinz Bamian Bild: Ton Koene/imago images

Auch für schiitische Minderheiten wie etwa die Hasara ist im Justizwesen offenbar kein Platz mehr. Im Gespräch mit dem US-Sender "Radio Azadi" Ende Dezember warfen mehrere ehemalige Justizangehörige, darunter auch Richter, den Taliban ethnische und religiöse Säuberungen vor. "Sie wurden entlassen , weil sie korrupt waren und unfähig, für Gerechtigkeit zu sorgen", so die Begründung von Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid. "Im Islamischen Emirat der Taliban werden Richter angestellt, die sich mit dem islamischen Recht und der Scharia auskennen".

Taliban als Beschützer der Hasara?

Im Oktober 2021 warf die Menschenrechtsorganisation Amnesty International den Taliban Kriegsverbrechen an der Hasara-Minderheit vor. Mindestens 13 ihrer Angehörigen sollen von den Taliban getöteten worden sein, nachdem sie sich als Sicherheitskräfte der gestürzten afghanischen Regierung ergeben hatten. Der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) zufolge haben die Taliban Hausende Hasara-Angehörige in mehreren afghanischen Provinzen gewaltsam aus ihren Gebieten vertrieben, um das Land an ihre eigenen Unterstützer zu verteilen.

Anschläge wie hier im November 2021 in einem Kabul Schiitenviertel sind zurückgegangenBild: AP/picture alliance

Schafiullah Asam vom Außenministerium der Taliban-Regierung betonte gegenüber der DW, dass die Sicherheit und das Alltagsleben der Hasara sich seit der Machtübernahme der Taliban verbessert hätten. "Wir schützen die Hasara vor Angriffen des Islamischen Staates." Die Zahl solcher Angriffe sei stark zurückgegangen, so der Taliban-Sprecher. Zum Vorwurf der Vertreibungen von Hasaras sagte er, dass es einen Streit innerhalb der Gruppe gegeben habe und eine Beschwerde bei der Provinzregierung eingegangen sei, "so dass die Maßnahme ergriffen wurde."

 

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