Taliban: Der lange Weg zur globalen Anerkennung
17. April 2025
Das Oberste Gericht Russlands hat am Donnerstag das Verbot der Taliban vorübergehend aufgehoben. Der Schritt basiert auf einem Dekret von Präsident Wladimir Putin aus dem Jahr 2024, das die Entfernung der Taliban von der Liste terroristischer Organisationen ermöglicht. Die Taliban haben im August 2021 die Macht in Afghanistan übernommen.
Der Sprecher der Taliban Zabiullah Mujahid begrüßte die Entscheidung und erklärte in einem Interview gegenüber der DW: "Russland ist ein wichtiges Land in der Region, und Afghanistan hat gute und diplomatisch zuverlässige Beziehungen zu Russland. Die Handelsbeziehungen mit Russland entwickeln sich positiv."
Russisches Doppelspiel?
Seit 2016 pflegt Russland inoffizielle Kontakte zu den Taliban. Vertreter der Bewegung wurden regelmäßig zu Gesprächen nach Moskau eingeladen. 2024 bezeichnete Präsident Putin die Taliban erstmals öffentlich als "Verbündete im Kampf gegen den Terrorismus."
Doch Russlands Umgang mit den Taliban ist ambivalent, wie der afghanische Experte Sadiq Amini im Gespräch mit der DW kritisch anmerkt: "Russland hat die Taliban eindeutig finanziell und militärisch unterstützt, insbesondere im Kampf gegen die US- und NATO-Kräfte. Gleichzeitig behielt Russland offiziell die Einstufung der Taliban als terroristische Organisation bei und spielte damit ein doppeltes Spiel."
Daran ändert auch die heutige Entscheidung aus seiner Sicht nichts. "Selbst wenn Russland die Taliban jetzt von seiner Terrorliste streicht, um sie zur Sicherung der eigenen geopolitischen Interessen zu nutzen, wäre dies überwiegend symbolischer Natur", so Amini. Er glaubt, dass russische Diplomaten zwar mit der Gruppe in Kontakt treten, doch die Sicherheits- und Geheimdienstinstitutionen Russlands werden die Taliban weiterhin als terroristische Organisation betrachten und entsprechend behandeln.
Wiederannäherung global
Russland ist bei weitem nicht das einzige Land, das sich den Taliban annähert. Kasachstan und Kirgisistan haben die Taliban bereits vor einiger Zeit von ihren nationalen Terrorlisten gestrichen. China hat einen von den Taliban ernannten Botschafter akzeptiert und unterzeichnete 2023 ein Abkommen über die Ölförderung in Afghanistan. Der Iran und Pakistan pflegen ebenfalls enge Beziehungen zur Taliban-Regierung und treffen sich regelmäßig. Auch Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar haben ihre diplomatischen Kontakte zu den Taliban intensiviert, ohne bisher eine offizielle Anerkennung auszusprechen. Gleichzeitig bemüht sich Indien vorsichtig um eine Annäherung, um den regionalen Einfluss Pakistans einzudämmen. Laut Aussage der Taliban gibt es in Afghanistan etwa 40 Ländervertretungen.
Die schrittweise Annäherung hat auch mit der geopolitschen Bedeutung des Landes zu tun. Afghanistan liegt zwischen Süd- und Zentralasien. Wichtige Energie- und Handelsrouten zwischen Süd- und Zentralasien, zwischen dem Nahen Osten und China verlaufen durch oder entlang seiner Grenze. Die Sicherheitslage in Afghanistan hat Einfluss auf die gesamte Region. Ghaus Janbaz, ein ehemaliger afghanischer Diplomat in Moskau, betont: "Die kleineren asiatischen Staaten sowie die Großmächte USA, Russland und China werden auch weiterhin darum konkurrieren, wer in Afghanistan vorherrscht." Afghanistan ist seit Jahrhunderten mit der Einflussnahme externer Akteure konfrontiert.
Noch keine Anerkennung
Um von internationaler Anerkennung zu sprechen, sei es jedoch noch viel zu früh, so Janbaz weiter. Bisher ist kein Land bereit, diesen ersten Schritt zu wagen. Fast 25 Jahre waren die Taliban im Rahmen des US-amerikanischen "Kriegs gegen den Terror" politisch isoliert. Janbaz glaubt trotzdem, dass die Anerkennung nur eine Frage der Zeit ist. "Es ist davon auszugehen, dass eine Reihe von Ländern letztendlich gemeinsam die Taliban anerkennen werden. Aber wann und unter welchen Bedingungen ist noch nicht abzusehen."
Während die Taliban versuchen, ihre Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft zu verbessern, bleibt die Lage in Afghanistan weiterhin kritisch. Die Bevölkerung schwankt zwischen der Hoffnung auf eine friedliche Zukunft und der Realität eines weiterhin isolierten Landes, in dem mehr als 24 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Besonders Frauen und Kinder leiden unter der andauernden Krise, die durch Hunger und mangelnde medizinische Versorgung gekennzeichnet ist. Dreieinhalb Jahre nach Machtübernahme durch die Taliban zeichnet sich keine nachhaltige Lösung für die Sorgen und Nöte der Menschen im Land ab.
Mitarbeit: Shakila Ebrahimkhel, Waheed Ahmady