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Politik

Taliban erobern drittgrößte afghanische Stadt Herat

12. August 2021

Die militanten Islamisten überrollen die Regierungsarmee - ihr Vormarsch setzt sich im Zeitraffer fort. Mehrere Staaten fordern ihre Bürger zur Ausreise auf.

Afghanistan Afghanische Sicherheitskräfte stehen am 12. August 2021 in Herat am Straßenrand Wache
Die Sicherheitskräfte der Regierung konnten den Vormarsch auf Herat nicht stoppenBild: AFP via Getty Images

Die radikalislamischen Taliban haben die drittgrößte Stadt Afghanistans eingenommen. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen fiel Herat nahe der Grenze zum Iran in die Hände der Extremisten. Diese hätten die wichtigsten Regierungseinrichtungen der Provinzhauptstadt unter ihre Kontrolle gebracht, bestätigten lokale Behördenvertreter der Deutschen Presse-Agentur.

Herat ist die elfte Provinzhauptstadt, die innerhalb einer Woche von den Taliban erobert wurde. Die Regierung in Kabul kontrolliert neben der Hauptstadt nur noch eine Handvoll Gebiete. Zuvor war die Stadt Ghasni gefallen, die nur 150 Kilometer von Kabul entfernt ist. Ghasni hat etwa 180.000 Einwohner und liegt an der wichtigen Ringstraße, die die größten Städte des Landes verbindet.

USA und Deutschland drängen zur Ausreise

Die Vereinigten Staaten forderten - ebenso wie Deutschland - alle eigenen Staatsbürger auf, Afghanistan umgehend zu verlassen. Zusätzliche Soldaten würden an den Flughafen Kabul verlegt, um den geordneten Abzug von Teilen des Botschaftspersonals zu unterstützen, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Ned Price. Die US-Botschaft solle aber geöffnet bleiben.

Ein Taliban-Kämpfer in der Stadt Ghasni, die südwestlich von Kabul liegtBild: Gulabuddin Amiri/ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Dem Pentagon zufolge handelt es sich um 3000 Soldaten. Diese könnten auch Konvois von und zum Flughafen sichern, sagte ein Sprecher. Ebenso sollen die Truppen dabei helfen, frühere afghanische Mitarbeiter des US-Militärs auszufliegen. Für Dolmetscher und andere afghanische Helfer, die bei einer Machtübernahme durch die Taliban Repressalien zu befürchten hätten, soll es täglich Flüge geben, die sie außer Landes bringen. 

"Es gibt einen Engpass"

Auch die Bundesregierung hat die Einheimischen im Blick, die den internationalen Truppen in Afghanistan halfen. Nach den Worten von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer verzögert die afghanische Bürokratie derzeit die Ausreise ehemaliger Ortskräfte, die wegen ihres Engagements für die Bundeswehr um ihr Leben fürchten müssen. "Es gibt im Moment einen Engpass. Das ist die Tatsache, dass die afghanische Seite selbst die Leute nur aus dem Land lässt, wenn sie einen afghanischen Reisepass haben", sagte die CDU-Politikerin im ZDF.

Vormarsch der Taliban: Ist Afghanistan verloren?

42:31

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Das Auswärtige Amt versuche derzeit, die afghanische Regierung von dieser Praxis abzubringen. Da müsse "diplomatisch und politisch gearbeitet werden". Auf die Frage, ob sie eine Rückkehr der Bundeswehr nach Afghanistan ablehne, um die Betroffenen aus dem Land herauszuholen, sagte Kramp-Karrenbauer: "Wir sehen im Moment die andere Möglichkeit." Daran werde "Tag und Nacht" gearbeitet, weil man sich in der Pflicht sehe, "dass die Leute rauskommen".

"Keinen Cent mehr"

Bundesaußenminister Heiko Maas sagte im ZDF, es seien bislang Visa für 2500 Personen ausgestellt worden. 1500 von ihnen seien bereits in Deutschland. Der SPD-Politiker erklärte mit Blick auf den Vormarsch der Aufständischen in dem Land, Deutschland unterstütze Kabul derzeit mit 430 Millionen Euro im Jahr. "Wir werden keinen Cent mehr nach Afghanistan geben, wenn die Taliban dieses Land komplett übernommen haben, die Scharia einführen und dieses Land ein Kalifat wird", unterstrich Maas.

Abschiebeflüge - wie diesen aus München - soll es vorerst nicht mehr gebenBild: imago/Michael Trammer

Wegen der dramatischen Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Mittwoch eine deutliche Kehrtwende der bisherigen Politik vollzogen. "Der Bundesinnenminister hat aufgrund der aktuellen Entwicklungen der Sicherheitslage entschieden, Abschiebungen nach Afghanistan zunächst auszusetzen", sagte ein Sprecher des Ministeriums. Eine in der vergangenen Woche verschobene Abschiebung von sechs Afghanen wird zunächst nicht mehr nachgeholt. Menschenrechtsorganisationen begrüßten die Entscheidung. Auch Frankreich verfährt inzwischen so, wie das Innenministerium in Paris mitteilte.

"Spiegel": Asylentscheidungen auf Eis

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) setzt nach Informationen des "Spiegels" alle Entscheidungen über Asylanträge von Afghanen vorerst aus. Die Behörde wolle auf einen neuen Lagebericht des Auswärtigen Amts warten, der die verschlechterte Situation in dem Bürgerkriegsland widerspiegele, berichtet das Magazin. Das Bundesinnenministerium habe den Vorgang bestätigt.

ml/jj (dpa, afp, ap)

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