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PolitikAsien

Taliban auf Konfrontationskurs

30. März 2022

Mit dem Rückzieher bei Mädchenbildung und frauenfeindlichen Vorschriften gehen die Taliban auf Konfrontation zum Westen. Die Frage ist: Warum?

Afghanistan Kabul | Frauendemonstration
Demonstrierende Frauen und Taliban in Kabul im Dezember 2021 Bild: Wakil Kohsar/AFP/Getty Images

Für die Not der Menschen in Afghanistan haben die regierenden Taliban keine Lösung. Stattdessen sind sie mit der Anordnung von Verhaltensregeln und Kleidungsvorschriften beschäftigt,  vor allem für Frauen.

 Fast täglich verkündigen sie neue, noch strengere Regeln.  Zum Beispiel dürfen seit vergangenem Sonntag Frauen nur in Begleitung eines Mannes ein Flugzeug besteigen. Dies soll sowohl für Inlands- wie auch für internationalen Flüge gelten.  Am Flughafen Kabul gehen allerdings weibliche Reisende unbegleitet an Bord "wie bisher", wie ein leitender Flughafenmitarbeiter der Nachrichtenagentur AP berichtet.

Das nächste Ziel scheint die Wiedereinführung der Ganzkörper-Bedeckung für die Frauen zu sein. Seit Dienstag sind alle weiblichen Angestellten in Behörden und Ministerien verpflichtet, ihren Körper komplett zu verhüllen. 

In dieser Woche wurden auch die Vorschriften für das öffentliche Leben strenger. Das betrifft zum Beispiel den Besuch von Parkanlagen. Der wird künftig nach Geschlechtern getrennt. Zutritt ist künftig Frauen nur noch an drei Tagen in der Woche erlaubt; Männer dürfen an den übrigen vier Tagen in die Parks. Auch für männliche Angestellte in Behörden und Ministerien gibt es neue Vorschriften: Sie sollen einen Bart und traditionelle einheimische Kleidung tragen und gemeinsam beten.

Ideologische Hardliner 

Die weiterführenden Schulen für Mädchen sollen geöffnet werden, wenn man sich auf "passende Kleidungsvorschriften" für die Schülerinnen ab dem 12. Lebensjahr geeinigt hat, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums für die "Förderung der Tugend und Verhinderung des Lasters" von vergangener Woche. Dieses Ministerium war nach der Machtübernahme der Taliban im August an Stelle des Frauenministeriums eingesetzt worden. 

"Die neue Einschränkungen wurden von alten und kompromisslosen Taliban-Führern getroffen", erläutert der Afghanistan-Experte Tariq Farhadi im Gespräch mit der DW. Der Berater des ehemaligen afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani geht davon aus, dass sich in einem internen Machtkampf der radikale Flügel der Taliban durchgesetzt hat. "Für sie ist die Ideologie wichtiger als das Wohlergehen der Bürger. Sie haben kein Interesse daran, dass die Herrschaft der Taliban von der Weltgemeinschaft anerkannt wird." 

Um als legitime Regierung anerkannt zu werden, müssten die Taliban sich ändern; sie müssten Forderung der westlichen Geldgeber etwa zur Gleichstellung der Geschlechter akzeptieren und Kompromisse schließen. Darauf wollen sich die radikalen Kräfte nicht einlassen. 

Wirtschaftliche Misere und humanitäre Notlage

Seit der Machübernahme der Taliban im August 2021 befindet sich Afghanistans Wirtschaft im freien Fall. Das Land am Hindukusch kann bislang wirtschaftlich nicht auf eigenen Füßen stehen, sondern war in den vergangenen Jahren in hohem Maß von Zahlungen aus dem Ausland abhängig. Die westlichen Geldgeber haben aber den Taliban den Geldhahn zugedreht. 

Humanitäre Hilfe, die über internationale Organisationen direkt die notleidende Bevölkerung erreichen soll, wird zwar weiterhin geleistet, aber nicht in ausreichendem Maße. Über die Hälfte der Bevölkerung ist von akutem Hunger bedroht.  24 Millionen der 38 Millionen Einwohner seien auf Lieferungen von Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten und anderen humanitären Gütern angewiesen, teilte UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi vergangene Woche nach einem Besuch in Afghanistan mit.

Insgesamt bräuchten verschiedene Hilfswerke rund acht Milliarden US-Dollar (7,25 Milliarden Euro), um humanitäre Arbeit und Sozialprogramme zu finanzieren. Grandi hatte in Afghanistan auch mit Vertretern der Taliban-Regierung gesprochen. 

Ein geplantes Treffen zwischen Vertretern der Taliban und der USA am vergangenen Wochenende in Doha war aufgrund der Entscheidung der Taliban-Regierung gegen die Öffnung der Schulen für Mädchen von amerikanischer Seite abgesagt worden. Auf dem Treffen sollten Fragen im Zusammenhang mit der humanitären und wirtschaftlichen Krise in Afghanistan besprochen werden, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. "Die Entscheidung der USA ist nachvollziehbar", zitiert Reuters John Sifton von Human Rights Watch. Den Taliban müsse klargemacht werden, dass ihre Haltung inakzeptabel ist. Dennoch sei die Absage dieses wichtigen Treffens angesichts der Notlage im Land tragisch, so der HRW-Sprecher.

Kalkül der Taliban?

"Der begrenzte und informelle Austausch zwischen der internationalen Gemeinschaft und den Taliban kann abbrechen, wenn die Taliban den Druck auf die Gesellschaft weiter erhöhen", sagt Soraya Peykan, ehemals Professorin an der Kabuler Universität, im Gespräch mit der DW. "Eine neue Herrschaft kann sich legitimieren und an der Macht bleiben, wenn die Menschen unter ihr zufrieden sind und ihre Grundrechte garantiert sind. Mit den Taliban an der Macht ist das nicht der Fall." 

Haben die Taliban also ein Eigentor geschossen, indem sie die Schultore für die älteren Mädchen wieder zugeschlagen haben? Soraya Peykan, die nach der Machtübernahme der Taliban Afghanistan verlassen hat und nun in der Türkei lebt, hat eine andere Vermutung: Die Taliban hätten Grundrechte wie das Recht auf Bildung für Mädchen bewusst zum Politikum gemacht. "Sie wollen die Gewährung dieses Rechts als Hebel benutzen, um sich in Verhandlungen mit der Weltgemeinschaft eine bessere Position zu verschaffen."

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