In Afghanistan dürfen Mädchen vorerst nicht am Unterricht an weiterführenden Schulen teilnehmen. Dies folgt aus einem Aufruf der radikalislamischen Taliban. Auch das Frauenministerium wurde geschlossen.
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Nach der Machtübernahme der islamistischen Taliban verschlechtert sich die Lage für Frauen und Mädchen in Afghanistan weiter. So riefen die neuen Machthaber an diesem Samstag explizit nur "alle männlichen Lehrer und Schüler" auf, wieder am Unterricht der Sekundarschulen teilzunehmen, wie der britische Nachrichtensender BBC berichtet. Lehrerinnen und Schülerinnen erwähnten die Islamisten nicht.
Schülerinnen und Schüler an Sekundarschulen in Afghanistan sind in der Regel zwischen 13 und 18 Jahre alt und werden häufig nach Geschlechtern getrennt unterrichtet. Nach der Machtübernahme der Taliban blieben die weiterführenden Schulen zunächst geschlossen. Die Grundschulen haben bereits wieder geöffnet. Jungen und Mädchen besuchen auch hier meist getrennte Klassen.
Bildung afghanischer Mädchen in Gefahr
Zu Beginn der Woche verkündete die von den Taliban eingesetzte Regierung, dass Frauen weiterhin Privatuniversitäten besuchen dürften, allerdings nicht gemeinsam mit Männern. Zudem müssten sie eine strenge Kleiderordnung einhalten.
Nach Angaben der BBC war die Zahl der Mädchen, die Grundschulen besuchten, während der vergangenen 20 Jahre von fast Null auf rund 2,5 Millionen gestiegen. In dieser Zeit herrschte eine vom Westen gestützte zivile Regierung in Afghanistan. Ebenso sei die Analphabetenrate unter Frauen stark zurückgegangen. Hilfsorganisationen sehen diese Erfolge nun in Gefahr.
Die UN-Bildungs- und Kulturorganisation UNESCO forderte umgehend die Wiederöffnung aller weiterführenden Schulen für Mädchen in Afghanistan. Andernfalls drohten "nicht wiedergutzumachende Folgen" für die Hälfte der Bevölkerung, erklärte die Organisation. Sollten die Mädchen weiter ausgeschlossen werden, bedeute dies für die weibliche Bevölkerung "eine bedeutende Verletzung des Grundrechts auf Bildung", betonte die UNESCO. "Die Zukunft Afghanistans hängt von der Bildung von Mädchen ebenso wie von Jungen ab", sagte Generaldirektorin Audrey Azoulay. Neben männlichen Lehrern müsse auch allen Lehrerinnen die Rückkehr zum Unterricht erlaubt werden.
Nachdem die Taliban im August gewaltsam wieder die Macht in Afghanistan an sich genommen hatten, versprachen sie, Frauenrechte im Rahmen der Gesetze des Islam zu achten. Allerdings wurden Frauen angewiesen, zu ihrer eigenen Sicherheit zu Hause zu bleiben und nicht zur Arbeit zu kommen, bis eine Geschlechtertrennung umgesetzt werden kann.
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"Tugendbehörde" statt Frauenministerium
Während der ersten Taliban-Herrschaft zwischen 1996 und 2001 waren Frauen in Afghanistan weitgehend aus dem öffentlichen Leben verbannt. Sie durften das Haus nur in Begleitung männlicher Angehöriger verlassen.
Am Freitag erst hatten die Taliban laut BBC auch das Frauenministerium geschlossen. Es sei durch eine Behörde ersetzt worden, die die Überwachung der Einhaltung der religiösen Sitten verstärken solle, hieß es. Eine derartiges "Tugendministerium" war während der ersten Taliban-Herrschaft Ende der Neunziger Jahre etwa für Auspeitschungen von Frauen verantwortlich.
cw/kle (afp, kna)
Afghanistan: Das neue Leben unter den Taliban
Trotz der Machtübernahme der Taliban ist der Alltag in afghanischen Städten scheinbar wieder zurückgekehrt. Doch das Leben hat sich dramatisch verändert - besonders für die Frauen.
Bild: WANA NEWS AGENCY/REUTERS
Männer unter sich
Auf Fotos und Videos von Nachrichtenagenturen ist zu sehen, wie auf Afghanistans Straßen wieder emsiges Treiben herrscht. Auch die Restaurants in Herat können sich scheinbar wieder über Gäste freuen. Doch was auffällt: An den Tischen sitzt ausschließlich männliches Publikum, zum Teil mit traditionellem knielangen Hemd, bekleidet. Frauen sind im Stadtbild selten geworden.
Bild: WANA NEWS AGENCY/REUTERS
Lernen nur noch getrennt
Ein Vorhang trennt diese Studenten einer privaten Uni in Kabul: Für die Hochschulen wurde bereits eine offizielle Geschlechtertrennung angekündigt. "Die Koedukation steht im Widerspruch zu den Grundsätzen des Islam sowie zu den nationalen Werten, Sitten und Gebräuchen", sagte der amtierende Minister für höhere Bildung, Abdul Baghi Hakkani, in Kabul.
Bild: AAMIR QURESHI AFP via Getty Images
Verlorene Freiheiten
Auf dem Weg in eine Moschee in Herat: Nachdem Frauen mit Hilfe der alliierten Streitkräfte in den vergangenen zwanzig Jahren viele Freiheiten gewannen, hat sich ihre Situation nun dramatisch verändert. Laut dem stellvertretenden Vorsitzenden der Kulturkommission der Taliban, Ahmadullah Wasik, soll sogar Sport für Frauen verboten werden.
Bild: WANA NEWS AGENCY/REUTERS
Ständige Kontrolle
Das Straßenbild wird nun auch durch die Checkpoints der Taliban bestimmt. Die Menschen fürchten sich vor den schwer bewaffneten Männern - und wollen deshalb möglichst wenig auffallen. Westliche Kleidung wird immer seltener getragen.
Bild: Haroon Sabawoon/AA/picture alliance
Taliban in grüner Oase
Auch die Besitzverhältnisse haben sich geändert: Dieses Gewächshaus samt Villa im Kabuler Stadtteil Sherpur gehörte einst Abdul Rashid Dostum, einem afghanischen Warlord und Ex-Vize-Präsidenten. Taliban-Kämpfer haben das Anwesen eines ihrer ärgsten Feinde nun übernommen. Dostum ist in der Zwischenzeit nach Usbekistan geflohen.
Bild: WAKIL KOHSAR AFP via Getty Images
Warten auf Arbeit
Tagelöhner sitzen am Straßenrand Kabuls und warten auf Jobangebote. Seit der Machtübernahme der Taliban ist die Wirtschaft Afghanistans weitgehend zusammengebrochen, viele verloren ihre Arbeit. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen droht vielen Menschen in den kommenden Monaten Armut.
Bild: Bernat Armangue/dpa/picture alliance
Für Menschenrechte auf die Straße
Seit der Machtübernahme der Taliban kommt es im ganzen Land auch zu Protesten - wie hier vor dem Kabuler Präsidentenpalast am 3. September. Afghanische Aktivistinnen standen für ihr Recht auf Bildung, Arbeit und Gleichberechtigung ein, auch wenn Demonstrationen nicht selten mit Gewalt von Seiten der Taliban beendet werden.
Bild: REUTERS
Vereinte Nationen besorgt
In Afghanistan gehen die Taliban nach Angaben der Vereinten Nationen immer brutaler gegen Kritiker vor. Um friedliche Proteste gegen ihre Herrschaft aufzulösen, setzten die radikalen Islamisten Stöcke, Peitschen und scharfe Munition ein, teilte das Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen (UN) mit. Dabei sollen auch mindestens vier Demonstranten getötet worden sein.
Bild: Bilal Guler/AA/picture alliance
Die andere Seite
Diese Frauen geben sich dagegen völlig zufrieden: Von den Taliban eskortiert, ziehen sie durch die Straßen und propagieren, dass sie mit dem Verhalten und den Einstellungen der Taliban vollkommen zufrieden seien. Sie fühlten sich nicht von Frauen repräsentiert, die aus Afghanistan geflohen wären und behaupten, dass ihre Sicherheit durch die islamistischen Regeln gewährleistet wäre.
Bild: AAMIR QURESHI/AFP/Getty Images
Einschwörung auf Taliban-Kurs
Vor der Pro-Taliban-Demonstration wurden die Teilnehmerinnen in einem Hörsaal einer Universität in Kabul eingestimmt. Journalisten waren offiziell eingeladen, über die Aktion zu berichten - ein starker Kontrast zu vergangenen Anti-Taliban-Protesten, bei denen berichtende Journalisten eingeschüchtert und mitunter schwer misshandelt wurden.