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Politik

Taliban-Vormarsch bestürzt deutsche Politiker

9. August 2021

Die Verteidigungsministerin und die Parteien im Deutschen Bundestag sind sehr besorgt wegen der Erfolge der Islamisten in Afghanistan, vor allem mit Blick auf Kundus.

Afghanistan | Konflikte | Kundus in Händen der Taliban
Zerstörte Läden und Häuser in Kundus nach schweren Kämpfen zwischen Taliban und ArmeeBild: Abdullah Sahil/AP Photo/picture alliance

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich bestürzt über den Vormarsch der radikal-islamischen Taliban in Afghanistan geäußert. Die Meldungen aus Kundus und aus ganz Afghanistan "sind bitter und tun sehr weh", erklärte sie. "Wir haben dort gemeinsam mit den Verbündeten gekämpft, Bundeswehrsoldaten sind in Afghanistan gestorben."

Seit Jahren hätten die Taliban aber ihren Einfluss trotz des internationalen Einsatzes schrittweise ausgebaut. Aktuell schlügen sie mit voller Härte zu - "das hätten sie auch getan, wenn wir noch im Land wären". Mit Blick auf Forderungen nach einem erneuten Eingreifen der Bundeswehr in Afghanistan fügte Kramp-Karrenbauer hinzu: "Wer die Taliban dauerhaft besiegen will, müsste einen sehr harten und langen Kampfeinsatz führen." Wenn die deutsche Gesellschaft und das deutsche Parlament dazu nicht bereit seien, "bleibt der gemeinsame Abzug mit den Partnern die richtige Entscheidung."

"Bittere Konsequenz"

Etwas anders bewertet der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt, die Lage am Hindukusch. "Der Vormarsch der Taliban in Afghanistan ist eine bittere Konsequenz aus der Entscheidung, die internationale militärische Hilfe in Afghanistan im Sommer einzustellen", sagte Hardt. Deutschland und seine die westlichen Partner müssten die Sicherheitslage der zivilen Aufbauhelfer prüfen. Was die Binnenvertriebenen in Afghanistan angehe, sollten Deutschland und Europa zur weiteren Unterstützung der UN und der Nachbarstaaten bereit sein, betonte der CDU-Abgeordnete.

"Meldungen aus Afghanistan tun sehr weh": Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (Archivbild)Bild: Henning Kaiser/dpa/picture alliance

Der ehemalige Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: "Meine Gedanken sind bei den mutigen Frauen Afghanistans, die jetzt wieder unter das Terror-Regime der Taliban kommen und das Schlimmste zu befürchten haben." Es sei zynisch, wenn hier und da zu hören sei, die Taliban seien gemäßigter geworden. "Es sind immer noch dieselben Barbaren, die Frauen hassen und verachten und Kindern ihr Grundrecht auf Bildung vorenthalten." Özdemir gab allerdings auch zu bedenken, dass die Bundeswehr vor dem Hintergrund des Abzugs der US-Truppen nicht länger in Afghanistan habe bleiben können.

FDP will UN-Krisensitzung

Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, bezeichnete den Vormarsch der Taliban als "entsetzlich" und forderte die Bundesregierung dazu auf, auf eine Sondersitzung der Vereinten Nationen zu drängen. Die Sprecherin für Abrüstungspolitik der Linksfraktion, Sevim Dagdelen, sagte, mit der Eroberung von Kundus sei "die Niederlage der Bundeswehr-Intervention im Rahmen des NATO-Kriegs besiegelt". Dass deutsche Ausrüstung in Kundus für die afghanische Polizei und Armee den Taliban nun in die Hände falle, belege eindrucksvoll das Scheitern des sogenannten deutschen "State Buildings".

Wer hilft den Helfenden?

02:59

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Die AfD-Fraktion forderte die Bundesregierung dazu auf, auch offiziell mit den Taliban zu sprechen. Dies sei der "richtige Weg, um vielleicht dazu beizutragen, umfangreiche Racheakte und Flüchtlingsbewegungen wenigstens in Grenzen zu halten", sagte der außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Armin-Paulus Hampel.

Röttgen befürwortet neue Bundeswehr-Mission

Angesichts der Taliban-Erfolge warnte der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen vor einem "Desaster" und einem Durchmarsch der Taliban. "Es darf jetzt nicht zugelassen werden, dass sie militärisch einseitig Fakten schaffen", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag. Dann bestünde keine Aussicht mehr auf eine politische Lösung. Er appellierte an die internationale Gemeinschaft, dies zu stoppen. Dies könne auch eine Beteiligung der Bundeswehr bedeuten. "Wenn es also militärische Fähigkeiten der Europäer, auch der Deutschen, gibt, die jetzt benötigt würden, dann sollten wir sie zur Verfügung stellen."

Der CDU-Außenpolitiker Norbert RöttgenBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Innerhalb der Unionsfraktion des Bundestags stieß Röttgens Vorstoß zu einem erneuten Bundeswehreinsatz auf Widerspruch. Fraktionsvize Johann Wadephul sagte: "Der Bundeswehreinsatz wurde auf NATO-Ebene beendet. Ich sehe weder politisch noch militärisch einen Ansatzpunkt für eine neue Einsatzentscheidung." Die Entscheidung der USA für einen früheren Abzug ihrer Truppen habe zu einer entsprechenden Folgeentscheidung im Bündnis geführt. "Wir waren auf eine längere Übergangszeit eingestellt, das letzte Mandat des Bundestages lief bis Ende Januar 2022", erläuterte Wadephul.

Auch die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann äußerte sich ablehnend. Mit Röttgens Vorschlägen "würden wir wieder in 2002 ankommen", schrieb sie auf Twitter. So habe der Afghanistan-Einsatz begonnen.

kle/jj (dpa, kna)