Taliban: "Würde der Frauen wieder hergestellt"
28. Juni 2023Der Taliban-Führer Hibatullah Achundsada sieht sich selbst als gerechten Herrscher in der islamischen Welt. Anlässlich des muslimischen Opferfestes Eid veröffentlichte er am Sonntag, 25. Juni, eine Botschaft. Darin behauptete er, die Taliban würden alle legitimen Rechte von Frauen im Rahmen des islamischen Gesetzes gewährleisten. In der Botschaft, die in fünf Sprachen (Arabisch, Dari, Englisch, Paschtu und Urdu) verbreitet wurde, hieß es, dass dies das Leben der Frauen in Afghanistan verbessert und ihre Würde wiederhergestellt habe.
Beispielsweise hätten die Taliban Maßnahmen ergriffen, um Frauen vor traditioneller Unterdrückung wie Zwangsehen zu schützen. Achundsada erklärte weiterhin, dass die "negativen Aspekte der vorangegangenen 20-jährigen Besatzung" bald ein Ende haben würden. Er schrieb: "Der Status der Frau als freies und würdiges menschliches Wesen wurde wiederhergestellt, und alle Institutionen wurden verpflichtet, Frauen bei der Sicherung von Heirat, Erbschaft und anderen Rechten zu helfen."
"Was Achundsada behauptet, ist einfach nicht wahr. Die Taliban sind beispiellose Lügner", widerspricht Zahra Joya im Gespräch mit der DW. Die afghanische Journalistin wurde für ihre Berichterstattung über das Leben von Frauen in Afghanistan vom US-Magazin "Time" zur Frau des Jahres 2022 gekürt. Heute lebt sie in London und ist Gründerin und Chefredakteurin von Rukhshana Media. Diese Nachrichtenagentur berichtet über das Leben von Frauen und Mädchen in Afghanistan.
"Gerade in dieser Woche hat eine Gruppe von Frauen in der Stadt Balch - also innerhalb des Landes - den Taliban-Führer aufgefordert, Bildung und Arbeit für Frauen zu ermöglichen und den Mädchen wieder den Schulbesuch zu erlauben. Und dennoch behauptet Achundsada, dass die Taliban die Rechte der Frauen respektieren und ihre Würde wiederhergestellt hätten", sagt Joya und fügt hinzu: "Die Taliban sind nicht vertrauenswürdig. Nicht nur was die Sicherheit der Frauen in Afghanistan angeht, sondern auch für die Mehrheit der Bevölkerung insgesamt. Sie setzen ihre Vorhaben mit Gewalt um. Die Menschen in Afghanistan haben keine Rechte, um ihre Zukunft und ihr Schicksal zu beeinflussen."
Taliban wünschen internationale Anerkennung
Der Taliban-Führer Hibatullah Achundsada ist ein islamischer Gelehrter, der selten in der Öffentlichkeit auftritt. Er umgibt sich mit anderen Gelehrten und Verbündeten, die Bildung und Arbeit für Frauen ablehnen. Nach der Machtübernahme der Taliban wurde der Schulbesuch für Mädchen nach der sechsten Klasse verboten, Frauen wurden aus dem öffentlichen Leben und dem Arbeitsleben ausgeschlossen. Frauen dürfen auch nicht mehr für Nichtregierungsorganisationen und die Vereinten Nationen arbeiten.
Der internationalen Kritik an diesen Maßnahmen hält der Taliban-Führer entgegen, dass sich das Ausland nicht in die inneren Angelegenheiten Afghanistans einmischen solle. Die Taliban-Regierung, so bekräftigt Achundsada aber gleichzeitig, wünsche sich gute politische und wirtschaftliche Beziehungen zur Welt, insbesondere zu islamischen Ländern.
"Wenn sie die Anerkennung der Weltgemeinschaft wünschen, müssen sie ihren Verpflichtungen nachkommen", sagt die afghanische Frauenrechtlerin Sima Samar im Gespräch mit der DW. Die Leiterin der Menschenrechtskommission unter der ehemaligen afghanischen Regierung lebt heute im Ausland. "Afghanistan hat eine Reihe von UN-Konventionen unterzeichnet, die nun von den Taliban missachtet werden, wie zum Beispiel das Recht auf Bildung und Arbeit für alle, auch für Frauen. Die Taliban respektieren nicht einmal die Verfassung und das Grundgesetz in Afghanistan und wollen ein Land mit über 40 Millionen Einwohnern mit Befehlen und Botschaften regieren."
"Extremste Form von Frauenfeindlichkeit"
Der vom Taliban-Führer geäußerte Wunsch nach internationaler Anerkennung blieb bislang ohne Widerhall. Seit ihrer Machtübernahme im Sommer 2021 wurden die Taliban-Regierung von keinem einzigen Land als legitime Regierung anerkannt - gerade auch, weil sie Vereinbarungen und Gesetze nicht respektieren, insbesondere in Bezug auf die Rechte der Frauen. Fachleute der Vereinten Nationen bezeichnen die Herrschaft der militant-islamistischen Taliban als "extremste Formen der Misogynie", also der Frauenfeindlichkeit. Die Taliban verschärften nicht nur die Diskriminierung der Frauen in Afghanistan, sondern zerstörten auch den während der letzten 20 Jahre erzielten Fortschritt, erklärt der UNO-Sonderberichterstatter für die Menschenrechtslage in Afghanistan, Richard Bennett.
Vor dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf sagte Bennett am 19. Juni: "Schwerwiegende, systematische und institutionalisierte Diskriminierungen von Frauen und Mädchen liegen im Zentrum der Ideologie und Herrschaft der Taliban". Bennett äußerte seine tiefe Besorgnis darüber, dass die schwerwiegende Verweigerung der grundlegenden Menschenrechte von Frauen und Mädchen und die harte Durchsetzung ihrer restriktiven Maßnahmen durch die De-facto-Behörden Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen könnten.
Der UN-Sonderbeauftragte sprach in diesem Zusammenhang von "Geschlechts-Apartheid". Die Taliban werfen umgekehrt Bennett vor, gemeinsam mit den Vereinten Nationen und einigen westlichen Institutionen "Propaganda gegen das Islamische Emirat zu verbreiten". In Afghanistan würden islamische Gesetze umgesetzt, erklärt Zabihullah Mujahid, der Hauptsprecher der Taliban-Regierung. Und macht aus seiner Haltung keinen Hehl: "Wer das kritisiert, hat ein Problem mit dem Islam".
Mitarbeit: Ahmad Waheed Ahmady