Oper unter Palmen
13. Juli 2009Das Bühnenbild bestand aus vier verschiedenen Gelbtönen und hatte Löcher. Die Helden des Sängerkrieges steckten in den falschen Kostümen. Keine der vor Monaten bestellten Requisiten war vorhanden. Größere Pannen als bei Katharina Wagners Inszenierung des "Tannhäuser" auf der spanischen Urlaubsinsel Gran Canaria waren kaum vorstellbar. Vielleicht lag es am guten Wetter, der entspannten Ferienstimmung oder schlicht an ihrer Persönlichkeit: Die Urenkelin des berühmten Komponisten blieb erstaunlich gelassen und legte sogar selbst mit Hand an. Sie griff zum Pinsel, kaufte Requisiten ein, bastelte an der Drehbühne.
Am vergangenen Wochenende schließlich fand die lang erwartete Premiere im Opernhaus "Teatro Pérez Galdos" statt. Mit einem eilends überpinselten Bühnenbild, zahlreichen Standspiegeln des Modells "Hovet" aus einem schwedischen Möbelhaus und einer schnell organisierten Drehscheibe. "Kunst muss sich letztlich durchsetzen", lautete die Parole der 31-jährigen Regisseurin, die auf Gran Canaria bereits ihre fünfte eigene Inszenierung einer Wagneroper zeigte. Für diese Gelassenheit wurde Katharina Wagner mit begeistertem Publikumsapplaus und reichem Kritikerlob belohnt.
Ihre bislang beste Regiearbeit
Ihre Inszenierung sei "klar, fokussiert, nicht mehr so hektisch und überladen" gewesen, eine Sternstunde der Bayreuth-erprobten Sänger und die "beste Regiearbeit" Katharina Wagners überhaupt, schrieben die deutschen Feuilletons. Der Tannhäuser unter Palmen wurde als voller Erfolg gewertet, trotz oder gerade wegen all der Widrigkeiten, die die Leiterin der Bayreuther Wagner-Festspiele so gelassen und entschieden aus dem Weg geräumt hatte. Ihre Flucht vom Grünen Hügel, wo das Bühnenpersonal streikt und die Gewerkschaften hart verhandeln, ins sonnige Urlaubsparadies Gran Canaria wird Katharina Wagner offenbar nicht mehr übel genommen. Warum auch? Ihre ältere Schwester Eva Wagner-Pasquier, ebenfalls seit Mai dieses Jahres Festspielleiterin, halte ja die Stellung, erklärte Katharina Wagner.
Außerdem ist sie bereits am Morgen nach der umjubelten Premiere wieder nach Deutschland geflogen, um die dritte Verhandlungsrunde zwischen Verwaltungsrat und Gewerkschaftsvertretern zu managen. Auf jeden Fall, betont sie, werde auch in Bayreuth die Eröffnung ganz wie geplant am 25. Juli mit "Tristan und Isolde" stattfinden. Gerade diese "Tristan"-Inszenierung sei ein Stück, das man "zur Not auch ohne nichtkünstlerische Mitarbeiter selbst mit anschieben" könne.
Streik in Bayreuth kein "Schattenboxen"
Der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die seit Wochen den Streik des Bühnenpersonals für bessere Gehälter leitet, dürfte dieser Pragmatismus nicht gefallen. Sie droht damit, dass die Premiere am 25. Juli ausfallen muss und die zahlreichen Ehrengäste gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel vor einer leeren, dunklen Bühne sitzen. "Die Vorbereitungen für den Arbeitskampf laufen, das ist kein Schattenboxen", droht die Bayreuther ver.di-Vertreterin Barbara Schneider. Seit dem Rücktritt des langjährigen Festspielleiters Wolfgang Wagner sind die Festspiele kein Privatunternehmen mehr. Mit dem Wechsel an der Spitze sind Wagners Geschäftsanteile zu drei Vierteln an Bund, Land und die Stadt Bayreuth übergegangen.
Eigentlich waren sich Gewerkschaft und Verwaltungsrat darin einig, dass die Übernahme des Tarifvertrags der Länder für das Bühnenpersonal, das in Bayreuth deutlich geringer als nach dem branchenüblichen Satz bezahlt wird, bis zum Beginn der Festspiele unter Dach und Fach sein sollte.
Nie "geil" aufs Rampenlicht
"In Bayreuth ist alles komplizierter, und das wohl schon seit den Tagen Richard Wagners", stöhnt Verwaltungsratschef Toni Schmid und verweist auf die komplizierte Rechtsform mit drei öffentlichen und einem privaten Träger, der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth.
Dass sie ein schwieriges Erbe angetreten hat, weiß auch Katharina Wagner. "Ich war nie geil aufs Rampenlicht, ich bin auch nicht der Bussi-Bussi-Typ", betont sie. Dennoch habe sie seit ihrem 15. Lebensjahr die Vorahnung gehabt, "irgendwann mit den Festspielen zu tun" zu haben. In den schwierigen Verhandlungen wird der 31-jährigen Regisseurin diese lange Vorbereitungszeit auf das Amt der Festspielleiterin wohl zugutekommen. (SD/ste/dpa)