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PolitikAfrika

Herausforderer aus dem Nichts

30. Juli 2020

In knapp drei Monaten steht Tansanias Präsident John Magufuli zur Wiederwahl. Sein Sieg scheint sicher - und doch verändert sich die politische Landschaft, seit ein prominenter Gegner zurückgekehrt ist.

Tundu Lissu nach der Ankunft in Daressalam
Bild: DW/S. Khamis

Tundu Lissu genießt das Bad in der Menge sichtlich: Er steht in einem offenen Fahrzeug, eine Kette aus roten und weißen Rosen um den Hals, eine tansanische Flagge über dem linken Arm. Mit der rechten Hand winkt er einer jubelnden Menschenmenge zu. Auf Internet-Videos wirkt die Ankunft des populären Politikers am Flughafen von Daressalam Anfang dieser Woche wie der Empfang einer Sportmannschaft nach einem wichtigen Turnier.

"Ich bin heimgekehrt", sagte Lissu. "Es waren auf den Tag genau fast drei Jahre und ich weiß nicht mehr, wie ich das Land überhaupt verlassen habe." Lissu war Fraktionsvorsitzender der oppositionellen CHADEMA-Partei und ein scharfer Kritiker von Präsident John Magufuli, als ihn ein Attentäter im September 2017 vor dem Parlament niederstreckte. Der Schütze wurde bis heute nicht gefasst. Aus Sicherheitsgründen wurde Lissu zunächst in Kenia und später in Belgien behandelt. Berichten zufolge wurde er 19 Mal operiert - und will trotzdem Präsident Magufuli bei den Wahlen Ende Oktober herausfordern. "Heute kann ich laufen und sogar ein bisschen tanzen - obwohl ich damals nicht einmal hätte überleben sollen", sagte Lissu bei seiner Ankunft.

Veränderte politische Landschaft

Lissus Rückkehr auf die politische Bildfläche hat einen neuen Enthusiasmus ausgelöst, sagt der tansanische Journalist Jenerali Ulimwengu: "Einige schöpfen nun neue Hoffnung auf Wandel. Viele hatten befürchtet, dass er [bei seiner Ankunft] von den selben Leuten wie vor drei Jahren angegriffen würde, oder dass die Polizei die Versammlungen aufmischt. Das ist aber nicht passiert."

Ex-Präsident Mkapa stand 10 Jahre an der Spitze TansaniasBild: DW/S. Khamis

Dass die Polizei trotz anfänglichen Verbots den Empfang nicht auflöste, will Daniel El-Noshokaty, Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Daressalam, jedoch nicht überbewerten: "Es war mit der Polizei vereinbart. Außerdem: Die Sicherheitskräfte sind auch sehr beschäftigt, weil Ex-Präsident Benjamin Mkapa gestorben ist. Es gibt große Trauerkundgebungen überall, und dafür waren die Sicherheitskräfte an anderer Stelle gebunden."

Tansania trauert um den vor einer Woche verstorbenen Benjamin Mkapa, der von 1995 bis 2005 an der Spitze des Landes stand. Aus diesem Grund verschob die CHADEMA-Partei auch ihren Nominierungsparteitag um eine Woche. Dort will sich Tundu Lissu offiziell zum Spitzenkandidaten küren lassen. Dass er sich gegen die beiden anderen Bewerber durchsetzt, ist für viele Beobachtern reine Formsache. Aber: "Der Parteitag ist eine große Zusammenkunft von Menschen aus dem ganzen Land. Es könnte ungeahnte Differenzen geben, wie sie die derzeitige Lage beurteilen", sagt Analyst Ulimwengu im DW-Interview.

Raum für Wahlkampf?

Der Wahlkampf dürfte im August an Fahrt aufnehmen, wenn Lissu als aussichtsreichster Herausforderer feststehen dürfte. Präsident Magufuli, dessen CCM-Partei bislang alle fünf Präsidenten seit der Unabhängigkeit 1961 stellte, gab sich zuletzt betont moderat: "Es gibt keine kleinen Parteien. Wir sind alle gleich und ich glaube, dass alle Parteien einen zivilisierten Wahlkampf abhalten werden. Ich rufe auch die Staatsorgane auf, keine Gewalt anzuwenden, wenn es nicht notwendig ist."

Präsident Magufulis Wiederwahl gilt als sicherBild: Getty Images/AFP/M. Spatari

Kritiker werfen Magufuli allerdings vor, er habe im Laufe seiner Amtszeit den Raum für Opposition und Zivilgesellschaft systematisch verkleinert. Reichweitenstarke Medien wurden zunehmend unter Kontrolle der Regierung gebracht, dazu kommen Angriffe auf Journalisten und Oppositionelle. Auch in den vergangenen Wochen wurden Berichten zufolge acht Oppositionelle verhaftet, weil sie gegen ein Versammlungsverbot verstoßen haben sollen. Mitte Juli forderten drei UN-Gesandte, im Hinblick auf die Wahlen in Tansania dazu auf, die Bürgerrechte nicht weiter zu beschneiden. 

Analyst Ulimwengu sagt, die Oppositionsparteien müssten nun das Beste aus der Situation machen: "Wenn sie weiter antreten wollen, müssen sie tun, was in diesem restriktiven Umfeld möglich ist. Sie können lediglich darauf hoffen, ein paar Sitze im Parlament dazu zu gewinnen." Die Wähler seien nicht blind und könnten deshalb bei der Wahl eine starke Opposition einfordern.

Corona ist kein Thema mehr

Auch Daniel El-Noshokaty von der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung rechnet nicht mit einem Machtwechsel. "Ich gehe davon aus, dass der Präsident mit einer großen Mehrheit wiedergewählt wird." Lissu habe die Chance, einen Achtungserfolg zu erzielen, "und so viel Aufmerksamkeit auf den Präsidentschaftswahlkampf zu richten, dass es der Opposition gelingt, mehr Wahlkreise zu gewinnen als das vorgesehen wäre".

Offiziell gilt Tansania als Corona-freiBild: DW/E. Boniphace

Im Wahlkampf dürften vor allem Wirtschaftsthemen und Bürgerrechte eine wichtige Rolle spielen. "Magufuli inszeniert gerne seine wirtschaftlichen Erfolge und Fortschritte, aber die Menschen dürften sich ihre eigenen Lebensumstände anschauen und feststellen, dass sich kaum etwas geändert hat", sagt Analyst Jenerali Ulimwengu.

Keine Rolle spielt bislang die Corona-Pandemie,  auch wenn die Infektionszahlen in Afrika in diesen Tagen die Marke von einer Million bestätigten Fällen übersteigen werden. Seit April veröffentlicht Tansania keine Zahlen mehr, Präsident Magufuli erklärte das Land sogar für "Corona-frei". Daniel El-Noshokaty sagt: "Offiziell gibt es Corona nicht, jeder tut so, als wenn es das nicht gäbe. Niemand trägt mehr Mundschutz, es gibt kein Social Distancing mehr in Tansania. Aber eigentlich weiß jeder, dass das Virus noch hier ist."

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