Brasilien übergibt den G20-Vorsitz an Südafrika. Auch das Land am Kap will den Kampf gegen Hunger und Klimakrise fortsetzen. Die nächste Weltklimakonferenz findet 2025 in Brasilien statt. Der Gipfelmarathon geht weiter.
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Gibt es eigentlich noch einen gemeinsamen Nenner, auf den sich die Weltgemeinschaft einigen kann? Die gute Nachricht lautet: Ja.
Zurzeit scheint dies die jüngst auf dem G20-Gipfel gegründete Initiative "Globale Allianz gegen Hunger und Armut"zu sein. Auf dem Gipfel in Rio de Janeiro hatten sich am 18. und 19. November die Regierungsvertreter der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer getroffen. Die dabei von Brasilien angeschobene Kooperation vereint mittlerweile 82 Länder, die EU und die Afrikanische Union. Hinzu kommen 24 internationale Organisationen, darunter die Weltbank und die UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO, sowie 31 Nichtregierungsorganisationen.
An Geld soll es vorerst nicht mangeln. Die interamerikanische Entwicklungsbank (BID) will rund 25 Milliarden US-Dollar bereitstellen, um Projekte für Nahrungsmittelproduktion, soziale Ausgleichsprogramme, Schulspeisungen und Mikrokredite voranzutreiben. Bis 2030 sollen dadurch 500 Millionen Menschen aus der Armut geholt werden.
Hunger ist die Geißel der Menschheit
Deutschland gehörte zu den ersten Unterstützern der Initiative. Entwicklungsministerin Svenja Schulze brachte das Bündnis für globale Ernährungssicherheit in die Initiative ein. Es war vor zwei Jahren im Rahmen des deutschen G7-Vorsitzes gegründet worden.
Entwicklungsministerin will neue Partnerschaft mit Afrika
12:37
Die informelle Gruppe der G20-Staaten ist eines der wenigen Foren, in denen sich Regierungsvertreter von Ländern mit Interessenskonflikten noch persönlich begegnen. Ursprünglich 2008 als Reaktion auf die Finanzkrise der 1990er Jahre in Asien gegründet, ist die Gruppe heute ein Forum, in dem der globale Norden und Süden, die G7 und die BRICS-Staaten zusammenkommen.
Flavia Loss de Araujo, brasilianische Expertin für internationale Beziehungen, betrachtet die G20-Präsidentschaft Brasiliens, die am 1. Dezember auf Südafrika übergeht, als Erfolg. "Brasilien erhielt Unterstützung bei den wichtigsten Themen, die es vorschlug: Hunger und Armut. Themen, die von den reichen Ländern stets vernachlässigt wurden", schreibt sie in einem Beitrag für die Online-Plattform The Conversation, einem Forum für den Austausch zwischen Wissenschaft und Journalismus.
"Viel Geld für Verteidigung und Energiewende"
In der Abschlusserklärung des Gipfelshatten die G20-Staaten eingeräumt, dass "die Welt mehr als genug Nahrungsmittel produziert, um den Hunger auszurotten". Es mangele nicht an Wissen, sondern an "politischem Willen, um die Voraussetzungen für einen besseren Zugang zu Nahrungsmitteln zu schaffen".
Lateinamerikaexpertin Claudia Zilla von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) mahnt allerdings vor zu großen Erwartungen: "Im Moment fließt viel Geld aus den Industrieländern in die Verteidigung und die Energiewende, erklärte sie gegenüber der DW.
Zwar wurden Energiewende und Klimakrise in der G20-Abschlusserklärung ebenfalls erwähnt, allerdings bleibt es hier bei abstrakten Absichtserklärungen. Die Staaten "bekräftigten" darin, "die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen", und kündigten an, "die Klimafinanzierung aus allen Quellen von Milliarden auf Billionen zu erhöhen".
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Vom G20-Gipfel in Rio zur Klimakonferenz in Belém
Angesichts der ernüchternden Ergebnisse der jüngsten UN-Klimakonferenz in Baku kommt auf Brasilien bei diesem Thema auch nach dem Ende der G20 Präsidentschaft eine Menge Arbeit zu. Denn die nächste Klimakonferenz, COP30, findet im November 2025 im brasilianischen Belém statt. Außerdem übernimmt Brasilien 2025 den Vorsitz der BRICS-Staaten.
Brasiliens G20-Nachfolger Südafrika wird während seiner Präsidentschaft das Thema Klimawandel wahrscheinlich fortführen, allerdings mit einem anderen Akzent. Nach Einschätzung von Schuldenexpertin Magalie Masamba von der Universität Pretoria könnte die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen zum Beispiel mit der wachsenden Überschuldung vieler Länder in der Region verknüpft werden.
Schuldenerlass für Klimaschutz?
"Viele Länder Afrikas sind mit einer gravierenden Schuldenkrise konfrontiert, die Wirtschaftswachstum und Entwicklung bedrohen", schreibt sie in einem Beitrag für den afrikanischen Think Tank APRI. Der G20-Vorsitz Südafrikas sei eine einmalige Chance, Entschuldungsinitiativen mit dem Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs)und den kostspieligen Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel zu koppeln. Mit innovativen Finanzierungsinstrumenten sei dies möglich.
17 Ziele für die Zukunft
Die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der UN sollen bis 2030 eine gerechtere, umweltfreundlichere Welt fördern und Hunger und Armut abschaffen. Der Aktionsplan wurde im Herbst 2015 auf dem UN-Gipfel verabschiedet.
Bild: Emmanuel Dunand/AFP/Getty Images
Ziel 1: Eine Welt ohne Armut
Bis 2030 soll kein Mensch mehr in extremer Armut leben müssen. Damit geht die Weltgemeinschaft weiter als in den alten Millenniumszielen, die bis 2015 lediglich eine Halbierung der extremen Armut als Ziel hatten. Als extrem arm definieren die UN Menschen, die von weniger als 2,15 US-Dollar am Tag leben müssen.
Bild: Daniel Garcia/AFP/Getty Images
Ziel 2: Eine Welt ohne Hunger
Derzeit haben rund 735 Millionen Menschen nicht genug zu essen, so die UN-Welternährungsorganisation FAO. Bis zum Jahr 2030 soll kein Mensch mehr unterernährt sein. Dabei soll nachhaltige Landwirtschaft eine größere Rolle spielen, Kleinbauern und ländliche Entwicklung sollen gefördert werden.
Bild: picture-alliance/dpa
Ziel 3: Gesundheit weltweit
Rund fünf Millionen Kinder jährlich sterben weltweit, bevor sie fünf Jahre alt sind. Weltweit stirbt alle zwei Minuten eine werdende Mutter während Schwangerschaft oder Entbindung. Bis 2030 soll jeder Mensch Zugang zu Gesundheitsvorsorge, bezahlbaren Medikamenten und Impfstoffen bekommen.
Bild: Maxwell Suuk/DW
Ziel 4: Ausbidlung für alle
Ob Mädchen oder Junge, ob reich oder arm: Bis 2030 soll jedes Kind eine Schulausbildung bekommen, die ihm einen späteren beruflichen Werdegang ermöglicht. Männer und Frauen sollen gleiche Bildungschancen haben, unabhängig von ethnischem oder sozialem Hintergrund und unabhängig von einer Behinderung.
Bild: DW
Ziel 5: Gleichberechtigung für Frauen
Frauen sollen gleichberechtigt am öffentlichen und politischen Leben teilnehmen können. Gewalt und Zwangsehen sollen der Vergangenheit angehören. Und weltweit sollen Frauen Zugang zu Verhütungsmitteln und Familienplanung haben. Letzteres sorgt für Kritik aus religiösen Kreisen.
Bild: Alexandar Detev/DW
Ziel 6: Wasser als Menschenrecht
Rund zwei Milliarden Menschen weltweit haben keinen regelmäßigen Zugang zu sauberem Wasser. Etwa 850 Millionen Menschen haben noch nicht einmal eine Grundversorgung mit Trinkwasser. Bis 2030 sollen alle Menschen Zugang zu sauberem und bezahlbarem Trinkwasser und Sanitäranlagen bekommen. Wasserressourcen sollen nachhaltig genutzt werden.
Bild: DW
Ziel 7: Weltweite Energieversorung
Bis 2030 sollen alle Menschen Zugang zu Elektrizität und Energie haben, vorzugsweise aus erneuerbaren Energiequellen. Die globale Energieeffizienz soll verdoppelt, die Infrastruktur insbesondere in den ärmsten Ländern ausgebaut werden. Heute leben rund 675 Millionen Menschen ohne Stromversorgung.
Bild: Thomas Imo/photothek/picture alliance
Ziel 8: Faire Arbeit für alle
Faire und soziale Arbeitsbedingungen weltweit, Jobchancen für Jugendliche und eine nachhaltige globale Wirtschaft. Punkt acht der neuen Entwicklungsziele gilt für Industrie- wie Entwicklungsländer und beinhaltet auch ein Ende von Kinderarbeit und die Einhaltung internationaler Arbeitsnormen.
Bild: AFP/Getty Images
Ziel 9: Nachhaltige Infrastruktur
Eine bessere Infrastruktur soll eine wirtschaftliche Entwicklung fördern, von der alle profitieren können. Die Industrialisierung soll sozial und ökologisch nachhaltig sein, mehr und bessere Jobs schaffen und Innovationen fördern, die zur Nachhaltigkeit und sozialen Gerechtigkeit beitragen.
Bild: imago/imagebroker
Ziel 10: Eine gerechte Verteilung
Laut UN entfallen auf nur ein Prozent der Weltbevölkerung rund zwei Drittel des wirtschaftlichen Wachstums. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Deshalb soll die internationale Entwicklungspolitik vor allem der ärmsten Hälfte der Bevölkerung und den ärmsten Ländern der Welt helfen.
Bild: Frederic J. Brown/AFP/Getty Images
Ziel 11: Lebenswerte Städte
In den globalen Ballungszentren sollen Menschen- und umweltfreundliche Lebensräume mit bezahlbarem Wohnraum entstehen. Städte sollen nachhaltiger und grüner werden. Vor allem Entwicklungsländer sollen Unterstützung erhalten, um Städte gegen klimabedingte Naturkatastrophen widerstandsfähiger zu machen.
Bild: picture alliance/blickwinkel
Ziel 12: Nachhaltiger Konsum und Produktion
Recycling, Wiederverwertung der Ressourcen, Eindämmung der Müllmengen insbesondere in der Lebensmittelproduktion und beim Verbraucher: Alle stehen in der Verantwortung. Ressourcen sollen ökologisch und sozialverträglich abgebaut und eingesetzt werden und Subventionen für fossile Brennstoffe sollen auslaufen.
Bild: DW
Ziel 13: Klimawandel in den Griff bekommen
Die Notwendigkeit, sich global auf Maßnahmen zur Eindämmung und Anpassung an den Klimawandel zu verständigen, ist mittlerweile Konsens in der UN. Reichere Länder sollen ärmeren Ländern mit Technologie- und Finanztransfer unterstützen. Gleichzeitig sollen sie ihre eigenen Emissionen massiv senken.
Bild: AP
Ziel 14: Schutz der Weltmeere
Die Weltmeere stehen vor dem Kollaps. Maßnahmen gegen Überfischung, Zerstörung der Küstengebiete und der marinen Ökosysteme sollen durchgeführt, die Meeresverschmutzung durch Müll und Überdüngung deutlich abgebaut werden.
Bild: imago
Ziel 15: Stopp der Umweltzerstörung
Beim Schutz der Wassereinzugsgebiete, der Wälder und der Biodiversität wird den UN-Mitgliedstaaten dringend dazu geraten, die umfassende Umweltzerstörung aufzuhalten. Land, Wald und Wasserquellen sollen besser geschützt und der Umgang mit den natürlichen Ressourcen grundlegend geändert werden.
Bild: WILDLIFE/I.R.Lloyd/picture alliance
Ziel 16: Rechte und Gesetze durchsetzen
Alle Menschen sollen vor dem Gesetz gleich sein. Durch nationale Institutionen und internationale Zusammenarbeit sollen Gewalt, Terror, Korruption und organisierte Kriminalität effektiv bekämpft werden. Bis 2030 sollen alle Menschen gleichberechtigten Zugang zur Justiz erhalten.
Bild: imago/Paul von Stroheim
Ziel 17: Eine solidarische Zukunft
Wie bereits in den Millenniumszielen festgeschrieben, sollen die reichen Länder endlich 0,7 Prozent ihres Bruttonationaleinkommens für die internationale Entwicklungszusammenarbeit bereitstellen. Deutschland gibt bereits 0,73 Prozent für Entwicklungshilfe aus.
Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance
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Dauerbrenner Mindeststeuer für Superreiche
Die von Brasilien während der G20-Präsidentschaft favorisierte Idee einer globalen Mindeststeuer für Superreiche, mit der sowohl Klimaschutzmaßnahmen als auch Sozialprogramme gegen Hunger und Armut finanziert werden könnten, dürfte vorerst nur in den Abschlusserklärungen auftauchen.
G20-Koordinator Gustavo Westmann, zuständig für internationale Beziehungen im brasilianischen Präsidialamt, gibt sich deswegen mit kleinen Schritten zufrieden: "Wir haben es geschafft, die Besteuerung von Superreichen als Thema zu etablieren", sagt er im DW-Gespräch. "Mehr allerdings auch nicht."