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Taurus-Leak: Geheimdienste haben vor Russland gewarnt

5. März 2024

Deutsche Militärs spekulieren über Taurus-Waffen für die Ukraine - und der Kreml hört mit. Die Spionage ist keine Überraschung, sondern Teil der hybriden Kriegsführung.

Bundeswehr-Aufnäher und Kopfhörer auf Russland-Fahne, Symbolfoto Taurus-Abhöraffäre
Bild: Christian Ohde/CHROMORANGE/picture alliance

Luftwaffen-Offiziere der Bundeswehr plaudern über militärische Szenarien für den Fall, dass Deutschland trotz des Vetos von Bundeskanzler Olaf Scholz  Marschflugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine liefern sollte. Das Problem: Russland hört alles mit. Mehr noch: Moskauer Staatsmedien machen den heimlichen Mitschnitt publik.

Die Folge: Innerhalb des Nordatlantischen Verteidigungsbündnisses (NATO) zweifeln einige an der Verlässlichkeit Deutschlands. Verteidigungsminister Boris Pistorius bewertete den russischen Lauschangriff in einer ersten Reaktion als "hybriden Angriff zur Desinformation". Er sei "Teil eines Informationskriegs, den Putin führt".

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Zeitenwende für die innere Sicherheit

Ziel sei es, "Unsicherheit zu erzeugen und auseinanderzudividieren", ergänzte ein Ministeriumssprecher wenig später. Überraschend ist das allerdings nicht - im Gegenteil. "Russlands Krieg gegen die Ukraine bedeutet auch für die innere Sicherheit eine Zeitenwende", hatte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser schon im Juni 2023 gesagt.

Anlass war der aktuelle Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), den sie gemeinsam mit Behörden-Chef Thomas Haldenwang vorstellte. Dessen Einschätzung: Die Gefährdungen durch russische Spionage-Aktivitäten hätten sich nochmals vergrößert. Und das, obwohl Deutschland zu diesem Zeitpunkt bereits 40 russische Diplomaten ausgewiesen hatte. Personen, die als mutmaßliche Spione an der Botschaft ihres Landes in Berlin akkreditiert gewesen waren.

2023: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (r.) und Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang präsentieren den Verfassungsschutzbericht Bild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Warnung vor russischen Geheimdienst-Offizieren

Russland werde seine Methoden anpassen und zukünftig noch mehr im Verborgenen und noch aggressiver vorgehen, mutmaßte Haldenwang. Wie recht er damit zu haben scheint, zeigt die jetzt bekannt gewordene Abhör-Affäre der Bundeswehr. Der Verfassungsschutzpräsident ließ auch durchblicken, welche Methoden er Präsident Wladimir Putin zutraut: den Einsatz von Geheimdienst-Offizieren mit falscher Identität in Deutschland.

"Russische Dienste schrecken in äußerster Konsequenz auch nicht vor der Tötung von Personen zurück", betonte Haldenwang unter Anspielung auf den sogenannten Tiergarten-Mord in Berlin. Das Opfer, ein in Deutschland Asyl begehrender Exil-Tschetschene, wurde 2019 erschossen - mutmaßlich im Auftrag eines russischen Geheimdienstes. Der Täter ist inzwischen wegen Mordes zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt worden.

Spurensicherung nach dem Mord an einem Exil-Tschetschenen im August 2019 im Berliner Ortsteil Tiergarten Bild: Christoph Soeder/dpa/picture-alliance

Feindliche Propaganda nimmt zu

Seit dem völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine registriert der Verfassungsschutz mehr denn je feindliche Propaganda in Deutschland. Dazu zählen pro-russische Gruppen, die den Angriffskrieg billigen. Das Ziel: Menschen aus Republiken der früheren Sowjetunion, die inzwischen in Deutschland leben, auf ihre Seite zu ziehen.

"Putin betrachtet diesen Personenkreis als 'seine Russen'. Menschen, auf die er Einfluss ausüben möchte", sagte Verfassungsschutz-Chef Haldenwang. Allerdings sei die russische Diaspora in Deutschland ganz überwiegend für russische Propaganda kaum anfällig, fügte er hinzu.  

Moskaus Mann beim BND in Berlin

Anlass, besonders beunruhigt zu sein, hatte hingegen Bruno Kahl, der Präsident des für die Auslandsaufklärung zuständigen Bundesnachrichtendienstes (BND). Denn im Dezember 2022, zehn Monate nach Beginn des Ukraine-Kriegs, wurde ein Mitarbeiter seines Hauses wegen mutmaßlichen Landesverrats verhaftet. Carsten L. soll dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB sensible Unterlagen übermittelt haben.

In der Berliner BND-Zentrale arbeitete Carsten L., der mutmaßlich für einen russischen Geheimdienst spioniert hat Bild: Kay Nietfeld/picture alliance/dpa

Seit Dezember 2023 steht der BND-Maulwurf in Berlin vor Gericht. Das gilt auch für seinen mutmaßlichen Komplizen, den Geschäftsmann Arthur E., festgenommen im Januar 2023. In der Anklage ist von neun übermittelten Dokumenten die Rede. Dabei soll es sich um ein Projekt zur technischen Informationsgewinnung handeln. BND-Präsident Kahl hat auf das Leck in seinem Haus mit verschärften Sicherheitsmaßnahmen reagiert. Unter anderem muss die Belegschaft jederzeit mit Taschenkontrollen rechnen.

Wladimir Putins Kalkül

Dass er Russlands Spionage und Propaganda für gefährlich hält, hatte Kahl schon wenige Monate nach dem Überfall auf die Ukraine in einer öffentlichen Anhörung des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste (PKGr) skizziert. In der Fragerunde mit den PKGr-Mitgliedern ging es auch um Berichte über Mini-Drohnen, die an Stützpunkten der Bundeswehr gesichtet worden sein sollen. Dabei war von Standorten die Rede, an denen ukrainische Soldaten an deutschen Waffen ausgebildet werden sollten.

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"Da sind wir dran, weil das eine tatsächliche Bedrohung ist", sagte seinerzeit die Präsidentin des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Martina Rosenberg. Zwar könne man Spionage-Versuche nicht direkt Russland zuordnen, aber es sei wahrscheinlich. Im aktuellen Fall der abgehörten Gespräche zwischen Luftwaffen-Offizieren bestehen hingegen keine Zweifel, wer dahintersteckt: der Kreml.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland