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PolitikGeorgien

Tausende protestieren in Georgien gegen "Sklaven Russlands"

29. Mai 2024

Die Demonstranten wenden sich gegen das Gesetz zur "ausländischen Einflussnahme", das im Parlament durchgepeitscht wurde. Die EU prüft nach eigenen Worten "alle Optionen".

Demonstranten vor dem Parlamentsgebäude schwenken georgische Flaggen
Sehnsucht nach Westen: Vor dem georgischen Parlament in Tiflis protestieren Tausende Menschen gegen den als prorussisch empfundenen Kurs der Regierungspartei Georgischer TraumBild: Giorgi Arjevanidze/AFP/Getty Images

Ungeachtet heftiger internationaler Kritik hat das Parlament in Georgien das Gesetz zur "ausländischen Einflussnahme" endgültig verabschiedet. 84 Abgeordnete der Regierungspartei Georgischer Traum überstimmten ein Veto von Präsidentin Salome Surabischwili; es gab nur vier Gegenstimmen. Die meisten Parlamentarier der Opposition hatten vor dem Votum den Saal verlassen.

Während und nach der Sitzung protestierten Tausende Menschen vor dem Parlamentsgebäude in Tiflis. Viele Teilnehmer schwenkten die georgische Flagge und EU-Fahnen. In Sprechchören wurden die Abgeordneten des Georgischen Traums als "Sklaven Russlands" bezeichnet. Neben der georgischen Nationalhymne war auch die Europahymne "Ode an die Freude" zu hören.

"Europäische Zukunft oder russische Sklaverei?"

Die prowestliche Staatschefin Surabischwili, die nach der ersten Verabschiedung des Gesetzes vor zwei Wochen ihren Widerspruch eingelegt hatte, wandte sich mit einer Videobotschaft an die Demonstranten. "Wollen wir eine europäische Zukunft oder russische Sklaverei?", fragte sie. Zugleich rief Surabischwili die Menschen auf, Unterschriften für eine Volksabstimmung gegen das Gesetz zu sammeln.

"Ode an die Freude": Demonstranten schwenkten neben der Nationalflagge auch EU-Fahnen und sangen die Europahymne aus der neunten Sinfonie Ludwig van BeethovensBild: Shakh Aivazov/AP Photo/picture alliance

Rund 200 Nichtregierungsorganisationen erklärten nach dem Parlamentsentscheid, das "russische Gesetz" werde nicht funktionieren. Es handele sich um ein "leeres Blatt Papier", dem niemand Folge leisten werde, schrieben die NGO in einem gemeinsamen Statement.

EU: "Bedauerliches" Votum

Die Europäische Union sprach von einem "bedauerlichen" Votum und forderte Georgien auf, "entschlossen auf den Weg in Richtung EU zurückzukehren". Man prüfe "alle Optionen" als Reaktion auf die Entwicklung in dem Land. Georgien hatte im März 2022 ein EU-Beitrittsgesuch gestellt und im Dezember 2023 den offiziellen Status eines Beitrittskandidaten erhalten.

Die Regierung verbat sich hingegen eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes. Ministerpräsident Irakli Kobachidse betonte, Georgiens Ziel sei es weiterhin, bis 2030 einen Beitritt zur Europäischen Union zu erreichen. Sanktionen oder Strafen schreckten die Regierungspartei nicht, da sie im Interesse des Volkes handele. Außer der EU hatten auch die USA mit Konsequenzen gedroht, falls die verschärften Regeln in Kraft treten.

Russisches Agentengesetz als Blaupause?

Kritiker werfen Kobachidse vor, die ehemalige Sowjetrepublik wieder an Moskau annähern zu wollen. Als Blaupause für die neuen Bestimmungen sieht die Opposition das 2012 in Russland verabschiedete Gesetz gegen "ausländische Agenten", das es den dortigen Behörden ermöglicht, gegen regierungskritische Medien und Organisationen vorzugehen. 2023 hatte die georgische Regierung ein ähnliches Gesetzesvorhaben nach Massenprotesten zunächst zurückgezogen, ehe sie im April einen neuen Anlauf nahm.

Unterschiedliche Richtungen: Präsidentin Salome Surabischwili und Regierungschef Irakli Kobachidse (Archivbild)Bild: Irakli Gedenidze/Pool Photo/AP/picture alliance

Projekte der Zivilgesellschaft und der Medien, die zu mehr als einem Fünftel aus dem Ausland finanziert werden, müssen sich den Bestimmungen zufolge als "Agenten ausländischer Einflussnahme" registrieren lassen. Der Europarat hatte gewarnt, das Gesetz berge die Gefahr, dass Vereinigungen und Medien angeprangert, stillgestellt und schließlich ausgeschaltet würden. Das Fachgremium der sogenannten Venedig-Kommission äußerte die Befürchtung, dass von der Regelung gerade regierungskritische Akteure betroffen sein könnten.

Die EU und die USA finanzieren seit langem in großem Stil Projekte zur Entwicklung der Zivilgesellschaft in Georgien. Die damit verbundene Vermittlung westlicher Werte von Freiheit und etwa auch sexueller Selbstbestimmung laufen konservativen Kräften in der Gesellschaft - die stark unter dem Einfluss der georgisch-orthodoxen Kirche steht - zuwider.

jj/pg (dpa, afp, rtr, kna)