Schon länger werfen die UN und Menschenrechtler Myanmar Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Jetzt meldeten sich "Ärzte ohne Grenzen" zu Wort: 6700 Rohingya seien zu Beginn der Gewaltwelle getötet worden.
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Mindestens 730 der getöteten Rohingya seien Kinder unter fünf Jahren, erklärte das Hilfswerk in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. Seine Mitarbeiter hätten in verschiedenen Teilen der Flüchtlingslager in Cox's Bazar an der Grenze von Bangladesch und Myanmar Tausende Rohingya befragt und die Zahlen auf dieser Basis erstellt. Dabei ging es um den Zeitraum vom 25. August bis zum 24. September. Damals eskalierte die Gewalt nach einem Anschlag von Rohingya-Extremisten auf eine Militärstation Myanmars. Mehr als 620.000 Angehörige der muslimischen Minderheit sind seither vor der Verfolgung in Myanmar in das Nachbarland geflohen.
Viele Schussverletzungen
In diesem ersten Monat seien etwa 9000 Rohingya im westlichen Rakhine-Staat gestorben, mindestens 72 Prozent davon durch Gewalt. Die Untersuchungsergebnisse zeigten, dass die Menschen gezielt angegriffen worden seien, erklärte "Ärzte ohne Grenzen". Die häufigste Todesursache seien Schussverletzungen gewesen.
Nur ein Teilergebnis
Der medizinische Leiter bei der Hilfsorganisation, Sidney Wong, geht davon aus, dass die Todeszahl noch zu gering geschätzt ist. Es seien nicht in allen Flüchtlingslagern Daten erhoben worden. Zudem habe die Studie Familien, die nicht aus Myanmar geflohen seien, nicht berücksichtigt.
Ende November hatten Myanmar und Bangladesch eine Rückführung von Rohingya-Flüchtlingen vereinbart. Dieses Abkommen ist laut "Ärzte ohne Grenzen" realitätsfern. Die Rohingya dürften nicht zur Rückkehr gezwungen werden. Zuerst müsse ihre Sicherheit und die Einhaltung ihrer Rechte garantiert werden.
Das "Witwenlager" der Rohingya
Nach einer Eskalation im buddhistischen Myanmar im August sind rund 600.000 Angehörige der muslimischen Rohingya-Minderheit nach Bangladesch geflüchtet. Das UNHCR hat dort ein Lager für Frauen und Kinder eingerichtet.
Bild: Reuters/D. Sagolj
Das Elend hat ein Gesicht
Das ist Roshid Jan. Sie ist eine Angehörige der Rohingya, die nach Bangladesch geflüchtet ist. Mit ihren fünf Kindern war sie zehn Tage unterwegs, nachdem das myanmarische Militär ihr Dorf niedergebrannt hatte. Nun ist sie in Sicherheit. Im Lager für Witwen und Waisen in Cox's Bazar.
Bild: Reuters/D. Sagolj
Ehemann verhaftet und verschollen
Roshid Jan weiß nicht, wo ihr Mann ist. Er war der religiöse Führer in ihrem Heimatdorf Phansi des myanmarischen Teilstaats Rakhine. Das Militär dort warf ihm Mitgliedschaft in einer militanten Organisation vor und nahm ihn vor elf Monaten fest. Seitdem hat Roshid ihn nicht mehr gesehen.
Bild: Reuters/D. Sagolj
Flüchtlinge helfen Flüchtlingen
Das Balukhali-Lager befindet sich neben der bangladeschischen Grenzstadt Cox's Bazar. Es wurde von geflüchteten Rohingyas eigens für Frauen und Kinder gebaut. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und andere internationale Hilfsorganisationen haben Zelte gespendet. Bereits 230 Frauen und Kinder haben hier ein Obdach gefunden. Sie nennen es "Witwenlager".
Bild: Reuters/D. Sagolj
Soziales Leben
Im Lager können Frauen in der gemeinsamen Küche kochen. Dabei sprechen sie sich gegenseitig Mut zu, um das erlebte Trauma von Gewalt und Flucht zu verarbeiten. Auch die Nahrungsmittel und das Trinkwasser haben Hilfsorganisationen gespendet.
Bild: Reuters/D. Sagolj
Glücksmomente
Kochen mit Kindern. Mutter und Kind genießen offenbar diesen Moment ohne Angst. Obwohl die Unterkunft nur provisorisch und die Zukunft ungewiss ist.
Bild: Reuters/D. Sagolj
Opfer des Menschenhandels
Nicht alle Frauen können in dem neuen Lager aufgenommen werden, das ihnen einen gewissen Schutz bietet. Viele Mädchen und Frauen würden als Sexsklavinnen verkauft, berichtet der DW-Reporter Arafatul Islam aus Cox's Bazar. Er hat dort Opfer und Hilfsorganisationen getroffen.
Bild: DW/Arafatul Islam
Rohingya suchen ein Zuhause
Zwar haben Myanmar und Bangladesch ein Abkommen über die Rückkehr der Rohingya unterschrieben, aber wann und wie es in die Praxis umgesetzt werden soll, ist noch unklar. Die EU will dabei helfen, den "Flüchtlingen eine freiwillige Rückkehr aus Bangladesch in Würde zu ermöglichen", sagte EU-Außenbeauftragte Mogherini am Dienstag.