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Politik

Tauwetter zwischen Äthiopien und Eritrea

Aarni Kuoppamäki
6. Juni 2018

Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed versprach zu seinem Amtsantritt Reformen und einen politischen Neuanfang. Nun soll der lang schwelende Grenzkonflikt mit Eritrea beigelegt werden. Doch macht der Nachbar mit?

Eritrea Kinder spielen 1991 auf zerstörtem äthiopischen Panzer
Kinder spielen auf einem Panzer, der im Krieg 1991 zerstört wurdeBild: Getty Images/AFP/A. Joe

"Aus tiefstem Herzen" wünsche er sich ein Ende des Konflikts mit Eritrea, sagte Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed bereits bei seiner Antrittsrede im April. Dennoch kam die Ankündigung am Dienstag (05.06.2018) für die meisten Beobachter überraschend: Die Regierungspartei EPRDF will den Friedensvertrag mit Eritrea anerkennen. Beide Länder hatten den sogenannten "Vertrag von Algier" bereits im Jahr 2000 unterschrieben. Zuvor waren zehntausende Menschen in einem zweijährigen Krieg zwischen den beiden Staaten umgekommen. 2002 legte ein internationales Schiedsgericht den künftigen Grenzverlauf fest und sprach dabei die Grenzstadt Badme mit rund 1500 Einwohnern Eritrea zu. Bis heute hält Äthiopien die Stadt und weitere Gebiete, die Eritrea zugesprochen worden waren, besetzt.

Immer wieder kam es seitdem zu Scharmützeln zwischen Soldaten aus beiden Ländern. Am Mittwoch war der Konflikt in beiden Ländern Gesprächsthema. Auf der amharischen Facebook-Seite der DW kritisieren viele Nutzer das Einlenken der äthiopischen Regierung: "Es ist eine falsche Entscheidung", schreibt einer. "Die Sache sollte von allen Äthiopiern entschieden werden. Es wird einen neuen Krieg oder Spannungen geben, wenn die Eritreer ihren Teil der Abmachung nicht erfüllen." Ein anderer Nutzer sieht die Entscheidung dagegen positiv: "Badme und die anderen Gebiete sollen ruhig an Eritrea gehen. Wir brauchen kein größeres Territorium. Selbst die Ländereien, die unumstritten uns gehören, sind nicht richtig entwickelt worden. Was wir jetzt brauchen, ist Frieden, Liebe und Gemeinsamkeit."

Frieden und wirtschaftliche Liberalisierung

Die Friedensinitiative ist Teil eines ambitionierten Reformprogramms von Äthiopiens Premierminister Abiy. Ebenfalls am Dienstag bestätigte das äthiopische Parlament die vorzeitige Aufhebung des Ausnahmezustands, der im Februar ausgerufen worden war. Wenige Stunden später gab die Regierungspartei bekannt, die staatlichen Monopole im Elektrizitäts-Sektor, im Bereich der Telekommunikation und in der Logistik aufzuheben. Der Staat solle zwar weiterhin die Mehrheit an Staatsunternehmen wie der Fluggesellschaft Ethiopian Airlines halten, aber erstmals Anteile an Investoren verkaufen, um das Wirtschaftswachstum und die Exportwirtschaft zu stärken, hieß es in der Bekanntmachung.

Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed kam als Reformer - und will seine Glaubwürdigkeit bewahrenBild: Reuters/T. Negeri

Seit dem Amtsantritt Abiys gebe es gerade unter den jungen Äthiopiern eine große Erleichterung, sagt Ludger Schadomsky, Leiter des amharischen Programms der Deutschen Welle. Die Aufhebung der Internetblockade sei ein "ganz großes Signal" gewesen. Auch die Kurzwellensendungen der DW, die in der Vergangenheit immer wieder aktiv gestört wurden, seien wieder frei empfangbar. Dennoch mache der Premierminister mit seinen Reformen möglicherweise zu viele Baustellen auf einmal auf, meint Schadomsky. "Das ist ein wahnsinniges Reformtempo für einen sehr jungen Premier, der seinen Platz erst noch finden muss." Der Premier müsse starken Gegenwind aus dem mächtigen Sicherheitsapparat Äthiopiens befürchten. "Insofern werden wir jetzt sehr kritisch schauen müssen, wie viele der Reformpläne auch tatsächlich umgesetzt werden können."

Warten auf Asmara

Eine offizielle Reaktion Eritreas auf die Friedensgeste aus Äthiopien steht noch aus. Die Anerkennung des Friedensvertrags durch Äthiopien sei jedoch ein Durchbruch, weil es eine Perspektive für mehr Frieden und Sicherheit am Horn von Afrika gebe, sagt der Direktor der Gesellschaft für bedrohte Völker, Ulrich Delius, im DW-Gespräch. Zugleich könne es jedoch für den eritreischen Diktator Isaias Afwerki zum "trojanischen Pferd" werden. Zwar könne er nun einen diplomatischen Erfolg verbuchen, doch ohne die Bedrohung von außen fehle Afwerki die Rechtfertigung für die Beibehaltung der großen und teuren Armee, mit der er das Land kontrolliert. Mittelfristig werde sich Abiys Friedensgeste möglicherweise als "extrem geschickter Schachzug" herausstellen, "um seinen Nachbar Eritrea eher zu destabilisieren als zu stabilisieren."

Die UN-Mission in Äthiopien und Eritrea wurde nach acht Jahren aufgegebenBild: picture-alliance/dpa/AFP/P. Ugarte

Für Stabilisierung könnte eine Mission der Vereinten Nationen sorgen - so sieht es der 18 Jahre alte Friedensvertrag von Algier vor. Von 2000 bis 2008 waren bereits Blauhelmsoldaten im Grenzgebiet zwischen Äthiopien und Eritrea stationiert, um die Einhaltung des Vertrags zu überwachen. Doch zur Umsetzung fehlte beiden Parteien der politische Wille zur Beendigung der Feindseligkeiten. Dieser Wille müsse von beiden Regierungen formalisiert werden, sagt Äthiopien-Experte Martin Plaut. Danach könne die UN vermitteln. Am 20. Juni feiert Eritrea wie jedes Jahr den Tag der "Märtyrer", die im Konflikt mit Äthiopien ums Leben gekommen sind. Doch diesmal wollen Aktivisten den Feiertag für Friedenskundgebungen nutzen. "Sowohl die eritreische als auch die äthiopische Öffentlichkeit sehnen sich nach Frieden", sagt Martin Plaut. "Dieser Konflikt hat dauert schon viel zu lange gedauert."

Aarni Kuoppamäki Program Director Displacement and Crisis Preparedness
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