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Tauziehen um die Macht an der Themse

7. Mai 2010

Bei der Unterhauswahl hat keine der großen Parteien die absolute Mehrheit erzielt. Zünglein an der Waage sind nun die Liberaldemokraten. Entsprechend heftig begann der Machtpoker um den Einzug in die Downing Street.

Big Ben in London (Foto: AP)
Noch stehen alle Ampeln auf Rot in LondonBild: AP

Am Tag nach der Unterhauswahl hat der britische Premierminister Gordon Brown am Freitag (07.05.2010) seinen Anspruch bekräftigt, auch künftig die Regierung zu führen. Er machte den Liberaldemokraten ein Angebot für Gespräche über eine Zusammenarbeit. Er akzeptiere, dass deren Chef Nick Clegg zunächst mit dem Chef der Konservativen, David Cameron, sprechen wolle. Dabei sollten sich beide Seiten "so viel Zeit nehmen, wie sie brauchen". Jedoch stehe er danach für Verhandlungen bereit, sagte Brown vor dem Regierungssitz in London. Gleichzeitig betonte er die Gemeinsamkeiten mit den Liberalen. So wolle auch Labour eine Reform für ein "faireres Wahlsystem". Priorität der Parteien sei aber, die Wirtschaft zu stabilisieren.

David Cameron und seine Frau Samantha nach der StimmabgabeBild: AP

Die Liberaldemokraten haben schon vor der Wahl erklärt, dass sie nur bei Abschaffung des Mehrheitswahlrechts zu einer Koalition bereit seien. Dieses System benachteilige die kleineren Parteien. Allerdings sagte der Parteichef Clegg, die Option zur Regierungsbildung liege jetzt bei der stärksten politischen Kraft, der Konservativen Partei.

Auch Cameron buhlt um Liberaldemokraten

Auch die Konservativen werben um die Liberaldemokraten. Tory-Chef David Cameron sagte, er wolle den Liberaldemokraten "ein großes, umfassendes Angebot machen". Zwar stimmten die beiden Parteien in vielen Punkten nicht überein, darunter in ihrer EU- und Immigrations-Politik. Jedoch sehe er auch "viele Gemeinsamkeiten" mit den "Lib Dems". Eine politische Reform müsse auch eine Reform des Wahlsystems beinhalten, sagte Cameron und schlug einen parteienübergreifenden Ausschuss dazu vor. Er ließ aber offen, ob er den Liberaldemokraten eine Koalition mit Ministerposten anbieten würde. Auch würde er versuchen, eine Minderheitsregierung mit anderen Parteien zu bilden, sagte Cameron.

Er will sich im Amt halten: Premierminister Gordon Brown (mit seiner Frau Sarah)Bild: AP

Labour hatte bei der Wahl eine Schlappe eingesteckt und kann deshalb nicht alleine regieren. Die Konservativen haben zwar die meisten Sitze gewonnen, eine absolute Mehrheit aber auch verfehlt. Die Liberaldemokraten waren bei der Wahl drittstärkste Kraft geworden und sind nun das Zünglein an der Waage. Dem amtierenden Premier steht das Vorrecht bei der Regierungsbildung zu, wenn es keine eindeutigen Mehrheiten gibt.

Schlechtestes Labour-Ergebnis seit 1983

Nach Auszählung aller 650 Wahlkreise gewannen die oppositionellen Konservativen von Spitzenkandidat Cameron 98 Sitze hinzu und kommen auf 306. Die Labour-Partei von Premierminister Brown verlor 86 Mandate und fiel auf 258 Mandate zurück - ihr schlechtestes Ergebnis seit 1983.

Als größte Überraschung der Wahl gilt das Abschneiden der Liberaldemokraten. Die für sie günstigen Meinungsumfragen hatten die Erwartung geschürt, die Partei könne satte Stimmengewinne einfahren. Angesichts der Mandatsverluste nannte Clegg das Ergebnis enttäuschend. Seine Partei stellt künftig 57 Sitze, vier weniger als bisher. Mindestens 27 Mandate im neuen Unterhaus gehen an kleinere Parteien oder unabhängige Kandidaten. Erstmals gewannen die Grünen einen Sitz im Unterhaus: Im Wahlkreis Brighton Pavilion an der englischen Südküste setzte sich die Parteichefin Caroline Lucas durch.

Für die Regierungsbildung sind 326 der 650 Sitze notwendig. Weil keine Partei die absolute Mehrheit erzielt hat, wird Großbritannien erstmals seit 1974 entweder eine Koalitions- oder Minderheitenregierung bekommen.

Jetzt besonders umworben: Nick Clegg, Vorsitzender der LiberaldemokratenBild: AP

Pannen in mehreren Wahlbezirken

Die Wahlbeteiligung lag bei 65,3 Prozent gegenüber 61,4 Prozent bei der letzten Unterhauswahl 2005. In einigen Stimmbezirken kam es am Donnerstag aber zu Problemen und Pannen. Zwischenfälle wurden aus Milton Keynes, Sheffield, Newcastle und London gemeldet. Wähler berichteten, sie seien abgewiesen worden, als sich kurz vor Schließung der Wahllokale am späten Abend lange Schlangen gebildet hätten.

Das könne dazu führen, dass die Ergebnisse angefochten werden, erklärte die Vorsitzende der Wahlkommission, Jenny Watson. Sie sprach von einer "alten, klapprigen, viktorianischen Infrastruktur" für die Durchführung der Wahl. Die Wahlaufsicht kündigte eine Untersuchung an.

Termin für Thronrede gefährdet?

Eigentlich sind die Briten daran gewöhnt, dass sie innerhalb weniger Stunden nach der Wahl eine neue Regierung haben. Der Wahlsieger fährt traditionell am Tag nach der Wahl zur Queen, die ihn mit der Regierungsbildung beauftragt. Am 25. Mai ist die Thronrede angesetzt, bei der die Königin das Regierungsprogramm für das erste Jahr der Legislaturperiode verliest.

Autor: Naima El Moussaoui (apn, dpa, rtr, afp)
Redaktion: Stephan Stickelmann

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