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Politik

Tauziehen vor dem Ukraine-Gipfel in Paris

Roman Goncharenko
18. November 2019

Es tut sich was vor dem bevorstehenden Gipfeltreffen zur Ostukraine in Paris: Russlands Bedingungen sind erfüllt, ein Datum steht fest. In einer für Moskau entscheidenden Frage steigt der Druck auf Kiew aber.

Ukraine Konflikt in der Ostukraine | OSZE bei Bohdanivka
Unter OSZE-Beobachtung: Rückzug ukrainischer Soldaten aus der OstukraineBild: Reuters/O. Klymenko

Russland lässt sich Zeit. Die Bestätigung aus Moskau kam erst drei Tage, nachdem der 9. Dezember als Termin für das Gipfeltreffen im so genannten Normandie-Format in Paris von den anderen drei Teilnehmern - Deutschland, Frankreich und der Ukraine selbst - verkündet wurde. "Ja, das stimmt, die Vorbereitungen sind in der Abschlussphase", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag.

Durchbruch bei Vorbereitungen zum Normandie-Gipfel

Gleichzeitig übergab Russland der Ukraine im Schwarzen Meer drei Schiffe der ukrainischen Marine, die im November 2018 in der Straße von Kertsch vor der annektierten Krim mit Waffengewalt gestoppt und beschlagnahmt worden waren. Die Besatzungsmitglieder waren schon im September im Rahmen eines Gefangenenaustausches in die Ukraine zurückgekehrt. Die Übergabe der Boote gilt als ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Normandie-Gipfel, obwohl Moskau damit de facto nur eine Entscheidung des Internationalen Seegerichtshofs umgesetzt hatte.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas reiste am Montag nach Kiew, um über den Gipfel in Paris zu sprechen. Ein Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in Kiew ist ebenfalls angekündigt, allerdings ohne Datum. Am Montag sprach Macron mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Telefon über den kommenden Gipfel.

Warum der Pariser Gipfel wichtig ist

Das Normandie-Format bekam seinen Namen im Juni 2014, als der damalige ukrainische Präsident Petro Poroschenko am Rande der D-Day-Feierlichkeiten in der Normandie zum ersten Mal seit der Krim-Annexion seinen russischen Amtskollegen Putin traf. Als Vermittler fungierten der damalige französische Präsident Francois Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das bisher letzte Spitzentreffen liegt schon drei Jahre zurück. Grund für die Pause war die Weigerung Moskaus, weiter mit Poroschenko zu sprechen. Sein Nachfolger Wolodymyr Selenskyj signalisierte, dass er einen Durchbruch im Verhältnis mit Moskau und Frieden in der Ostukraine anstrebt. Selenskyj machte dabei klar, dass er Putin schnell persönlich treffen wolle und zu Zugeständnissen bereit sei.

Moskau stellt Bedingungen, Kiew gibt nach

Aus einem schnellen Treffen wurde nichts, weil Russland zwei Bedingungen stellte. Die erste betraf ein schriftliches Bekenntnis zu einem Lösungsansatz, den Moskau als "Steinmeier-Formel" beschreibt. Gemeint sind Vorschläge für die Umsetzung der Minsker Friedensvereinbarungen aus dem Jahr 2015; sie stammten vom damaligen Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Die ukrainische Regierung zögerte zunächst, stimmte Anfang Oktober aber zu - und löste damit eine Welle von Protesten auf ukrainischen Straßen aus. Die "Steinmeier-Formel" legt fest, dass das Gesetz über faktische Autonomie in den Separatistengebieten um Donezk und Luhansk temporär am Abend nach der Kommunalwahl in Kraft tritt. Sollten Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Ergebnisse der Wahl anerkennen, dann würde das Gesetz endgültig in Kraft treten. Wann diese Kommunalwahl stattfinden soll, ist offen.

Ein Jahr lang waren die ukrainischen Schiffe im Hafen von Kertsch festgesetztBild: Reuters/A. Dmitrieva

Die zweite Bedingung Moskaus war der Abzug von Truppen der ukrainischen Armee und der Separatisten an drei vereinbarten Orten. Dieser Abzug begann in Stanitsja-Luhanska im Juni, stockte dann jedoch. Die ukrainische Seite forderte eine umfassende Waffenruhe, konnte sich aber nicht durchsetzen. Am Ende entschied sich Kiew für einen Truppenabzug ohne vollständigen Waffenstillstand - Ende Oktober in Solote und Anfang November in Petriwske.

Warum der Druck auf die Ukraine zunimmt

Obwohl sie die Bedingungen für den Normandie-Gipfel erfüllt hat, steht die Ukraine zunehmend unter Druck. Das in der Steinmeier-Formel angesprochene Gesetz über die Autonomie der Separatistengebiete läuft Ende des Jahres aus. Präsident Selenskyj hat ein Nachfolgegesetz zwar versprochen, aber noch nicht vorgelegt. Man kann davon ausgehen, dass die Abstimmung im Parlament erneut Proteste auslösen würde. Für Moskau ist dieses Gesetz ein "Schlüssel" zur Lösung der ganzen Situation, sagt Putins Sprecher Peskow. Nach den jüngsten Entwicklungen sieht es so aus, als ob hinter den Kulissen um dieses Gesetz gerungen wird. Moskau scheint dabei die besseren Karten zu haben. So hat ein schon mehrmals von Kiew angekündigte weiterer Gefangenenaustausch, diesmal zwischen Kiew und den Separatisten, noch nicht stattgefunden.

Welche Rolle spielt der Gas-Transit?

Schließlich gab es vor dem Gipfel Spekulationen, wonach in Paris auch über den künftigen russischen Gas-Transit durch die Ukraine in die EU gesprochen wird. Der aktuelle Vertrag läuft zum Jahresende aus, Verhandlungen über ein neues Abkommen blieben bisher ohne Ergebnis, trotz EU-Vermittlung. Russland möchte, dass die Ukraine ihre Milliarden-Klagen vor internationalen Gerichten gegen den russischen Energiekonzern Gazprom zurückzieht. Kiew ging darauf bisher nicht ein. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Gas-Transit über die Ukraine in der Silvesternacht, ähnlich wie 2006 und 2009, unterbrochen oder ganz eingestellt wird.

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