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Tech-Milliardär Elon Musk legt sich mit Brasiliens Justiz an

8. April 2024

"Schande über Dich": US-Milliardär Musk wirft Brasiliens Oberstem Richter Verfassungsbruch und Zensur vor. Der juristische Showdown versetzt das Land in Aufruhr und löst eine neue Welle politischer Polarisierung aus.

Elon Musk vor dem X-Logo
Elon Musk wirft brasilianischem Verfassungsrichter unter anderem Zensur vorBild: Alain Jocard/AFP [M]

Ganz besonders hat Elon Musk es auf Alexandre de Moraes abgesehen, einen der zehn Richter am brasilianischen Verfassungsgericht(Supremo Tribunal Federal, STF).

"Warum fordern Sie so viel Zensur in Brasilien?", fragte er den Verfassungsrichter in einem Post am vergangenen Wochenende auf seiner Online-Plattform X, ehemals Twitter. 

Kurz danach warf er Moraes in einem weiteren Post vor, die brasilianische Verfassung zu verletzen und die Bevölkerung zu hintergehen. Er forderte: "Moraes sollte zurücktreten oder seines Amtes enthoben werden. Schande über Dich, Alexandre".

Damit nicht genug. Musk kündigte auch an, er werde sich über die Verordnungen der brasilianischen Justiz hinwegsetzen und die gesperrten Konten im Netzwerk wieder freischalten. 

Moraes hatte die Plattform X angewiesen, bestimmte Konten zu sperren - darunter auch die eines Bloggers und zweier Kongressabgeordneter. Schon seit längerem geht das Gericht gegen "digitale Milizen" vor, die Desinformation und Hetze im Netz verbreiten. Im Zuge der Ermittlungen ordnete Moraes die Schließung mehrerer Konten von Verdächtigen an. 

Justiz ermittelt gegen Musk

"Wir heben alle Restriktionen auf", so Musk. "Dieser Richter hat hohe Strafen verhängt, er hat damit gedroht, unsere Mitarbeiter zu verhaften und den Zugang zu X in Brasilien zu blockieren. Wir werden wahrscheinlich unsere Niederlassung in Brasilien schließen müssen, aber die Prinzipien sind wichtiger als der Gewinn."

Die Reaktion von Moraes ließ nicht lange auf sich warten. Er ordnete an, dass die Bundespolizei Ermittlungen gegen Musk wegen Behinderung der Justiz und Anstiftung zu Straftaten einleitet. 

Außerdem verfügte er, dass nun im Rahmen der Untersuchungen zur Existenz sogenannter antidemokratischer digitaler Milizen und deren Finanzierung auch gegen Musk ermittelt werde. 

Freudige Begrüßung: Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro (links) trifft Elon Musk bei einer Veranstaltung in Sao Paulo im Mai 2022 Bild: Kenny Oliveira/BRAZIL'S MINISTRY OF COMMUNICATION/AFP

"Mythos der Freiheit"?

Die Konfrontation zwischen Musk und Moraes sorgt für eine neue Polarisierung in Brasilien. Während die New York Times den Richter auf ihrem Titel als "Verteidiger der Demokratie" feierte, bezeichnete Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro Musk als "Mythos der Freiheit".

Bolsonaro rief seine Anhänger dazu auf, am 21. April an der Copacabana in Rio de Janeiro "für die Freiheit auf die Straße zu gehen". Bolsonaros Sohn Eduardo, Abgeordneter im brasilianischen Parlament, kündigte an, er wolle im Auswärtigen Ausschuss eine Anhörung zu den "Twitter Files und Zensur in Brasilien" mit Experten einberufen.

Verfasungsrichter Alexandre de Moraes: Für die einen "Verteidiger der Demokratie", für die anderen ein "Diktator, der die Verfassung bricht"Bild: EVARISTO SA/AFP

Streit um interne Twitter-Daten

Hinter dem Begriff "Twitter Files" verbirgt sich die Veröffentlichung ausgewählter interner X-Dokumente, die zwischen Dezember 2022 und März 2023 in dem Netzwerk veröffentlicht wurden. Musk übergab diese einigen Journalisten, darunter auch dem US-amerikanischen Autor Michael Shellenberger.

Der Klimaschutzskeptiker bezeichnet sich selbst als "libertären Aktivisten" und verteidigt kontroverse Positionen. Shellenberger wurde bereits mehrfach wegen der Veröffentlichung falscher Daten zu Umweltfragen angegriffen.

In einem Post auf X behauptete ernun, Brasilien stehe "am Rande einer Diktatur". "Das brasilianische Verfassungsgericht kann den Zugang zu Twitter jederzeit kappen. Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass Brasilien am Rand einer Diktatur steht, die von einem totalitären Verfassungsgericht ausgeht, das sich in den Händen des Richters Alexandre de Moraes befindet", schreibt er.

"Einseitige Zensur"

Shellenberger beschuldigt das höchste brasilianische Gericht, mehrere Rechtsverstöße begangen zu haben. So habe Moraes das Netzwerk verpflichtet, persönliche Daten von Nutzern herauszugeben, weil sie Hashtags veröffentlicht hätten, die Moraes "nicht gefielen".

Moraes habe außerdem Zugang zu den internen Daten des sozialen Netzwerks angefordert, was gegen die Richtlinien der Plattform verstoße. Er habe eine "einseitige Zensur" von Beiträgen brasilianischer Parlamentarier vorgenommen sowie versucht, das Netzwerk zur Bekämpfung von Anhängern des ehemaligen Präsidenten Jair Bolsonaro einzusetzen.

Der brasilianische Jurist Fernando Boscardin, der an der "School of Law" der Universität Miami unterrichtet, widerspricht. Es gehe Shellenberger nicht um freie Meinungsäußerung. "In Wirklichkeit will er die Regulierung von Social Media Plattformen nach europäischem Vorbild verhindern".

Gesetz gegen Fake News

In Brasilien steht laut Medienberichten nun die Abstimmung über ein Gesetz gegen Fake News im Kongress bevor. Der erste Entwurf stammt bereits aus dem Jahr 2020. Er war aufgrund des Widerstands der Tech-Konzerne und der Vertreter rechter Parteien mehrmals zurückgezogen worden, zuletzt im Mai 2023.

Aufgrund dieser Verzögerung erließ Brasiliens Oberstes Wahlgericht TSE am 27. Februar dieses Jahres mehrere Resolutionen mit Vorschriften für die bevorstehenden Kommunalwahlen am 6. Oktober. Diesen sehen vor, dass Wahlgerichte über "effiziente Instrumente verfügen, um Verzerrungen bei Parteienwerbung, Hatespeech, antidemokratischen Äußerungen oder bei dem Gebrauch von Künstlicher Intelligenz zu bekämpfen".

Machtkampf der Männer: US-Milliardär Elon Musk (links) hat den brasilianischen Verfassungsrichter Alexandre de Moraes (rechts) zum Rücktritt aufgefordertBild: Slaven Vlasic/Getty Images/La Nacion/Ton Molina/picture alliance/dpa

"Verstoß gegen nationale Souveränität"

Für die von der brasilianischen Tageszeitung O Globo befragten Fake-News-Experten gehen die jüngsten Äußerungen Elon Musks eindeutig zu weit. "Wenn ein Verstoß gegen die Verfassung vorliegen sollte, dann müsste Musk dies vor Gericht klären lassen", erklärt Juristin Yasmin Curzi, Professorin an der Universität Fundação Getulio Vargas in Rio de Janeiro.

Und sie fügt hinzu: "Die Ankündigung, sich über gerichtliche Anordnungen hinwegzusetzen, ist ein Verstoß gegen die nationale Souveränität".

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