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Teheran lockt Investoren

1. November 2016

Zum ersten Mal seit dem Ende des Atomstreits hat der Iran milliardenschwere Aufträge für seinen Öl- und Gassektor ausgeschrieben. Experten halten die von Teheran geplanten Investitionspläne für ambitioniert.

Iran Khuzestan Wachmann vor dem petrochemischen Komplex Mahshahr
Bild: picture-alliance/dpa/A. Taherkenareh

Die jahrelangen Sanktionen des Westens haben ihre Spuren im Iran hinterlassen. Besonders in der Schlüsselbranche des Landes, dem Öl- und Gassektor. Dort fehlt es an allen Ecken und Enden: Neue Vorkommen müssen erschlossen, Förderanlagen modernisiert und auf aktuelle Fördertechniken umgestellt werden. Denn nur so können Erdöl- und Erdgas-Lagerstätten möglichst lange und effektiv ausgebeutet werden. Außerdem muss massiv in die Weiterverarbeitung investiert werden. Der Iran ist zwar einer der größten Rohölexporteure der Welt, muss aber gleichzeitig Benzin importieren. Denn die veralteten Raffinerien aus der Zeit des Schah sind marode und können seit Jahren mit dem Bedarf nicht mehr Schritt halten.

Jetzt soll alles ganz schnell gehen. Noch bis Mitte November haben ausländische Investoren Zeit, sich um Aufträge zu bewerben. Und nach Informationen des Ölministeriums in Teheran soll bereits am 7. Dezember bekanntgegeben werden, welche Unternehmen zum Zuge kommen.

Für die komplette Modernisierung seiner Öl-, Gas- und petrochemischen Industrie peilt Teheran bis 2020 bis zu 150 Milliarden US-Dollar an Direktinvestitionen aus dem Ausland an.

Bau einer Gaspipiline vom Iran in den IrakBild: IRNA

Besonders den europäischen Erdgasmarkt hat man im Blick. Dort ist Russland, das aktuell rund 1,6 Milliarden Kubikmeter pro Tag fördert, der größte Gas-Lieferant. Man wolle zwar in Europa weder zum Konkurrenten noch zu einer Alternative zu Russland werden, betont der stellvertretende Ölminister Hamid-Resa Araghi. Trotzdem, so der Vize-Minister, wolle sein Land die Erdgasproduktion innerhalb der nächsten vier Jahre von derzeit 600 Millionen auf 1 Milliarde Kubikmeter pro Tag erhöhen. Und dann wäre der Iran in der Lage, Europa mit 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr zu versorgen, gibt sich Araghi optimistisch.

Größerer Anteil am Kuchen in Europa

Für Eugen Weinberg sind diese Zahlen mit Vorsicht zu genießen. Denn, davon ist der Rohstoffexperte der Commerzbank überzeugt, Investoren werden nicht Schlange stehen, um im Reich der Mullahs zu investieren. Doch selbst wenn man mehr Erdgas fördere, dann müsse dieses Gas auch einen Abnehmer finden. "Insbesondere bei Gas muss die ganze Infrastruktur entstehen, die gesamte Kette von der Produktion über den Transport bis zum Weitertransport in Form von Flüssiggas oder Pipelinegas. Da müssen Pipelines gebaut werden, die direkt zum Abnehmer führen. Und da sehe ich schon ein Problem, weil der europäische Markt unter mehreren Anbietern hart umkämpft ist."

Flüssiggas-Produzenten aus Katar sowie die traditionellen Gas-Anbieter aus Norwegen, den Niederlanden und Russland teilen den europäischen Markt, der hart umkämpft ist und seit Jahren stagniert, im Wesentlichen unter sich auf. "Dazu kommen die nordafrikanischen Gas-Produzenten und andere, neu entstehende Flüssiggasanbieter, beispielsweise die USA", unterstreicht Rohstoff-Experte Weinberg im Gespräch mit der DW.

Auch Leon Leschus vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) schätzt die Milliarden-Summen an Auslandsinvestitionen, von denen in Teheran die Rede ist, als wenig realistisch ein. Die von der iranischen Regierung anvisierten bis zu 50 Milliarden US-Dollar an ausländischen Direktinvestitionen pro Jahr habe das Land nicht einmal in den vergangenen 25 Jahren insgesamt an ausländischen Direktinvestitionen erhalten.

Rohstoffexperte Eugen WeinbergBild: Eugen Weinberg

Eugen Weinberg rechnet außerdem damit, dass wegen der zunehmenden Konkurrenz neuer Förderländer weder beim Erdöl noch beim Erdgas "die Bäume in den Himmel wachsen".

Technologien wichtiger als Rohstoffe

Eigentlich, so meint er, gehörten die Anstrengungen und Bestrebungen des Iran in die Welt von gestern, denn die neue Welt sei vor allem auf Technologien angewiesen und nicht auf Rohstoffe. Der Anteil von Rohstoffen an der künftigen Wirtschaftsleistung, dem BIP, werde tendenziell weiter abnehmen und damit auch die Intensität des Rohstoffverbrauchs in den kommenden Jahren weiter abnehmen. Deswegen wäre die Islamische Republik Iran gut beraten, nicht nur in Öl und Gas zu investieren, sondern in Zukunftstechnologien und - wie andere Förderländer auch - einen Zukunftsfonds aufzulegen für die Zeit nach dem Öl. Und die kommt wohl eher als gedacht, weil die Weltwirtschaft in den kommenden zehn Jahren ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen immer weiter reduzieren werde, so Weinberg:.

"Ich bin davon überzeugt, dass wir uns in zehn Jahren nicht mehr über das Maximum der Ölproduktion unterhalten, sondern über das Maximum der Ölnachfrage sprechen, die nicht mehr weiter wächst, die nicht mehr weiter zunimmt, weil der Markt gesättigt sein wird."

 

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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