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PolitikAsien

Teheran, Taliban und der Konflikt ums Wasser

8. September 2021

Ein alter Streit um Wasserrechte könnte zur ersten Bewährungsprobe für die von Teheran angestrebte pragmatische Zusammenarbeit mit den Taliban werden.

Der Kamal-Khan-Staudamm an der Grenze zum Iran
Der Kamal-Khan-Staudamm an der Grenze zum IranBild: Presidential Press Office of Afghanistan

"Mit den Taliban an der Macht wird die Situation an der Grenze nicht besser werden", sagt der iranische Umweltexperte Nik Kowsar im Gespräch mit der Deutschen Welle. Kowsar lebt derzeit in Washington, D.C, und recherchiert über die Folgen des Klimawandels in der Großregion Syrien, Irak, Iran und Afghanistan. "Der Klimawandel begünstigt Extremismus und Terrorismus. Anhaltende Dürre und schlechtes Wasser-Management treiben verzweifelte Bauern in die Arme von Rebellengruppen und gewalttätigen Extremisten wie den Taliban. In Afghanistan sind letztere nun an der Macht und stehen vor gewaltigen Umweltproblemen."

Ein seit über 100 Jahren währender Konflikt zwischen Iran und Afghanistan könnte bald wieder an Schärfe zunehmen: Der Streit um das Wasser des Flusses Helmand. Der Helmand ist der längste Fluss Afghanistans; er entspringt nahe Kabul in der westlichen Gebirgsfortsetzung des Hindukusch und verläuft in südwestlicher Richtung durch Wüstengebiete, bevor er nach insgesamt etwa 1100 Kilometern in den Hamun-See an der Grenze zum Iran mündet, auf dessen Territorium sich der größere Teil des Sees befindet. Der abflusslose Hamun-See ist der größte Süßwassersee im Iran und hat große Bedeutung für Umwelt und Wirtschaft der Region.

Der Hamun-See wurde 2016 von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärtBild: Irna

Die iranische Provinz Sistan und Belutschistan an der afghanischen Grenze ist eine der ärmsten des Iran. Wegen anhaltender Dürrer und schlechten Wassermanagements in der Landwirtschaft ist Wasser sehr knapp. Nach Angaben des iranischen Parlaments haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten 25-30 Prozent der Bevölkerung die Region aufgrund der Wasserknappheit verlassen und sind in die Vororte der Städte anderer Regionen gezogen. 

Neue Bewegung durch Taliban-Regierung?

Der Iran wirf Afghanistan vor, Wasserrechte zu verletzten. Deutlich weniger als die 1973 vertraglich vereinbarte Wassermenge fließe in den Iran. Afghanistan dementiert das. Allerdings hat die afghanische Regierung direkt an der Grenze zum Iran den Helmand-Fluss gestaut. Der Kamal-Khan-Staudamm wurde nach langer Bauzeit im März dieses Jahres eröffnet. Teheran behauptet, die Abflussmenge des Helmand-Flusses werde durch den Damm erheblich verringert. 

Seit der Machtübernahme der Taliban soll angeblich wieder mehr Wasser in den Iran fließen, berichten einige lokale iranische Medien. Die Taliban sollen zusätzliche Abflüsse am Kamal Khan-Staudamm geöffnet haben, aber bislang gibt es hierfür keine offizielle Bestätigung aus Teheran oder Kabul.

"Ich kenne das Problem seit langem", sagt der afghanische Umwelt-Experte Dad Mohammad Bahir im Gespräch mit der Deutschen Welle aus Kabul. Bahir war unter Präsident Hamid Karsai Leiter der afghanischen Wasserbehörde.

Taliban stehen vor gewaltigen Umweltproblemen

"Unsere Ressourcen sind begrenzt und Afghanistan braucht sie selbst. Momentan haben wir keine funktionierende Umweltbehörde. Viele meiner Kollegen haben das Land verlassen. Die Taliban verstehen wenig von Umweltproblemen und möchten in erste Linie mit Leuten zusammenarbeiten, die ideologisch so denken wie sie. Dabei haben wir viele ernste Problem und sind auf enge Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn angewiesen."

Hoffnung auf grenzüberschreitende Kooperation

Im Februar 2021 hatten Teheran und Kabul sich auf einen Fahrplan zur Verständigung über die Aufteilung des Wassers aus dem Helmand-Fluss im Wasserstreit geeinigt: Mit der Installation von hydrometrischen Stationen soll geklärt werden, wie viel Wasser vom Helmand tatsächlich in den Iran fließt. 

"Wir brauchen den fachlichen Austausch mit unseren Nachbarländern, um eine nachhaltige und gute Lösung für beide Seiten zu finden", fügt der Experte Dad Mohammad Bahir hinzu. Ob sich nun in Kabul jemand um den Wasserkonflikt mit dem Iran kümmert, ist unklar. Wie die Taliban mit den knappen Wasserressourcen des Landes umgehen werden, ist für viele Afghanen überlebenswichtig.

Mit dem Kamal-Khan-Staudamm wollte die afghanische Regierung den Landwirten in der Provinz Nimrus auch in der Trockenzeit Wasser für konstante Bewässerung liefern, außerdem sollte die Provinz dadurch eine eigene Versorgung mit Strom erhalten, der bislang aus dem Iran importiert wird. 

Der Hamun-See wurde 2016 von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt. Damit verbunden ist die Zielsetzung einer nachhaltigen Entwicklung in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht.

Aufgrund der Wasserknappheit hat mehr als ein Viertel der Bevölkerung die Region verlassenBild: Tasnim

Um dies zu unterstützen wurde dem Iran laut der Agentur IRNA im April 2020 finanzielle Unterstützung der Europäischen Union und des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen im Umfang von zehn Millionen Euro zugesagt. Binnen fünf Jahren soll damit unter anderem die Lebensqualität der lokalen Bevölkerung verbessert werden. Voraussetzung dafür ist eine gütliche Einigung mit den neuen Herrschern in Kabul über die Aufteilung des Wassers des Helmand. Teheran hofft durch pragmatische Zusammenarbeit mit den Taliban zu einer Lösung zu kommen. 

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