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Politik

Teheran will anti-israelische Front stärken

16. Januar 2021

Der Iran sieht sich durch die Entwicklungen am Golf und im Nahen Osten an den Rand gedrängt. Er verstärkt deshalb seine Beziehungen zur Hamas und Hisbollah.

Iran l Saleh al-Arouri besucht iranische Revolutionsführer Ajatollah Khamenei
(Archiv) Hamas Anführer Saleh al-Arouri besucht iranischen Revolutionsführer Ajatollah Khamenei Bild: Fars

Das Plakat war unübersehbar. Groß und deutlich prangte das Konterfei von Kassem Soleimani, des ehemaligen Kommandeurs der iranischen Al-Kuds-Brigaden, auf einer Hauswand in Gaza-Stadt. Das sei unerträglich, dachte sich offenbar Majdi al-Maghribi, ein Bürger des palästinensischen Küstenstreifens, und riss das Plakat kurzerhand ab. Kurz darauf wurde er von Sicherheitskräften verhaftet, wie der saudische Nachrichtensender Al-Arabiya Ende Dezember 2020 berichtete.

Die im Gazastreifen regierenden Hamas hatte Ende des Jahres mit vielen Plakaten an die Tötung des iranischen Top-Militärs durch eine US-Drohne Anfang Januar 2020 erinnert. Eines von ihnen zitierte aus der Rede, die Hamas-Chef Ismail Haniyeh bei der Beerdigung Soleimanis gehalten hatte: "Der Märtyrer, Kommandeur Soleimani, der sein Leben lang den Widerstand unterstützte, ist ein Märtyrer für Jerusalem".

Schulterschluss Hamas - Hisbollah

Ebenso wie die Plakatierungsaktion zur Erinnerung an das Schicksal Soleimanis hatte schon ein Treffen zwischen Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah und Hamas-Chef Haniye im vergangenen September einen verstärkten Schulterschluss zwischen Iran und Hamas signalisiert. Die schiitische Hisbollah-Miliz ist der verlängerte Arm des Iran im Libanon und erklärter Feind Israels. Ein solches Treffen des versteckt lebenden Nasrallah ist für sich schon außergewöhnlich. Thema der Unterredung waren laut der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu "die Gefahren, die der Sache der Palästinenser drohen", vor allem durch den Nahostplan, den US-Präsident Trump Anfang 2020 als sogenannten "Jahrhundertdeal" vorstellte und die Normalisierungsprojekte arabischer Staaten mit Israel.

Hisbollah-Chef Sayyed Hassan Nasrallah Bild: picture-alliance/dpa/N. Mounzer

Ebenfalls habe man über die "starken Beziehungen" zwischen der Hisbollah und der Hamas gesprochen, heißt es in der von Anadolu zitierten Erklärung nach dem Treffen weiter. Diese ruhten auf "Glaube, Brüderlichkeit, dem Dschihad und einem gemeinsamen Schicksal". Zudem auch habe man "Mechanismen der Kooperation und Koordinierung"  erörtert.

Traditionelle Unterstützung der Hamas durch den Iran

Die Beziehungen der Hamas zum Iran laufen nicht nur über die Hisbollah. Die Zuwendungen aus dem Iran machten zu Beginn der 2000er Jahre rund ein Viertel des gesamten Budgets der Hamas aus. Ende November vergangenen Jahres berichtete der ehemalige Außenbeauftragte der Hamas, Mahmoud al-Zahar, dem arabischen Mediennetzwerk Al-Alam von seiner Reise in den Iran im Jahr 2006. Dort habe er Soleimani von der Finanznot der Hamas erzuählt. Sie könne ihre Angestellten nicht mehr bezahlen. "Soleimani hat umgehend reagiert", so al-Zahar weiter. "Am nächsten Tag wurden mir 22 Millionen US-Dollar übergeben, eingepackt in Koffern, von denen jeder 40 Kilo wog. Da wir nur zu neun Personen waren, konnten wir weitere Koffer nicht tragen."

Zudem schickte der Iran auch Waffentechnik in den Gazastreifen, mit dessen Hilfe sich unter anderem auch kleinere Raketen bauen lassen, die bis nach Israel reichen. Parallel dazu übernahm die Hisbollah die militärische Ausbildung von Hamas-Kämpfern.

Annäherung der Hamas an das Assad-Regime

Während der Iran seine Beziehungen zu den israelfeindlichen Organisationen Hamas und Hisbollah verstärkt, unterstützt er gleichzeitig die Wiederannäherung der Hamas an das Regime von Baschir Assad in Syrien. Diese Beziehungen  hatten sich im Jahr 2011 verschlechtert. Damals ging die Palästinenserorganisation wie viele andere arabische Staaten und Akteure  wegen der brutalen Antwort auf die regimekritischen Kundgebungen auf Distanz zu Assad. "Die Bemühungen, die Beziehungen zwischen der Hamas und Syrien wiederherzustellen, gehen in eine gute Richtung und werden bald auch zum Erfolg führen", zitierte das Internetmagazin "Al-Monitor" dieser Tage ein namentlich nicht genanntes Mitglied des iranischen Parlaments. Die syrische Regierung wie auch die anderen Partner Irans hätten nach der Tötung Soleimanis wie auch des iranischen Atomphysikers Mohsen Fakhrizadeh im November vergangenen Jahres erkannt, "wie groß die Gefahr für ihre Region" sei.

(Archiv) Hisbollah-Anhänger in BeirutBild: picture alliance/dpa/M. Naamani

Volatile Lage am Golf

Dass der Iran die sogenannte schiitische "Achse des Widerstands" gegen Israel und USA unter Einbeziehung der sunnitischen Hamas derzeit so entschlossen fördert, weist zum einen darauf hin, dass die Regierung in Teheran die Auseinandersetzung mit den USA und Saudi-Arabien in der Golfregion sehr ernst nimmt. Mitte vergangener Woche begann der Iran ein Seemanöver im Persischen Golf und im Golf von Oman. Dem staatlichen iranischen Sender IRIB zufolge wurde dabei unter anderem auch ein neues Raketenschiff präsentiert. Käme es zu einer Konfrontation am Golf, könnten, so offenbar das Kalkül Teherans, Angriffe der Verbündeten - auch gegen Israel - für Entlastung sorgen. Nasrallah hat wiederholt erklärt, dass die Hisbollah Angriffen auf den Iran nicht tatenlos zusehen würde.

(Archiv) Huthis-Rebellen in JemenBild: picture-alliance/AP Photo/W. Qubady

Zum anderen deutet die Stärkung der Beziehungen zu Hisbollah und Hamas darauf hin, dass Teheran nicht auf eine Annäherung an die USA setzt, auch wenn demnächst Joe Biden Präsident ist. Dass der scheidende US-Außenminister Mikeo Pompeo die jemenitischen Huthis, einen Verbündeten Teherans, auf die US-Terrorliste setzen will, sorgt in Teheran zusätzlich für Beunruhigung.

Andererseits zeigt die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Katar, dass der politische Wille festgefahrene Verhältnisse auflösen kann. Ein Gesprächsangebot aus Iran an die Golfstaaten ist schon ergangen. Eine weitere Entspannung - und damit auch das Verhältnis des Irans zu seinen schiitischen Verbündeten - dürfte auch von den Signalen aus Washington abhängen.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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