Terror in Afghanistan: Wer ist IS-K?
26. August 2021Was viele befürchtet hatten, ist eingetreten: Bei Anschlägen am Flughafen in Kabul wurden etliche Menschen getötet. Die Attacke reklamierte inzwischen der afghanische Ableger der Terrororganisation "Islamischer Staat", IS-K, für sich. Das K steht für Khorasan, eine historische Region in Zentralasien, die auch Afghanistan umfasst.
Ein Angriff auf den Flughafen, hatten ehemalige und aktive US-Beamte der New York Times schon vor dem Angriff gesagt, wäre ein strategischer Schlag des IS sowohl gegen die USA als auch die Taliban, deren Führung zu demonstrieren versuche, dass sie das Land kontrollieren könne.
Schon als US-Präsident Joe Biden am Dienstag erklärte, trotz des Drängens seiner Verbündeten die Evakuierungsoperation am Flughafen Kabul am 31. August abzuschließen, führte er nicht die Taliban als Grund an, sondern den IS: "Jeder Tag, den wir dort bleiben, ist ein neuer Tag, an dem wir wissen, dass IS-K den Flughafen ins Visier nehmen und sowohl Amerikaner als auch Alliierte und unschuldige Zivilisten attackieren will", hatte Biden im Weißen Haus gesagt. Und ergänzt, die Terrormiliz sei ein "erklärter Feind" der militant-islamistischen Taliban.
Kämpfe unter Dschihadisten
Tatsächlich bekämpfen sich beide Gruppen schon lange in blutigen Gefechten. Und auch am Donnerstag hatten Nachrichtenagenturen schon vor den Explosionen unter Berufung auf Militärkreise berichtet, die Taliban sollen an ihren Kontrollstellen im Umfeld des Flughafens mehrere Attentäter des IS abgefangen und getötet haben. Umgekehrt sollen bei dem Bombenanschlag auch mehrere Taliban-Wachen umgekommen sein.
Ideologische Gräben trennen beide Gruppen. Der IS folgt der salafistischen Richtung des Islam; die Taliban der konservativen Deobandi Schule. Der IS-K strebt ein Kalifat an, das sich von Südasien bis nach Zentralasien und erstreckt; die Taliban wiederum geben sich - zumindest erstmal - mit einem Emirat in Afghanistan zufrieden. Und weil dem IS-K die Auslegung der Scharia durch die Tabilian obendrein nicht streng genug ist, gelten sie ihm als "Abtrünnige". Erst recht, seit die Taliban mit den USA ein Friedensabkommen geschlossen haben. Damit hätten die Taliban die Ziele des Dschihad verraten, schäumten die IS-Terroristen. Symptomatisch auch: Nachdem die Taliban vor zwei Wochen in Kabul einmarschierten, hatten unterschiedlichste Dschihadistengruppen den Islamisten gratuliert. Der IS nicht. Der kündigte stattdessen an, den Kampf fortzusetzen.
Der IS in Afghanistan, IS-K, soll sich laut einem UN-Bericht vom 15. Juli auf geschätzt 500 bis 1500 Kämpfer stützen können. Die Gruppe habe ihre Positionen in und um Kabul verstärkt, wo sie auch die meisten Angriffe verübe. Die Gruppe hoffe, Angehörige der Taliban zu rekrutieren, die das Abkommen mit den USA ablehnen.
Außerdem setze der IS darauf, Kämpfer aus Syrien, dem Irak und anderen Konfliktzonen aufnehmen zu können. Laut einem weiteren UN-Bericht von Anfang Juni sollen zwischen 8000 und 10.000 ausländische Kämpfer in Afghanistan sei.
Lange Spur blutiger Anschläge
In diesem Jahr hatte der IS-K bereits eine blutige Spur von Terrorattacken gelegt: Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Afghanistan, UNAMA, hat allein für die ersten vier Monate dieses Jahres 77 Angriffe von Seiten des IS gezählt - dreimal so viel wie im Vergleichszeitraum letzten Jahres. In einem dem IS von den USA zur Last gelegten Autobombenanschlag etwa wurden Anfang Mai in einer vorwiegend von schiitischen Mädchen besuchten Schule in Kabul 85 Menschen getötet und fast 300 verletzt. Einen Monat später überfielen IS-Kämpfer in der nördlichen Provinz Baghlan Mitarbeiter einer internationalen Nichtregierungsorganisation für Minenräumung, HALO Trust. Zehn Menschen wurden erschossen. Lokale Taliban hätten die Minenräumer unterstützt und die Angreifer vertrieben, sagte der CEO von Halo-Trust der BBC später - und stützte damit das Bild der Feindschaft zwischen beiden Gruppen.
Der IS-K hatte seine Waffen spätestens 2017 gegen die Taliban gerichtet. Damals hatten IS-Kämpfer die Taliban aus der Bergfestung Tora-Bora vertrieben. In dem tief verbunkerten Tunnelsystem hatte einst Al-Kaida Chef Osama bin-Laden Unterschlupf vor den Angriffen der Amerikaner gesucht.
IS-K ging ursprünglich aus pakistanischen Islamisten der Gruppe Tehrik-e Taliban Pakistan, TTP, hervor. Die waren wegen des Verfolgungsdrucks in Pakistan über die Grenze nach Afghanistan geflüchtet und hatten im Oktober 2014 dem Islamischen Staat unter dem mittlerweile getöteten IS-Chef Bagdadi die Treue geschworen. Im Frühjahr 2015 nahm der IS die Terroristen offiziell auf und gab seine Ausdehnung nach Zentralasien bekannt, als IS-K.
Damals war der IS in Irak und Syrien auf dem Höhepunkt seiner Macht. Und er konnte seinen Ableger in Afghanistan finanziell und personell unterstützen. Diese Unterstützung ist mittlerweile weitgehend ausgetrocknet. Aber nach Einschätzung der UN-Experten hält die in den Untergrund abgetauchte IS-Führung in Syrien und im Irak weiterhin Kontakt mit IS-K.