1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAfrika

Terror in der Sahelzone: Niger wehrt sich

Martina Schwikowski
13. Juli 2021

Dschihadisten aus Mali überfallen Dörfer in den Nachbarländern - Niger will mit moderner Technologie das Vordringen dieser Milizen bekämpfen. Auch Dialog steht als Mittel für einen Frieden zur Debatte.

Symbolbild Niger Soldat
Bild: Ludovic Marin/AFP/Getty Images

Terroristische Angriffe in den Ländern der Sahelzone gehören für ihre Bewohner fast schon zum Alltag: Sie leben in ständiger Angst vor Gewalt durch mutmaßliche Dschihadisten, die besonders in dem Dreiländereck Niger, Mali und Burkina Faso Orte überfallen und Menschen töten. Vor wenigen Tagen griffen etwa 100 bewaffnete Milizen in der Region Tillabéri das Dorf Tchoma Bangou im Bezirk Ouallam an der Grenze zu Mali und Burkina Faso an. Dabei starben fünf Zivilisten, vier Soldaten und 40 Terroristen.

Den Gegenschlag der nigrischen Armee zum Abwehren der feindlichen Attacke lobt die Regierung als schnelle Reaktion. Aber die Gefahr neuer Überfälle lauert. Wie können sich die Staaten in der Sahelzone gegen die zunehmenden Terrorgruppen, die aus Mali über die Grenzen in die Nachbarländer drängen, erfolgreich zur Wehr setzen?

Niger: In der Region Tillabéri haben Dschihadisten Dorfbewohner überfallen und getötet.Bild: BOUREIMA HAMA/AFP

Niger: Gute Ausgangsposition im Kampf gegen Terror

In Niger starben in diesem Jahr bereits mehrere hundert Menschen durch islamistischen Terror. Der im Februar gewählte Präsident Mohamed Bazoum trat mit einer instabilen Sicherheitslage in seinem Land ein schweres Erbe an. Dennoch hat er laut Thomas Schiller - Leiter des Regionalprogramms Sahel bei der Konrad-Adenauer-Stiftung im malischen Bamako - eine bessere Ausgangsposition im Kampf gegen Terror: "Präsident Bazoum hat im Vergleich zu vielen anderen Staaten der Region eine vergleichsweise stabile Regierungskoalition geerbt, in Mali ist es schlimmer: Dort gibt es eine politische Krise, die sich zu der Sicherheits- und Entwicklungskrise des Landes hinzufügt. Das ist in Niger überhaupt nicht der Fall. Deswegen hat Präsident Bazoum durchaus Handlungsspielräume, die es in anderen Ländern nicht gibt", sagt Schiller im DW-Interview.

Allerdings sei Niger mindestens genauso schwer von terroristischen Attacken getroffen wie die Nachbarstaaten, zum Beispiel Tschad oder Mali. Es könne auf jeden Fall nicht sein, dass es so weitergehe wie bisher, das gelte auch für die internationale Gemeinschaft, fügt Schiller hinzu. Frankreich hatte bereits im Juni angekündigt, nach einem Putsch in Mali den seit acht Jahren laufende Anti-Terror-Einsatz "Operation Barkhane" zu beenden. Auf dem G5-Sahel-Gipfel am 9. Juli kündigte er an, die Militärbasen in Nord-Mali zu schließen und den Kampf gegen Dschihadisten mittelfristig auf die europäische Eingreiftruppe Takuba übertragen zu wollen.

Dschihadisten verüben Hunderte von Anschlägen jeden Monat in der Grenzregion von Mali, Burkina Faso und Niger.

Ist das Vorgehen der Partnerländer wirksam?

Präsident Bazoum sicherte sich bei seinem Deutschland-Besuch Anfang Juli die Unterstützung der Bundesregierung angesichts der Zunahme des Terrorismus in den G5-Sahelstaaten - dazu gehören neben Niger auch Mali, der Tschad, Burkina Faso und Mauretanien. Die Bundeswehr hat in Mali mehrere Hundert Soldaten stationiert. Bazoum forderte jedoch keine zusätzliche Soldaten an, sondern er setzt auf bessere Technologie: Mehr Aufklärungsflugzeuge, und Erkennungsgeräte, damit Terroristen im Anmarsch rechtzeitig entdeckt werden können.

Sind die militärischen Maßnahmen und das Vorgehen der EU an der Seite der Sahel-Länder in der Region wirksam genug? Darauf sagt Angel Losada, der Sonderbeauftragte der Europäischen Union für die Sahelzone, im DW-Gespräch: "Es ist wahr, dass wir mit dem, was geschieht, nicht zufrieden sein können. Aber trotz allem hat sich der Kampf gegen den Terrorismus in der Region sehr positiv ausgewirkt und vor allem, so glaube ich, auch dank der Gründung der G5-Sahelzone, die es zumindest den fünf Ländern ermöglicht hat, eine gemeinsame Vision zu haben".

Dialog als Mittel für Frieden

Wie sieht die Vision aus? DW-Journalist Bob Barry sagt, dass in den vergangenen fünf Jahren Vorschläge zum direkten Dialog zwischen dem malischen Staat und den dschihadistischen Gruppen gemacht worden seien, angefangen mit der Konferenz der nationalen Verständigung. "Diese Empfehlung wurde bereits 2015 unter der Regierung des ehemaligen Präsidenten Boubakar Kaita ausgesprochen, um mit dem Salafisten Ag Ghali und dem Prediger Amadou Koufa in Dialog zu treten. Und die Militärs, die seit August an der Macht sind, haben klar ihre Absicht zum Dialog mit den Dschihadisten erklärt."

Nigers Präsident Bazoum sicherte Technologie-Hilfe im Kampf gegen Terror bei seinem Deutschland-Besuch im Juli.Bild: Presse- und Kommunikationsdienst der Präsidentschaft von Niger

Im benachbarten Burkina Faso stehe die Regierung von Roch Marc Kaboré der von einigen lokalen Initiativen unterstützten Dialog-Option eher skeptisch gegenüber. Der Präsident habe laut Barry seinem Vorgänger Blaise Compaoré oft vorgeworfen, die salafistischen Einheiten genährt zu haben, die nun auf burkinischem Gebiet Massenverbrechen begehen. "Doch trotz der Härte der Behörden mehren sich die Dialoginitiativen vor Ort. So haben religiöse Führer Kontakte zu bewaffneten Gruppen gehabt und führen derzeit Verhandlungen mit ihnen", sagt Barry.

Staaten sollten besser für ihre Bürger sorgen

Für KAS-Leiter Thomas Schiller in Bamako werden Dialoge wichtig bleiben: "Die allermeisten dieser Gruppen haben - auch wenn sie ein terroristisches Etikett haben - zumeist eine sehr lokale Verankerung. Die Strukturen sind sehr undurchsichtig von außen. Es geht häufig um lokale Konflikte. Deswegen wird Dialog immer ein Weg sein müssen. Aber auf Dauer geht es vor allem darum, dass der Staat seine Aufgaben wahrnimmt, dafür gibt es ihn."

Eine funktionierende Zentralverwaltung und Basis-Dienstleistungen für die Bürger, das sei das Entscheidende und garantiere dann auch die Zustimmung der Bürger zu ihrem Staat. Schiller: "Der Dialog allein wird es nicht machen, so wie man es sich vielfach in Europa vorstellt. Sondern es geht darum, echte staatliche Strukturen in den Regionen zu haben, die es ermöglichen, dass sich Bürger mit ihrem Staat identifizieren können und damit auch der lokale Zufluss für bewaffnete Gruppen jeglicher Art austrocknet."