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Die Kultur im Visier

H. Mund, S. Wünsch, S. Cords, M. Strauß16. November 2015

Als die Attentäter Paris terrorisieren, steht auch der Konzertsaal Bataclan auf ihrer Liste. Schon häufig wurden Anschläge auf kritische Kulturschaffende und Kulturstätten verübt. Wir blicken zurück.

Eagles-of-Death-Metal-Konzert im Bataclan vor den Anschlägen
Das Konzert der "Eagles of Death Metal" am 13.11.2015 kurz vor den AnschlägenBild: Getty Images/AFP/M. Ruszniewski

Das Konzert der US-amerikanischen Bluesrockband "Eagles of Death Metal" war ausverkauft: In dem 1500 Zuschauer fassenden Saal Bataclan in Paris (Titelbild) standen die Leute am 13. November 2015 dicht gedrängt. Als drei Männer mit Kalaschnikows die Konzerthalle stürmten, brach Panik aus. Die Attentäter erschossen 89 Menschen, zahlreiche weitere wurden verletzt.

Die "Eagles of Death Metal" nehmen mit ihren Liedern den klassischen Rock'n'Roll auf die Schippe. Im Bekennerschreiben heißt es, Vertreter des "Islamischen Staats" hätten sich die Konzerthalle ausgesucht, weil sich dort "Götzendiener zu einer verwerflichen und perversen Feier" getroffen hätten. Zudem hat das Bataclan jüdische Besitzer. Ob die Attentäter deswegen den Saal bewusst angriffen, bleibt aber Spekulation.

Grausame Enthauptung

Im August 2015 enthaupteten IS-Kämpfer den früheren Antiken-Direktor von Palmyra. Die Dschihadisten banden Khaled Asaad auf dem Museumsvorplatz an einen Mast, den abgeschlagenen Kopf mit der Brille legten sie dem Körper zu Füßen. Asaad hatte mehr als ein halbes Jahrhundert lang die antiken römischen Stätten in der syrischen Wüstenstadt geleitet. Nach dem Einmarsch der Terrormiliz im Mai weigerte er sich, seine Heimatstadt zu verlassen.

Antiken-Direktor Khaled AsaadBild: picture alliance/AP Photo

Angriff auf das Nationalmuseum

Im März 2015 nahmen Terroristen im Bardo-Nationalmuseum in Tunis mehrere Geiseln. Bei dem Angriff starben mehr als 20 Menschen – viele davon waren Touristen. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" bekannte sich zu der Tat. Die Angreifer hatten das Feuer Nach der Jasminrevolution 2011 und dem Sturz von Zine el-Abidine Ben Ali gab es immer wieder Anschläge – vor allem auf Polizei und Militär.

#JeSuisCharlie

Am 7. Januar 2015 stürmten zwei maskierte Männer in die Redaktionsräume der französischen Satirezeitschrift "Charlie Hebdo". Sie töteten elf Menschen, verletzten mehrere und erschossen auf ihrer Flucht noch einen Polizisten. Die Attentäter bekannten sich später zum jemenitischen Ableger der Terrororganisation Al-Kaida. Charlie Hebdo hatte Karikaturen des islamischen Propheten Mohammed veröffentlicht, die von den Terroristen als beleidigend wahrgenommen wurden. Der Anschlag sei eine "Vergeltung für den Propheten" gewesen, erklärte einer der Anführer von Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel, Nasser Ben Ali al-Anassi.

Zeichen der Anteilnahme nach den Anschlägen in ParisBild: Getty Images/AFP/X.Leoty

Herzschlag und Stille

Während einer Theateraufführung in Kabul sprengt sich am 12. Dezember 2014 ein junger Selbstmordattentäter in die Luft und reißt zwei Menschen mit sich in den Tod. Später bekennen sich die Taliban zu der Tat. Ihre Begründung: Die Aufführung sei unmoralisch gewesen und habe darauf abgezielt, "die islamischen Werte zu beleidigen und Propaganda über unsere Dschihad-Einsätze zu verbreiten".

Aufführung im Kabuler Theater vor dem AnschlagBild: DW/Shadi Khan

Bittere Ironie: Das Stück, das während des Anschlags gegeben wird, heißt "Herzschlag und Stille nach der Explosion" und beschäftigt sich genau mit diesem Thema: Selbstmordanschläge.

Mohammed-Karikaturen

In der dänischen Tageszeitung "Jyllands Posten" erscheint am 30. September 2005 eine Serie von zwölf Karikaturen. Der Titel: "Das Gesicht Mohammeds". Auf einer der Zeichnungen sieht man den Propheten Mohammed, der anstelle eines Turbans eine Bombe auf dem Kopf trägt. Der Zeichner heißt Kurt Westergaard. Als das Bild in der islamischen Welt bekannt wird, sieht er sich Morddrohungen ausgesetzt. Westergaard aber beruft sich auf sein westliches Recht auf freie Meinungsäußerung. Dennoch müssen er und seine Frau sich unter Polizeischutz begeben; das Paar muss oft umziehen und an geheimen Orten leben. Trotzdem entgeht er am Neujahrstag 2010 nur knapp einem Mordanschlag. Der Täter hatte Verbindungen zur Al-Kaida.

Westergaard hat für sein Engagement für Meinungs- und Pressefreiheit schon mehrere Preise bekommen, darunter den Leipziger "Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien". Missstimmung kam ausgerechnet von Seiten der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi auf – sie und ihr iranischer Landsmann waren ebenfalls eingeladen und echauffierten sich über die Teilnahme des dänischen Zeichners.

Die umstrittenen KarikaturenBild: picture-alliance/dpa

Beleidigung des Koran

Am 2. November 2004 begegnen sich um 9 Uhr morgens zwei Holländer auf einer Straße in Amsterdam. Der eine ist der Sohn marokkanischer Einwanderer, der andere der Spross einer wohlbegüterten Familie mit weltberühmten Namen. Es ist ihre erste und letzte Begegnung: Es ist der Tag, an dem der in den Niederlanden geborene Mohammed Bouyeri den Filmemacher Theo van Gogh ermordet. Der Täter lauert dem Regisseur des islamkritischen Streifens "Submission" auf, schießt auf sein Opfer, schneidet ihm dann die Kehle durch und heftet ihm eine Morddrohung an die Politikerin Ayaan Hirsi Ali auf die Brust, die den Film gemeinsam mit van Gogh produziert hat.

Eigentlich gilt der 26-jährige Mohammed Bouyeri als gut integriert, doch irgendwann mutiert er zum religösen Fanatiker. Der Filmemacher Theo van Gogh ist für ihn ein Ungläubiger, der den Islam beleidigt hat. Stein des Anstoßes war der elfminütige Kurzfilm "Submission", der die Rolle der Frau im Islam aus Sicht des Regisseurs zeigt. Es ist ein Gemeinschaftswerk mit der gebürtigen Somalierin und rechtsliberalen Politikerin Hirsi Ali. Dabei werden Koran-Suren auf den transparent verschleierten Körper des Mädchens projiziert. Das Werk sorgt für heftige Kritik, ein radikaler Iman verflucht van Gogh in seiner Predigt.

Theo van Gogh starb auf dem Weg zur ArbeitBild: AFP/Getty Images/R. Nederstigt

Der Filmemacher ist schon lange für seine ausländerfeindlichen Äußerungen bekannt. So lehnt er es ab, Muslimen in Holland unter Berufung auf die Meinungsfreiheit all zu viele Zugeständnisse zu machen. Und er bezeichnet Muslime als "geitenneuker" - als Menschen, die sexuelle Beziehungen mit Ziegen pflegen.

Nach dem Attentat auf Van Gogh verliert das Bilderbuchland der Toleranz seine Unschuld. Wochenlang werden in den Niederlanden sowohl Moscheen als auch Kirchen beschädigt, rechte Ausländerfeinde und radikale Islamisten verüben zahlreiche Anschläge.

Anschlag auf den Palast der Königin

Es war der bis dahin weltweit blutigste Terroranschlag auf Touristen. Am 17. November 1997 stürmten bewaffnete Männer den Tempel der Königin Hatschepsut. Der Anschlag mit mehr als 60 Toten schreibt als "Massaker von Luxor" ein trauriges Kapitel der ägyptischen Geschichte. Die radikal-islamistische Untergrundorganisation "Gamaa Islamija" (Islamische Vereinigung) bekannte sich zu dem Blutbad. Nach dem Attentat lag der Tourismus in Ägypten am Boden.

Der Hatschepsut-Tempel im ägyptischen LuxorBild: picture-alliance/dpa/J. Dabrowski

Satanische Töne

In Ägypten haben es Metalbands vor dem Arabischen Frühling besonders schwer. Der harte Rock darf nur im Untergrund gespielt werden, öffentlich ist die Musik nicht zu hören. Wer die "Teufelsmusik" dennoch hört, steht unter Generalverdacht und wird verfolgt. 1997 werden bei einem Metalkonzert wegen Verdachts auf Satansanbetung 80 junge Leute verhaftet. Seit der Revolution hat sich die Situation für Musiker und Fans erheblich gebessert.

Brandanschlag von Sivas

Im Juli 1993 versammelt sich eine aufgebrachte und religiös aufgeheizte Menschenmenge am Rande eines alevitischen Kulturfestivals in der anatolischen Stadt Sivas. Die Teilnehmer des Festivals - Schriftsteller, Musiker und Dichter - wohnen in einem Hotel, das komplett aus Holz gebaut ist. Aus dem Mob fliegen Brandsätze gegen das Hotel, das schnell in Flammen aufgeht. 35 Menschen kommen dabei um, unter ihnen in der Türkei prominente Musiker und Dichter. Aleviten nennen das Ereignis "Sivas-Massaker".

Satanische Verse

Der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere, als er 1988 seinen Roman "Die satanischen Verse" veröffentlicht. Rezensionen bescheinigen dem Buch hohe literarische Qualitäten; er bekommt erste Preise dafür. Aber aus der islamischen Welt hagelt es wütende Proteste gegen das Buch, ihm wird Blasphemie vorgeworfen. Am 14. Februar 1989 verhängt der iranische Revolutionsführer Khomeni eine "Fatwa" gegen Salman Rushdie. In einer Rundfunkansprache ruft er "die moslemische Bevölkerung in aller Welt" auf, das Todesurteil gegen den Schriftsteller zu vollstrecken und setzt ein Kopfgeld von 2,8 Millionen US-Dollar aus. Rushdie steht daraufhin unter verschärftem Polizeischutz und lebt bis 1999 im Untergrund.

Salman Rushdie muss sich immer noch vor Fanatikern versteckenBild: DW/H. Kiesel

Den Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitung "Charlie Hebdo" verurteilt er unmittelbar nach Bekanntwerden mit scharfen Worten: "Wenn Religion, eine mittelalterliche Form der Unvernunft, sich mit moderner Waffentechnik verbindet, wird sie eine echte Gefahr für unsere Freiheiten. Dieser religiöse Totalitarismus hat im Herzen des Islam eine tödliche Verwandlung verursacht, und wir sehen die tragischen Folgen heute in Paris. Ich stehe zu 'Charlie Hebdo', wie wir es alle tun müssen, um die Kunst der Satire zu verteidigen, die stets eine Kraft für Freiheit und gegen Tyrannei, Unehrlichkeit und Dummheit gewesen ist."

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