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Politik

Ohne Straftat im Knast

Sabrina Pabst
25. Juli 2017

Prävention oder Placebo? Im August tritt Bayerns neues Polizeiaufgabengesetz in Kraft. Schon jetzt streiten Experten über die Wirksamkeit der Paragraphen gegen vermeintliche "terroristische Gefährder".

Symbolbild Gefängnis
Bild: picture-alliance/dpa

In Bayern soll ein neues Polizeiaufgabengesetz vermeintliche terroristische Gefährder präventiv von möglichen Straftaten abhalten. Doch kann die Verschärfung des in der vergangenen Woche vom Landtag beschlossenen Gesetzes dies wirklich leisten?

Der Jurist Kyrill-Alexander Schwarz vom Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Würzburg befürwortet das Gesetz und ist dennoch skeptisch, was seine Wirksamkeit angeht. "Man muss neuen Gefahren oder Gefahrensituationen begegnen", sagt er im DW-Gespräch. Zusammen mit zwei weiteren Professoren war er im bayrischen Landtag als Sachverständiger geladen. Ihr Urteil: Der Staat sei für die Sicherheit seiner Bürger zuständig und müsse dementsprechend handlungsfähig bleiben. 

Doch der Experte vermutet, dass nicht nur die öffentliche Sicherheit für das Gesetz verantwortlich ist, sondern auch politische Motive. Auch mit dem neuen Gesetz ließe sich keine völlige Sicherheit garantieren. Fälle in Frankreich hätten gezeigt, dass selbst Personen, die mit einer elektronischen Fußfessel überwacht wurden, sich der Kontrolle entziehen konnten und innerhalb weniger Minuten bereit waren, Anschläge zu begehen. Schwarz: "Man kann auch sagen, es ist ein Akt der Gesetzgebung, der auch die Bürger beruhigen soll." 

"Drohende Gefahr"

Der bayerische Landtag hat am vergangenen Mittwoch ein neues Polizeiaufgabengesetz verabschiedet, das am 1. August in Kraft tritt. Es sieht den Einsatz von elektronischen Fußfesseln, die Neuregelung von Aufenthaltsverboten- und Pflichten, die Überwachung der Kommunikation und eine verlängerte Präventivhaft von bis zu drei Monaten vor.

Durch das neue Gesetz können sogenannte terroristische Gefährder in Bayern präventiv verhaftet werden, sobald von ihnen eine "drohende Gefahr" ausgehen könnte. Eine "drohende Gefahr" besteht demnach, wenn "in absehbarer Zeit Angriffe von erheblicher Intensität oder Auswirkung zu erwarten sind. Die neue juristische Kategorie wurde von der CSU-Regierung in das Gesetz eingeführt.

Tatort Ansbach: Im Juli 2016 kam es bei dem Musikfestival zu einem mutmaßlichen terroristischen AnschlagBild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

"Sicherheitsplacebo"

Die Änderungen des neuen Polizeiaufgabengesetzes gehen der Grünen Landtagsabgeordneten Katharina Schulze zu weit. Für Schulze sind die getroffenen Maßnahmen ein "Sicherheitsplacebo". Mehr Überwachung bedeute auch mehr Arbeit für die Polizeibeamten. Die Möglichkeit, Menschen vorsorglich einzusperren, ohne dass sie wegen einer Straftat verdächtigt oder verurteilt wurden, sei zudem ein massiver Eingriff in die persönlichen Rechte der Bürger, sagt die grüne Landtagsabgeordnete.

Politische und Fachliche Kritik

Auch Markus Löffelmann, Richter am Landgericht München, kritisiert an der Änderung unzulässige Eingriffe in Grundrechte, weil so unschuldige Personen in das Visier des Staates gelangen könnten. "Wir müssen uns vergegenwärtigen, dass wir uns hier immer in einem Bereich bewegen, in dem die betroffene Person noch keine Straftat begangen hat", sagt er gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. "Wir bewegen uns in einem Bereich, in dem ein großes Risiko besteht, eine Prognose zu treffen, und in dem es jeden Bürger treffen kann."

Der SPD-Politiker Franz Schindler hält eine Anpassung der Sicherheitsgesetze zwar für notwendig, doch würde die Freiheit der Bürger unverhältnismäßig zulasten ihrer Sicherheit eingeschränkt. Schindler kritisiert vor allem, dass an dem ungenau definierten Begriff "drohende Gefahr" weitere Befugnisse der Polizei geknüpft sind, die sich mit der Zuständigkeit des Verfassungsschutzes überschneiden. "Sobald eine Gefahr konkret wird und eine Straftat begangen wird, ist die Polizei verpflichtet einzugreifen, wenn sie davon Kenntnis erhält", sagt Schindler. "Was im Vorfeld, bevor eine Gefahr für ein Rechtsgut entsteht, passiert, geht die Polizei nichts an. Dieses Vorfeld auszuleuchten, das ist Aufgabe der Geheimdienste."

Katharina Schulze ist Vorsitzende der Grünen im bayrischen LandtagBild: A. Gregor

Nicht nur radikale Islamisten im Visier

Die grünen Landtagsabgeordnete Katharina Schulze befürchtet, dass durch das neue Gesetz die Überwachung jedes einzelnen Bürgers ausgebaut wird. Bei der Vorstellung des Gesetzesentwurfs im April sei lediglich von der vermeintlichen Gefahr durch radikale Islamisten die Rede gewesen.

"Wenn man sich jetzt die einzelnen Punkte anschaut, sieht man deutlich, dass es auch in die Freiheitsrechte jedes Bürgers eingreift", kritisiert Schulze. "Die Schwellen zum Einschreiten von der Polizei werden massiv herabgesenkt. Wir haben es hier mit einem Gesetz zu tun, was äußerlich gegen Terroristen gestellt werden sollte, aber eigentlich in die Bürgerrechte jeden einzelne eingreift."

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