Die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" soll aus Palmyra zurückgedrängt worden sein. Denkmalschützer in Syrien sind erleichtert - sie hatten eine Zerstörung der antiken Ruinenstadt befürchtet.
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Die Situation in der umkämpften Stadt Palmyra ist offiziellen Angaben zufolge wieder "unter Kontrolle". Syrische Truppen hätten zwei Hügel von der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" zurückerobert, sagte der Gouverneur der Provinz Homs, Talal Barasi. Zusätzliche Einheiten würden die Truppen vor Ort verstärken. Der IS habe sich zudem aus dem nördlichen Teilder modernen Stadt Tadmur zurückgezogen.
Der Leiter der syrischen Altertümerverwaltung, Maamun Abdulkarim, zeigte sich erleichtert, dass der IS von den Ruinen der antiken Oasenstadt vertrieben werden konnte. "Wir haben heute gute Nachrichten erhalten", sagte Abdulkarim. "Die Ruinen sind nicht beschädigt worden, aber das bedeutet nicht, dass wir uns keine Sorgen machen müssen." Der IS war zuvor auf das Zentrum von Palmyra vorgerückt, das von Truppen des Machthabers Baschar al-Assad gehalten wird. Die Miliz gelangte damit in die unmittelbare Nähe der Ruinenstadt.
Bei den Kämpfen, so Barasai weiter, seien mehr als 130 Dschihadisten getötet worden. Die in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte spricht dagegen von mindestens 47 getöteten regierungstreuen Kämpfern und 29 getöteten Dschihadisten. Außerdem halte die Miliz aber noch ein Dorf nördlich der Stadt.
Nach Angaben der Beobachtungsstelle, deren Erkenntnisse aus einem Informantennetzwerk vor Ort stammen und unabhängig kaum überprüfbar sind, hatten IS-Kämpfer am Samstag das nördliche Stadtgebiet von Palmyra in der Provinz Homs unter ihre Kontrolle gebracht. Der IS hatte seine Offensive auf Palmyra am Mittwoch begonnen. In ihrem Verlauf wurden laut der Beobachtungsstelle auch mindestens 49 Zivilisten, darunter mehrere Kinder, hingerichtet.
Zerstörungswerk im Irak
Die Oasenstadt Palmyra in der zentralsyrischen Wüste war eines der herausragenden Zentren im Altertum. Die UNESCO erklärte die Ruinen der ehemaligen Handelsmetropole der legendären Königin Zenobia 1980 zum Weltkulturerbe. Durch ihre Lage an einer der wichtigsten Handelsrouten zwischen dem Römischen Reich, Persien, Indien und China gewann Palmyra in den ersten Jahrhunderten nach Christus stetig an Bedeutung. Nach ihrer Blütezeit wurde die Stadt im Jahr 272 von den Römern zerstört. Baal-Tempel, Triumphbogen und weitere imposante Ruinen im Tal der Gräber machen das vor dem syrischen Bürgerkrieg beliebte Touristenziel zu einem der bedeutendsten Komplexe antiker Bauten im Nahen Osten. Berichten zufolge war die Stätte bereits 2012 und 2013 bei Kämpfen beschädigt worden. Heute leben vor allem sunnitische Muslime in einer gleichnamigen, neben den Ruinen gelegenen Stadt. Sie befindet sich nordöstlich von Damaskus.
Palmyra - Zerstörung einer antiken Oase
Die antiken Ruinen Palmyras sind Zeugnis einer goldenen Zeit. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" fährt mit ihrer Zerstörung fort. Nach der Sprengung von kostbaren zwei Tempeln, traf es nun noch andere antike Bauwerke.
Bild: picture-alliance/dpa/Scholz
Sinnlose Terrorakte
Der Zerstörungswut der IS-Dschihadisten fiel auch ein antiker Triumphbogen zum Opfer, der zwischen 193 und 211 nach Christus erbaut wurde. "Das ist die pure Zerstörung", beurteilt der Chef der Altertumsbehörde, Mamun Abdulkarim, die Sprengung. "Die Racheakte sind nicht mehr ideologisch getrieben, denn jetzt sprengen sie auch Gebäude ohne religiöse Bedeutung."
Bild: Louai Beshara/AFP/Getty Images
Zeugnisse antiker Grabkultur
Auch mehrere diese mehrstöckigen Grabtürme haben die Dschihadisten gesprengt, sagte der Leiter der syrischen Antikenverwaltung, Mamun Abdelkarim. Unter den Türmen, die zwischen 44 und 103 n. Chr. gebaut wurden, ist auch der berühmte vierstöckige Turm von Elhabel. Das Ruinenfeld der antiken Oasenstadt gehört seit 1980 zum Weltkulturerbe der UNESCO.
Bild: Reuters/Sandra Auger
Tempelanlage gesprengt
Die schlimmsten Befürchtungen der Archäologen sind wahr geworden: Der Terroristen des "Islamische Staat" haben eines der bedeutendsten Bauwerke Palmyras gesprengt: den rund 2000 Jahre alten Baalschamin-Tempel, hier vor der Zerstörung. Durch die Explosion wurden der innerste heilige Bereich und die äußeren Säulen zum Einsturz gebracht. Auch die übrigen Anlagen Palmyras sind weiterhin akut bedroht.
Bild: picture-alliance/dpa/Scholz
Ruinen einer Oase
Die Ruinen der Stadt Palmyra, die einst durch Reichtum, Handel und Palmen erblühte, liegen mitten in der syrischen Wüste. Karawanen durchquerten sie jahrhundertelang, auf ihrem Weg zur Seidenstraße. Dann verblasste die goldene Zeit über die Jahrtausende, der Wüstensand verwehte die Stadt. Seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien ist die UNESCO besorgt um das Weltkulturerbe.
Bild: Fotolia/bbbar
Gottes Tempel
Der Baal-Tempel galt als eines der bedeutendsten historischen Bauwerke der arabischen Welt. Im 1. Jahrhundert n. Chr. bauten ihn die Palmyrer im römischen Stil und widmeten ihn der babylonischen Gottheit "Baal". Rom soll ihn bezahlt haben, als Dank für den Beitritt der Stadt ins Römische Reich. Der riesige Baal-Tempel war nach allen Himmelsrichtungen ausgerichtet. Der IS hat ihn gesprengt.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/F. Neukirchen
Monument im römischen Stil
Das Tetrapylon liegt an der Straßenkreuzung. Vier mal Vier schlanke Säulen aus Rosengranit, die aus den Steinbrüchen von Assuan stammen, bilden vier überdachte Nischen. Früher befanden sich in ihnen Statuen. Heute sind die Säulen fast alle nachgebildet, nur noch eine ist antik.
Bild: Fotolia/waj
Orientalische Dramen
Palmyra trug in vielem die Züge einer griechisch-römischen Stadt: die Säulenhalle, die Thermen oder das Amphitheater. Auf dessen Bühne, eine Palastfront, spielten sich orientalische Dramen ab. Die in aramäischer Sprache verfassten Stücke sind nicht erhalten. Das Theater wurde auch für Tier- und Gladiatorenkämpfe genutzt.
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Forum der Oberschicht
Hier war einst die steinerne Oberschicht Palmyras versammelt: 200 Statuen standen damals ihr zu Ehren in den Säulenhallen der Agora, dem Marktplatz. An der Südweststrecke der Agora befinden sich die Überreste eines Bauwerks, das vermutlich ein Tagungsort des "Stadtrats" war. Dem gehörten die Vertreter der einflussreichsten Kaufmannsfamilien an, die die Geschicke der Wüstenstadt lenkten.
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Luxuriöse Gräber
Vor den Toren der Stadt liegen verschiedene Gräberfelder. Große Familien bauten hohe Türme mit Grabfächern für mehrere Generationen. Einige der letzten Ruhestätten sind kunstvoll verzierte Sarkophage. Es gibt auch etliche unterirdische Grabanlagen, die mit reicher Bauornamentik oder Fresken verziert sind. Die Gräber sind ein Zeugnis des Alltagslebens und des Reichtums der damaligen Zeit.
Bild: Imago/A. Schmidhuber
Drohende Verwüstung
Im 3. Jahrhundert n.Chr. wurde Palmyra zum Militärstützpunkt. Nach der Herrschaft von Zenobia folgte ein Wechselbad der Mächte. Die goldene Zeit verblasste, der Glanz der Stadt wurde vom Wüstensand begraben. Seit 2011 hat der Bürgerkrieg Spuren in der Ruinenstadt hinterlassen. Jetzt droht die weitreichende Zerstörung der antiken Ruinenstadt.
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Im Nordirak hatten IS-Anhänger im Frühjahr schon einmalige Kulturstätten zerstört, darunter die Jahrtausende alte Stadt Nimrud und die Grabungsstätte Ninive. Im Museum von Mossul zertrümmerten sie wertvolle Statuen aus assyrischer Zeit. Es wird deshalb befürchtet, dass der IS sein Zerstörungswerk auch in Palmyra fortsetzen würde. Der IS werde "alles sprengen", wenn die Islamisten bis zu den antiken Stätten von Palmyra vordringen würden, sagte etwa der Chef der Altertümerverwaltung Abdulkarim.
Der IS hatte im Sommer vergangenen Jahres große Gebiete im Bürgerkriegsland Syrien und Teile des Irak überrannt. Er kontrolliert jetzt weite Gebiete im Norden des Irak und im Nordosten Syriens, darunter die Ölfelder von Rakka. In beiden Ländern werden die Dschihadisten am Boden von einheimischen Einheiten und aus der Luft von einer internationalen Militärallianz unter Führung der USA bekämpft.