Terrorprozess wird neu aufgerollt
11. August 2004Der in Hamburg lebende Student Mounir El Motassadeq soll die Attentäter des 11. September 2001 in den USA unterstützt haben. Im Februar 2003 war Motassadeq vom Hanseatischen Oberlandesgericht (OLG) in Hamburg bereits zu einer Höchststrafe von 15 Jahren Haft verurteilt worden – der weltweit erste Richterspruch zu den Terrorangriffen in den USA. Gut ein Jahr später hob der Bundesgerichtshof (BGH) den Schuldspruch wieder auf und verwies den Fall zurück nach Hamburg. Das OLG sollte den Prozess wegen Mängeln in der Beweisführung noch einmal führen. Dem Angeklagten seien womöglich entlastende Beweise aus den USA vorenthalten worden, begründete das BGH seine Entscheidung. Motassadeq ist seit April 2004 unter Auflagen wieder auf freiem Fuß. Am Dienstag (10.8.2004) ist erneuter Prozessauftakt in Hamburg.
Hilfe von den USA
Zu Beginn der Neuauflage des Hamburger Prozesses haben die US-Behörden der deutschen Justiz jetzt ihre Hilfe zugesagt. Ein entsprechendes Schreiben sei kurz vor Beginn des Prozesses bei der Bundesanwaltschaft eingegangen, sagte der Vorsitzende Richter am OLG, Ernst-Rainer Schudt, in der Verhandlung. Eine direkte Zeugenbefragung des in US-Haft vermuteten Ramzi Binalshibh oder anderer Gefangener hätten die USA aber abgelehnt.
Washington wollte nicht einmal bestätigen, dass sich der mutmaßliche Drahtzieher der Anschläge in seinem Gewahrsam befindet. Die USA hätten aber als nicht vertraulich eingestufte Geheimdienstinformationen und Teile der Aussage Binalshibhs zugesagt. Außerdem solle ein Geheimdienstagent als Zeuge auftreten, sagte Schudt.
Angeklagter will aussagen
Motassadeqs Anwalt, Josef Gräßle-Münscher, kündigte vor Beginn des ersten Verhandlungstages in einem Interview an, sein Mandant werde im Verlauf des Prozesses aussagen. Es werde sicher dazu kommen, dass Motassadeq dem Gericht Fragen beantworte, sagte Gräßle-Münscher.
Die Verteidigung will die Einstellung des Verfahrens fordern. Die Aussagen der beiden mutmaßlichen Chefplaner der Anschläge vom 11. September, Ramzi Binalshibh und Khalid Scheich Mohammed, sind nach Ansicht des Anwalts möglicherweise unter Folter entstanden und damit für ein deutsches Gericht nicht verwertbar.
Videobefragung
Generalbundesanwalt Kay Nehm dagegen fordert ein Live-Verhör von Binalshibh und Scheich Mohammed. Vernehmungsprotokolle der beiden Zeugen, die sich in US-Gewahrsam befinden, reichen ihm nicht. Nur durch eine Videobefragung könne der Verdacht der Verteidigung
ausgeräumt werden, die Aussagen seien unter Folter gemacht worden, betonte Nehm. (ch)