Teure Pillen und Tropfen
27. Januar 201025 Jahre sind mehr als ein halbes Berufsleben. Wer so lange dasselbe tut, der lässt sich so leicht nichts vormachen. Seit 25 Jahren gibt Ulrich Schwalbe den Arzneiverordnungs-Report mit heraus, untersucht darin, wie sich die Arzneikosten der gesetzlichen Krankenkassen entwickeln. Und seit 25 Jahren stellt er fest: Solange die Politik nicht eingreift, steigen die Ausgaben für Medikamente. Seit einigen Jahren sind Arzneimittel sogar der Kostenblock, der am schnellsten wächst. Unter fünf Prozent pro Jahr geht eigentlich nichts mehr. "Das liegt daran", sagt Schwalbe, "dass wir im Gegensatz zu fast allen europäischen Nachbarn keine Kostenbegrenzung bei der Einführung von Arzneimitteln haben." Die Pharmaindustrie darf den Preis so hoch festlegen wie sie mag. Innovative Arzneimittel, also die ohne Konkurrenz, hätten eben keine Preisbegrenzung.
Aus Sicht der Pharmaindustrie sind die Preise okay
So gaben die deutschen Krankenkassen im letzten Jahr für Medikamente fünf Milliarden Euro mehr aus als für ärztliche Behandlungen. Für Norbert Gerbsch, stellvertretenden Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (bpi), gibt es dafür eine plausible Erklärung: Innovationen, also die Medikamente, die oftmals verbesserte Therapien ermöglichen. Die Entwicklung solcher Medikamente sei "ein äußerst langwieriger, wirtschaftlich riskanter und auch sehr teurer Prozess", sagt Gerbsch. Und solche Medikamente lohnten sich nur, wenn sie mit einem "angemessenen Preis" auf den Markt kämen.
Dass der Preis allerdings immer angemessen ist, daran hat Ulrich Schwalbe seine Zweifel. Ein Blick zu einigen europäischen Nachbarn genüge: sehr gute Arzneimittel für Rheumapatienten kosteten bei uns doppelt so viel wie zum Beispiel in Schweden. Verglichen mit England, so Schwalbe, seien sie sogar mehr als doppelt so teuer.
Solche Vergleiche sieht Gerbsch allerdings kritisch: zu unterschiedlich seien beispielsweise die Steuersätze oder die Zugänge zu Innovationen. Außerdem sieht er sich längst nicht alleine in der Pflicht, schließlich entfielen lediglich knapp 20 Prozent der Gesamtausgaben auf Medikamente. Trotz kleinem Anteil - Ulrich Schwalbe hat ausgerechnet, dass die Kassen mindestens sechs Milliarden Euro sparen könnten. Vorausgesetzt, die Pharmaindustrie darf ihre Preise für patentgeschützte Medikamente nicht mehr frei bestimmen.
Professor Caro ist Normalität
Dieses Einsparpotential hat auch die Politik erkannt und 2007 reagiert: Kosten und Nutzen von Medikamenten sollen verglichen werden - die Kassen müssen im zweifelsfall zu teure Medikamente nicht mehr voll übernehmen. Fast drei Jahre hat die Suche nach einer solchen Kosten-Nutzen-Methode gedauert. Für Schwalbe ist das kein Zufall: "Das hat unter anderem den Grund, dass der Vorsitzende der Gutachter-Kommission, ein Professor Caro, gleichzeitig auch für die Pharmaindustrie in den USA arbeitet."
Ein Anruf bei der Pressestelle des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitssystem (IQWiG). Das Institut hat die Aufgabe zu prüfen, ob Medikamente und Therapien auch tatsächlich so wirken, wie die Pharmahersteller es versprechen. Vor drei Jahren bekam es den Auftrag, eine Kosten-Nutzen-Methode für Medikamente zu erstellen. Ja, Professor Caro habe als Vorsitzender eines beauftragten Expertenpanels diese Methode für ihr Institut mitentwickelt - und ja, er arbeite auch für die Pharmaindustrie, sagt Pressesprecherin Anna-Sabine Ernst. Völlig normal. Es gebe weit und breit keinen Gutachter, der nicht gleichzeitig für die Pharmaindustrie tätig sei.
Autorin: Jutta Wasserrab
Redaktion: Rolf Wenkel