Tech-Talente aus Indien und China fürchten teure US-Visa
24. September 2025
Aditi Menon hat vor kurzem ihren Abschluss als Ingenieurin an einem College im zentral-indischen Bundesstaat Madhya Pradesh gemacht und sich für ihren Masterabschluss die Zulassung an einigen US-Universitäten gesichert.
Ihre Pläne, sich eine Zukunft in den USA aufzubauen, sind jedoch durcheinander geraten, nachdem US-Präsident Donald Trump vergangene Woche eine neue Antragsgebühr von 100.000 US-Dollar für sogenannte H-1B-Visa angekündigt hat. Sie ermöglichen hochqualifizierten ausländischen Arbeitskräften, in den USA eine Beschäftigung zu finden.
US-Technologieunternehmen haben das Visaprogramm routinemäßig genutzt, um Talente für Jobs in der Computerprogrammierung und -entwicklung zu gewinnen. Antragsteller aus Indien machen über 70 Prozent der Personen aus, die im Rahmen des Programms eine Visazusage erhalten. An zweiter Stelle folgen Fachkräfte aus China mit elf Prozent.
Jedes Jahr wird eine begrenzte Anzahl von 85.000 H-1B-Visa durch ein Lotteriesystem angeboten, von denen 20.000 für ausländische Absolventen mit höheren Abschlüssen an einem US-College oder einer Universität reserviert sind.
Derzeit zahlen Visumantragsteller eine geringe Gebühr für die Teilnahme an der Lotterie. Und wenn ein Antrag ausgewählt wird, wird eine weitere Gebühr für die formelle Bearbeitung des Antrags gezahlt. Unternehmen, die Arbeitskräfte einstellen, zahlen in der Regel die Gebühren, die derzeit zwischen 2.000 und 5.000 US-Dollar liegen. Die neu ausgeschriebene Gebühr von 100.000 US-Dollar gilt einmalig und nur für neue Anmeldungen.
Der E-Commerce-Riese Amazon mit Sitz im US-Bundesstaat Washington führt die Liste der H-1B-Begünstigten mit 10.000 genehmigten Visa in der letzten Auswahl an. Microsoft und Meta aus Kalifornien haben jeweils rund 5.000 erhalten. Die US-Tochtergesellschaft der indischen IT-Beratung Tata Consultancy Services liegt ebenfalls im gleichen Bereich.
Jetzt, da die Trump-Regierung gegen die Einwanderung vorgeht, haben viele Bewerber das Gefühl, dass sich eine Tür schließt. "Mir ist klar, dass es unwahrscheinlich ist, dass mich ein Arbeitgeber sponsern wird, es sei denn, ich besuche eine erstklassige Universität oder fülle eine seltene Qualifikationslücke. Das Leben in den USA sieht jetzt unsicher aus, vor allem was mögliche Jobaussichten nach dem Abschluss angeht", sagt Menon im Gespräch mit der DW.
Tech-Talente sehen sich woanders um
Menon denkt darüber nach, ihren Umzug in die USA zu verschieben oder Graduiertenprogramme in Ländern wie Kanada oder Deutschland zu erkunden. Sie glaubt nun, dass die Chancen für eine Beschäftigung nach dem Studium dort besser seien.
Cecilia Hu, eine Anwältin für Einwanderungsfragen in New York, sagt der DW, dass ihre Mandanten aus China, die ein H-1B-Visum beantragen, "sehr panisch" geworden seien und begonnen hätten, alternative Einwanderungsoptionen zu prüfen.
Hu wies darauf hin, dass Trumps rasche Änderungen an der H-1B-Visapolitik den Wettbewerb zwischen den USA und China um High-Tech-Talente verschärfen könnten. Auch wenn Trump wahrscheinlich nicht die Absicht hat, Top-Talente zu vertreiben, habe sein jüngste Dekret genau diesen Effekt. "Wir haben beobachtet, dass viele chinesische Studenten nicht mehr in Betracht ziehen, nach dem Abschluss in den USA zu bleiben", sagt Hu.
Das chinesische Außenministerium sagte am Montag (23.9.), es werde sich nicht zur US-Visapolitik äußern. Es wies aber gleichzeitig darauf hin, dass China "herausragende Talente" aus der ganzen Welt willkommen heiße. China will mit einem neu geschaffenen "K-Visum", das im Oktober in Kraft tritt, junge ausländische Fachkräfte in den Bereichen Wissenschaft und Technologie anlocken.
"Es besteht in der Tat die Sorge, dass die USA eine große Anzahl talentierter Personen vertreiben könnten, während China sehr wohl einen Teil dieser Top-Talente absorbieren könnte", fürchtet Hu.
US-Tech-Jobs für Ausländer immer schwieriger zu erhalten
Die Erhebung einer Gebühr von 100.000 Dollar für H-1B-Visa werde das Programm effektiv aushöhlen, befürchtet auch Meera Shanka. Die ehemalige Botschafterin Indiens in den USA sieht nun, dass sich viele indische Studenten nach anderen Zielländern umsehen. in denen sie ein weiterführendes Studium absolvieren können. "Indische Unternehmen müssen sich diversifizieren, mehr Automatisierung und Künstliche Intelligenz einsetzen und mehr in Offshore-Zentren arbeiten. Dies wären Schritte, um auf praktischer Ebene mit der Situation fertig zu werden. Aber all dies untergräbt das Vertrauen zwischen Indien und den USA weiter", so die Diplomatin.
Siddharth Rao, der kürzlich seinen Masterabschluss in Informationssystemen an der University of Texas gemacht hat, weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, das Sponsoring von Arbeitgebern zu sichern und sich für die nächste H-1B-Visa-Lotterie im März 2026 anzumelden.
"Viele kleine und mittelständische IT-Unternehmen werden sicherlich zögern, Kandidaten wie mich zu sponsoren, weil die Kosten für das Visum nun unerschwinglich sind", sagt Rao der DW. "Arbeitgeber, die einst Wert auf Nischenexpertise legten, überdenken das Sponsoring, weil die Gebühr von 100.000 US-Dollar für die meisten einfach zu hoch ist, um sie zu rechtfertigen. Es reicht nicht mehr aus, hoch qualifiziert zu sein. Man muss nun als 'außergewöhnlich' gelten."
Experten weisen darauf hin, dass IT-Unternehmen, die traditionell eine große Anzahl indischer H-1B-Arbeitskräfte eingestellt haben, mit stark gestiegenen Kosten konfrontiert sind, was die Gewinnmargen verringern könnte. Dies wird wahrscheinlich die Verlagerung hin zu Automatisierung, Offshoring-Arbeit und der Rekrutierung lokaler US-Talente beschleunigen, um diese Gebühren zu vermeiden.
Jayant Krishna, ehemaliger Regionaldirektor von Tata Consultancy Services, sagt der DW, dass indische Technologieunternehmen in den USA bereits damit begonnen hätten, ihre Abhängigkeit von H-1B-Arbeitskräften zu verringern und mehr US-Bürger einzustellen.
Die indische National Association of Software and Service Companies (NASSCOM), eine Interessengruppe der Technologiebranche, sagt dagegen in einer Erklärung, dass die indische Technologiebranche "eine Milliarde US-Dollar für lokale Weiterbildung und Rekrutierung in den USA ausgibt und die Zahl der lokalen Neueinstellungen erheblich gestiegen ist".
H-1B als Brücke zu "Amerikas Ökosystem für Innovationen"
Für Ram Krishnan, einen Tech-Unternehmer in Boston, war der H-1B-Weg in der Vergangenheit eine wichtige Brücke für indische Studierenden, die zuerst in die USA kommen, um MINT-Graduiertenprogramme zu absolvieren.
"Genau wie Vinod Khosla, ein Risikokapitalgeber, der 1982 Sun Microsystems mitbegründet hat, haben viele andere vom amerikanischen 'Ökosystem für Innovationen' profitiert und Unternehmen aufgebaut, die die globale Technologieinfrastruktur transformiert und gleichzeitig einen enormen Beitrag zur US-Wirtschaft geleistet haben", erinnert Krishnan im Gespräch mit der DW.
Er nannte als jüngeres Beispiel Perplexity AI, das auf fast 20 Milliarden US-Dollar geschätzt wird und vom Inder Aravind Srinivas mitbegründet wurde. Er war im Jahr 2024 als eine der "TIME100 einflussreichsten Personen im Bereich KI" ausgezeichnet worden.
"Aravind kam als Student in die USA und promovierte an der University of California in Berkeley. Ohne den H-1B-Weg wäre die Gründung transformativer Unternehmen wie Perplexity und die Innovationen, Arbeitsplätze und das Wirtschaftswachstum, die sie mit sich bringen, weitaus unwahrscheinlicher gewesen", ist Krishnan überzeugt.
Aus dem Englischen adaptiert von Florian Weigand