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Textilindustrie in Bedrängnis

Gabriel Dominguez | al4. Juli 2013

Die Ankündigung der US-Regierung, Handelsvorteile für Bangladesch auf Eis zu legen, ist in dem südasiatischen Land scharf kritisiert worden. Die Folgen dieses Schritts seien schwerwiegend, sagen Experten.

Arbeiterinnen in einer Textilfabrik in Dhaka (ddp images/AP Photo/Pavel Rahman)
Bild: AP

Es wurde als das schwerste Unglück in der Geschichte der globalen Textilindustrie beschrieben: Am 24. April stürzte ein achtstöckiges Gebäude in einem Vorort der Hauptstadt Dhaka ein, in dem fünf Kleiderfabriken untergebracht waren. 1.100 Menschen kamen dabei ums Leben. Das Ereignis rückte die katastrophalen Arbeitsbedingungen in Bangladeschs Textilindustrie in den Blick der Weltöffentlichkeit. Sicherheitsstandards am Arbeitsplatz sind schlecht und der Mindestlohn, den Textilarbeiter erhalten, gehört mit rund 3.000 Thaka (etwa 29 Euro) pro Monat zum niedrigsten der Welt.

Als Reaktion auf dieses und eine Reihe weiterer Unglücke in der Bekleidungsindustrie kündigte Präsident Obama Ende Juni an, die USA werden Zollvorteile für Bangladesch einfrieren. Das amerikanische "System für Allgemeine Handelspräferenzen" (GSP) erlaubt, keine oder nur reduzierte Zölle auf bestimmte Produkte aus bestimmten Regionen zu erheben. Davon hat Bangladesh bisher profitiert.

Importzölle auf 5000 Produkte

Das Ende der Zollvorteile bezieht sich zwar nicht explizit auf Produkte aus der Bekleidungsindustrie, bedeutet aber, dass die Importeure von Gütern aus Bangladesch nun in den USA Zoll bezahlen müssen. Bisher konnte das südasiatische Land rund 5000 Produkte zollfrei einführen. Nach Angaben des amerikanischen Rats für auswärtige Beziehungen (CFR) sparten die Importeure dadurch im vergangenen Jahr rund 2 Millionen US-Dollar. Der Wert der eingeführten Güter betrug rund 35 Millionen Dollar. Es handelte sich hauptsächlich um Tabak, Sportausrüstung, Küchengeschirr und Plastikprodukte.

Die USA fordern eine Reihe von Verbesserungen: etwa das Recht der Arbeiter sich gewerkschaftlich zu organisieren ohne Repressionen zu befürchten.Bild: AP

Bisher gibt es noch keine Angaben darüber, wie lange die Zollvergünstigungen ausgesetzt werden sollen. Bangladesch müsse zunächst einige Reformen durchführen, bevor die USA ihren Schritt noch einmal überdenken, glaubt CFR-Handelsexperte Edward Alden: "Verschiedene Kongressabgeordnete haben eine Liste von notwendigen Verbesserungen gefordert, zum Beispiel zur Gebäudesicherheit und zum Feuerschutz. Arbeiter sollen das Recht erhalten, die Arbeit in unsicheren Gebäuden zu verweigern, und es soll einen Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen geben, falls die Arbeiter versuchen, sich gewerkschaftlich zu organisieren."


Peinlich für Dhaka

Die Kündigung der Zollvorteile bringt die Regierung Bangladeschs in Verlegenheit, da sie bereits nach der Einsturzkatastrophe vom April eine Serie von Sicherheitsmaßnahmen angekündigt hatte. "Es muss ein riesiger Schock für die Arbeiter in der Textilfabrik gewesen sein, dass die Entscheidung der USA in einer Zeit kommt, in der Bangladesch bereits konkrete und sichtbare Schritte eingeleitet hat, um die Sicherheit in den Fabriken zu verbessern und die Rechte der Arbeiter zu schützen", heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums in Dhaka.

Die Regierung habe zu langsam auf die Unglücke in Textilfabriken reagiert, kritisieren Experten in Bangladesch. Khondokar Golam Moazzem, Wirtschaftsfachmann am Zentrum für Politischen Dialog in Dhaka wirft der Regierung und den Textilproduzenten Bangladeschs vor, gescheitert zu sein bei dem Versuch, solche Katastrophen zu vermeiden. "Wenn sie diesem Problem mehr Bedeutung beigemessen hätten, müsste Bangladesch heute nicht mit der Kürzung von Zollvorteilen durch die USA leben", sagte Golam Moazzem der Deutschen Welle

Wer steckt hinter der US-Initiative?

Experten fürchten, dass die US-Entscheidung nicht nur die Wirtschaft Bangladeschs, sondern auch die Arbeiter selbst treffen wird. Manche glauben auch, dass mehr dahinter steckt als nur die ausgesprochene Absicht Washingtons, die Sicherheit und Rechte der Arbeiter zu verbessern. So auch Jagdish Bhagwati, Wirtschaftsprofessor an der Columbia Universität, New York: "Die Obama-Regierung steht politisch tief in der Schuld der Gewerkschaften, vor allem des größten Gewerkschaftsverbands, der AFL–CIO", so Bhagwati gegenüber der Deutschen Welle. "Viele Gewerkschafter fürchten die Konkurrenz der armen Länder: Sie glauben, dass der Handel mit Entwicklungsländern wie Bangladesch Menschen in den reichen Staaten Arbeit wegnimmt."

Der Einsturz der Fabrik im Rana Plaza Building kostete mehr als 1000 Menschen das LebenBild: Reuters

Daher hätten die US-Gewerkschaften auch nur mit dem allergrößten Widerwillen überhaupt Handelsvergünstigungen für Bangladesch zugestimmt, so Bhagwati. "Diese Gewerkschaften hoffen nun, dass die weltweite Empörung über die Sicherheitsbedingungen in Bangladesch dazu führen wird, dass sich die Arbeiter in Bangladesch stärker in Gewerkschaften organisieren. In der Folge steigen die Löhne und auch die Preise für Textilien. Die effektive Wettbewerbsfähigkeit des Landes nimmt ab und ein Konkurrent ist aus dem Felde geschlagen." Höhere Löhne und Preise führen jedoch nur dazu, dass die Nachfrage nach Kleidung aus Bangladesch abnehme. Das wiederum werde "genau den Arbeitern schaden, denen die amerikanische Arbeitnehmer-Lobby angeblich helfen will."

Ein symbolischer Akt

Edward Alden vom Rat für auswärtige Beziehungen hält die Folgen für weniger schwerwiegend: "Der Schritt ist hauptsächlich symbolisch und er wird keine Auswirkung haben auf Bangladeschs Textilindustrie, da deren Produkte nicht unter das Handelspräferenz-System fallen." Der Handelsfachmann erklärt, dass die USA Textilien im Wert von knapp fünf Milliarden Dollar importieren, für die sie mehr als 700 Millionen Dollar Zollabgaben kassiert haben. "Bangladesch hat extreme niedrige Produktionskosten und es ist auch mit den von den USA berechneten hohen Zöllen wettbewerbsfähig."

Wird die Europäische Union nachziehen?

"Die größere Gefahr für Bangladesch ist, dass die Europäische Union dem Beispiel folgen könnte, denn die meisten Textilexporte Bangladeschs in die EU sind zollfrei", sagt Alden. Doch anders als die amerikanischen Unternehmen haben große europäische Bekleidungshersteller, die in Bangladesch produzieren lassen (H&M, Carrefour, Mark's and Spencer's) ein bindendes Abkommen mit Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen unterzeichnet. Sie verpflichten sich darin, in eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen vor Ort zu investieren.

Einige Experten glauben, dass die meisten Staaten den Konsumenten die Entscheidung überlassen werden, ob sie dem Beispiel der USA folgen. Holger Görg, Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Universität Kiel halt eine Kürzung von europäischen Handelsvergünstigungen für unwahrscheinlich. "Es macht nicht viel Sinn, einem der ärmsten Länder der Welt die Handelsvorteile wegzunehmen. Das würde wahrscheinlich nur den ärmsten Arbeitern des Landes schaden. Und das sind genau denjenigen, die ihr Geld in der Textilindustrie verdienen."

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