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Politik

Thaçi in Berlin: Ein umstrittener Gast

Bahri Cani
9. Mai 2018

Hashim Thaçi wird am Mittwoch zum ersten Mal als kosovarischer Präsident von Angela Merkel im Kanzleramt empfangen. Es wird kein einfaches Treffen - auch wegen seiner Vergangenheit.

Hashim Thaci, Präsident Kosovo Und bahri cani
Thaçi im Gespräch mit der DW (Juni 2017) Bild: DW/Bahri Cani

Deutschland wird von den Kosovaren als stärkster politischer, militärischer und finanzieller Unterstützer und Freund betrachtet - nach den USA. Berlin ist einer der Hauptsponsoren des Dialogs zwischen Kosovo und Serbien, Bundeskanzlerin Merkel kennt den kosovarischen Präsidenten Hashim Thaçi seit mehr als einem Jahrzehnt auch persönlich. Doch bisher war er nur ein einziges Mal als Teil der Delegation des damaligen Premiers Isa Mustafa bei der Kanzlerin.

Hashim Thaçi ist seit über 20 Jahren der wichtigste Politiker des Kosovo. Obwohl der heute 50-Jährige schon als Student Anfang der 90er Jahre politisch aktiv war, hörte die internationale Öffentlichkeit seinen Namen zum ersten Mal Anfang 1999: Damals leitete er als politischer Vertreter der Untergrundorganisation Befreiungsarmee des Kosovo (Ushtria Çlirimtare e Kosoves - UÇK) gemeinsam mit dem Präsidenten Ibrahim Rugova die kosovarische Delegation bei den Friedensverhandlungen mit der Bundesrepublik Jugoslawien (zu jener Zeit bestehend aus Serbien und Montenegro) in Schloss Rambouillet bei Paris. Sie endeten mit einem Vertrag, den die kosovarische Delegation unterzeichnete, nicht aber die Vertreter Jugoslawiens, was der NATO als Begründung für dessen Bombardierung im Jahr 1999 diente. 

Für viele Kosovaren ist Thaçi ein Held

Nach dem Ende des Krieges (Juni 1999) und dem Einmarsch der NATO wurde Hashim Thaçi zum Ministerpräsidenten der Übergangsregierung ernannt. Der ehemalige politische Führer der UÇK hat selbst die Erklärung zur Entwaffnung und Demobilisierung der Befreiungsarmee des Kosovo unterschrieben. Viele der UÇK-Kommandeure wurden später Mitglieder der von Thaçi gegründeten Demokratischen Partei des Kosovo (PDK). Seither ist er an der Macht mit seiner PDK - außer zwischen 2004 - 2007: als Premierminister, Außenminister und jetzt als Präsident.

Feiernde Kosovo-Albaner in Wien im Februar 2008, als Thaçi die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien erklärte Bild: picture-alliance/dpa/G. Hochmuth

Viele Kosovaren betrachten ihn als Helden, nicht nur wegen seiner Rolle im Widerstand gegen Serbien, sondern auch weil er als Premier am 17. Februar 2008 die Unabhängigkeit des Kosovo erklärte. Kosovo wird heute von rund 115 Ländern anerkannt und ist Mitglied in mehreren internationalen Organisationen. Doch Thaçis Versprechen, dass das Kosovo "sehr schnell" von allen Ländern der Welt anerkannt und UN-Mitglied werde, liegt in weiter Ferne. Unter anderem erkennen Serbien, Russland und China den jüngsten europäischen Staat nicht an. Besonders problematisch ist für das Kosovo die fehlende Anerkennung durch die EU-Staaten Spanien, Rumänien, Slowakei, Zypern und Griechenland. Anders als für alle anderen Länder des Westbalkan gilt für Kosovo keine Visa-Liberalisierung für den Schengen-Raum. Hashim Thaçi leitet auch die kosovarische Delegation im Dialog mit Serbien - zuerst in Wien und jetzt in Brüssel. Gemeinsam mit dem damaligen serbischen Premierminister Ivica Dacic hat er im April 2011 auch das Abkommen über die Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo unterzeichnet. Doch eine komplette Normalisierung der Beziehungen zwischen Prishtina und Belgrad ist noch nicht in Sicht.    

Inzwischen wächst die Unzufriedenheit der Bevölkerung: Denn Thaçi hat es nicht geschafft, genug Stimmen für eine UN-, UNESCO- oder Interpol-Mitgliedschaft zu sammeln. Unter seiner Führung ist das Kosovo zum ärmsten Land Europas geworden, mit einer Arbeitslosenquote von über 30 Prozent. In der aktuellen Regierung stehen mindestens fünf Minister unter Korruptionsverdacht, gleichzeitig plagt die organisierte Kriminalität das kleine Balkan-Land. Thaçis Kritiker behaupten, er sei selbst der "Pate" illlegaler Machenschaften im Kosovo.   Medienberichte: Anschuldigungen des BND aus dem Jahr 2005

Wegen "Überfällen und terroristischen Anschlägen" auf die jugoslawische Polizei und Armee wurde Thaçi 1997 von Serbien in Abwesenheit zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt - ein Urteil, das bis heute nicht offiziell außer Kraft gesetzt wurde. Wegen "terroristischer Aktivitäten und Anschlägen" hat Serbien später noch eine weitere Fahndung ausgeschrieben. Sie gilt bis heute, was dazu führt, dass der Name des kosovarischen Präsidenten auch auf Interpol-Listen zu finden ist. Dass Serbien viele ehemalige UÇK-Kommandeure und Kämpfer als "Terroristen" bezeichnet, ist allerdings nicht neu.  

Viel schwerer wiegen Anschuldigungen des Bundesnachrichtendienstes (BND) aus dem Jahr 2005. In einem von deutschsprachigen Medien zitierten BND-Bericht wurde Thaçi als "eine der drei Schlüsselfiguren" bezeichnet, die im Kosovo als Verbindungsglied von organisierter Kriminalität und Politik funktionierten. Demnach hätte Thaçi "direkte Kontakte zur organisierten Kriminalität in Tschechien und Albanien" gehabt und sei "in umfangreiche Drogen- und Waffengeschäfte" verwickelt gewesen.

Noch schlimmere Anschuldigungen folgten 2010. Nach einer zweijährigen Untersuchung des Europarats unter Leitung des Schweizers Dick Marty wurden Thaçi und anderen ehemaligen UÇK-Anführern Verwicklungen in Organhandel und andere Kriegsverbrechen vorgeworfen. Die Anschuldigungen sollte ein Sondergericht in Den Haag untersuchen und aufklären. Es gibt aber immer noch keine Anklage. Und ob Hashim Thaçi tatsächlich wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden wird, ist fraglich - doch die Zweifel und Anschuldigungen bleiben. Sie sollten aber am Mittwoch die Gespräche mit Bundeskanzlerin Merkel nicht überschatten: Denn nicht nur Präsident Thaçi, sondern vor allem viele junge Kosovaren hoffen auf eine baldige Visa-Liberalisierung. 

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