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Thailand: Militär gewinnt an Einfluss in der Regierung

15. August 2025

Der jüngsten Grenzkonflikt mit Kambodscha hat Thailands Politik ins Chaos gestürzt - und zugleich die ohnehin schon große Macht des Militärs weiter gestärkt.

Ein thailändischer Soldat Soldat nimmt nach dem Waffenstillstand Blumen von einer königstreuen Gruppe entgegen.Bangkok, Juli 2025
Erhöhtes Ansehen für die thailändische Armee durch den Grenzkonflikt mit Kambodscha: Ein thailändischer Soldat Soldat nimmt nach dem Waffenstillstand Blumen in Empfang. Szene aus Bangkok, Juli 2025Bild: Chalinee Thirasupa/REUTERS

Mit den eskalierenden Spannungen zwischen Thailand und Kambodscha, die jüngst in einen offenen Grenzkonflikt mündeten, scheint es, als könne das Militär seinen ohnehin schon immensen Einfluss weiter ausweiten. Zwar droht ein weiterer Putsch nicht unmittelbar, mehrere Generäle halten aber Schlüsselpositionen an der Spitze des Staates. Die Zivilregierung steht dagegen geschwächt da und verliert zudem an Zustimmung in der Bevölkerung.

Generäle an der Spitze hat das südostasiatische Land schon vielfach erlebt. Seit 1931 gab es Thailand mindestens zwölf Militärputsche. Die Armee war lange Zeit eine dominierende Kraft in der Politik. Nach dem bisher letzten Putsch von 2014 regierte eine Junta das Land. Erst im Jahr 2023 wurden Wahlen abgehalten und eine Zivilregierung kehrte zurück an die Macht.

Zivile Kontrolle "minimal"

Und bald zogen Wolken auf. Seit dem Jahr 2024 Jahr schwelten die Spannungen mit Kambodscha und eskalierten im April, als ein kambodschanischer Soldat bei einem kurzen Gefecht mit thailändischen Truppen entlang der Grenze getötet wurde.

Nachdem thailändische Soldaten durch eine Landmine verletzt worden waren, forderten Ende Juli fünf Tage lang anhaltende Kämpfe auf beiden Seiten über 40 Tote und Hunderte Verletzte. Schließlich einigten sich beide Länder auf einen Waffenstillstand.

Der Konflikt habe "dem thailändischen Militär faktisch freie Hand gegeben, mit geringer ziviler Kontrolle zu operieren", sagt Napon Jatusripitak vom ISEAS-Yusof-Ishak-Institut in Singapur der DW. "Dabei war diese Kontrolle vorher schon minimal." 

Thailändische Politik im Chaos

Die derzeitige Konstellation hat eine Vorgeschichte: Nach den thailändischen Parlamentswahlen 2023 schien es zunächst so, als stehe die Move Forward-Partei kurz vor der Machtübernahme. Doch in den Verhandlungen nach der Wahl bildete die zweitplatzierte Pheu-Thai-Partei eine unerwartete Koalition mit ihren ehemaligen Gegnern - unter ihnen auch die militaristische United Thai Nation Party des ehemaligen Junta-Führers Prayuth Chan-ocha.

Die Koalition war von Anfang an unpopulär. Doch erste Anzeichen von Zerfallserscheinung zeigten sich erst während der jüngsten Feindseligkeiten mit Kambodscha.

Im Juni versuchte die damalige Premierministerin Paetongtarn Shinawatra, die Spannungen durch ein Telefonat mit dem kambodschanischen Senatspräsidenten und ehemaligen Premierminister Hun Sen zu deeskalieren. Während des Telefonats sprach die 38-jährige Premierministerin Hun Sen - er stand damals kurz vor seinem 73. Geburtstag - als "Onkel" an und bekundete ihren Respekt gegenüber ihm als erfahrene Führungsperson.

Zugleich schien es, als kritisiere sie auch das Vorgehen ihrer eigenen Armee. Zudem deutete sie an, einige der thailändischen Generäle nutzten den Konflikt für politische Zwecke.

Kurz darauf ließ Hun Sen die Aufzeichnung des Anrufs durchsickern - womöglich ein Versuch, Thailand während der Grenzkrise zu schwächen.

Shinawatra-Clan unter Druck

Die Folgen in Thailand ließen nicht lange auf sich warten. Die konservative Bhumjaithai-Partei trat aus der Koalition aus, und Paetongtarns Pheu-Thai-Partei sah sich mit Hochverratsvorwürfen konfrontiert. Die Premierministerin wurde Anfang Juli vom Verfassungsgericht bis zu einem Prozessbeginn suspendiert. Paetongtarn Shinawatra ist die Tochter des ehemaligen Premierministers Thaksin Shinawatra, der 2006 vom Militär gestürzt wurde, und die Nichte von Yingluck Shinawatra, die 2014 durch einen Putsch abgesetzt wurde.

Im Juni wurde General Nattaphon Narkphanit von der United Thai Nation Party kommissarischer Verteidigungsminister. Zugleich besetzten mehrere Generäle weitere Schlüsselpositionen.

Ein thailändischer Soldat in einem Transportpanzer nach dem Waffenstillstand mit KambodschaBild: Athit Perawongmetha/REUTERS

"Kein Grund, auf Befehle zu warten"

In diesem Machtwechsel wurde "das Verteidigungsministerium de facto dem Militär übergeben", sagt Thitinan Pongsudhirak vom Institut für Sicherheit und Internationale Studien der Chulalongkorn-Universität im DW-Interview. "Die Armee kann es nun nach dem Ermessen der Generäle führen."

Dies zeige sich vor allem in Thailands Grenzregionen, in denen seit langem ein de-facto-Kriegsrecht herrsche. "Das gibt den Soldaten die Kontrolle über die Grenzpolitik und schränkt die zivile Kontrolle ein", schrieb der Thailand-Experte Paul Chambers letzte Woche in Fulcrum, einer Online-Publikation des ISEAS-Yusof-Ishak-Instituts.

Chambers zufolge hat die Armee seit Januar die von der Zivilbevölkerung geführten Deeskalationsbemühungen konsequent untergraben.

Als Mitte Juli thailändische Soldaten durch von Kambodscha verlegte Landminen verletzt wurden, erklärte General Boonsin, der Kommandeur der thailändischen Zweiten Armeeregion, es seien Vergeltungsmaßnahmen notwendig. Man müsse da nicht auf Befehle der Regierung warten.

Nach dem Konflikt: Das kambodschanische Militär räumt nach dem Waffenstillstand Minen im GrenzgebietBild: Adri Salido/Anadolu Agency/IMAGO

Thailändische Wähler: größeres Vertrauen in Militär als in Regierung

Nach Ansicht einiger Analysten reitet das thailändische Militär auf einer Welle des Nationalismus in der Öffentlichkeit. So wurden einigen Prominenten und Politikern in den sozialen Medien vorgeworfen, nicht hinreichend patriotisch zu sein.

Laut einer Umfrage, die das National Institute of Development Administration vergangene Woche veröffentlicht hat, vertrauen die Thailänder am meisten dem Militär, wenn es um die Wahrung der nationalen Interessen und der Lösung des Konflikts mit Kambodscha geht.

Nur 15 Prozent der Befragten erklärten, sie hätten in dieser Frage ein gewisses Maß an Vertrauen in die Zivilregierung.

Der Waffenstillstand mit Kambodscha kam zustande, nachdem US-Präsident Donald Trump Bangkok und Phnom Penh gewarnt hatte, sie müssten mit hohen Exportzöllen rechnen, würde sie die Feindseligkeiten nicht einstellen.

Die Waffenstillstandsgespräche wurden von Malaysia vermittelt,  das derzeit den Vorsitz bei den ASEAN-Staaten führt. Doch das Abkommen wurde nur in Teilen eingehalten.

Thailand schließt Grenzübergänge nach Kambodscha

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Unter der Führung des Militärs bleibe das Waffenstillstandsabkommen "fragil", sagt Thitinan Pongsudhirak von der Chulalongkorn-Universität in Bangkok. Die Regierung in Kambodscha werde voraussichtlich weiterhin auf internationales Engagement drängen, um ihre Position auch innenpolitisch zu stärken, so Thitinan. Die thailändische Armee hingegen dürfte mit harter Hand reagieren und eine weitere Eskalation riskieren.

Rückkehr der Junta?

Die Zukunft der thailändischen Regierung könnte nun von den bevorstehenden Gerichtsurteilen gegen Paetongtarn Shinawatra und ihren Vater Thaksin, den wichtigsten Strippenzieher der Pheu-Thai-Partei, abhängen.

Das Verfassungsgericht wird voraussichtlich Anfang September über ein politisches Verbot gegen Paetongtarn entscheiden. Thaksin hingegen droht wegen angeblicher Verleumdung des Königshauses eine Gefängnisstrafe.

Ein politischer Zusammenbruch des Shinawatra-Clans und der Pheu-Thai-Partei, die seit den 1990er Jahren eine zentrale Rolle in der thailändischen Politik spielt, würde konservative und militaristische Fraktionen stärken, sagen Analysten.

"Die Partei ist nicht bereit, sich den Wählern zu stellen", sagt Ken Lohatepanont von der University of Michigan der DW. "Es wird ihr möglicherweise zunehmend unmöglich erscheinen, an der Macht zu bleiben, ohne weitere Kompromisse mit ihren konservativen Verbündeten in der Koalition einzugehen."

Die Krise mache die Rückkehr des ehemaligen, zwischen 2014 und 2023 regierenden Junta-Führers Prayut Chan-ocha  "plausibler", so Lohatepanont.

Prayuts United Thai Nation Party hält die Koalition derzeit über Wasser. Sein Comeback könnte der von der Pheu Thai-Partei zu zahlenden Preis sein, um eine Wahl zu vermeiden, aus der sie als Verliererin hervorgehen dürfte.

Doch selbst wenn die Wahlen ausgerufen werden, haben die Grenz- Zusammenstöße die Popularität des Militärs und seiner Verbündeten gesteigert. Ein weiterer Putsch sei "unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen, insbesondere da das Militär angesichts des Grenzkonflikts wieder erstarkt ist", sagte Thitinan.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

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