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PolitikThailand

Thailand: Neue Premierministerin, neue Impulse?

Emmy Sasipornkarn
16. August 2024

Paetongtarn Shinawatra ist die neue Premierministerin Thailands. Viel Politikerfahrung hat die 37-Jährige nicht. Aber sie ist die vierte Regierungschefin in ihrer Großfamilie.

Thailand | Paetongtarn Shinawatra
Die neue Premierministerin Paetongtarn Shinawatra. Ist die 37-Jährige nur die Stellvertreterin ihres Vaters?Bild: Sakchai Lalit/AP Photo/picture alliance

Allein der Nachname der neuen Premierministerin verrät viel über sie. Paetongtarn Shinawatra ist die Tochter des milliardenschweren Tycoons und ehemaligen Regierungschefs Thaksin Shinawatra. Auch ihre Tante Yingluck Shinawatra war Premierministerin von Thailand, ihr Schwiegeronkel Somchai Wongsawat ebenfalls. Die umstrittene Familie dominiert die politische Landschaft in Thailand seit mehr als 20 Jahren.

Paetongtarn Shinawatra (2.v.r.) mit ihrem Vater Thaksin in Bangkok am 22.08.2023 bei seiner Rückkehr aus dem Exil Bild: Athit Perawongmetha/REUTERS

"Wäre Paetongtarn nicht die Tochter von Thaksin, wäre es für sie unmöglich gewesen, Thailands Premierministerin zu werden", sagte Puangthong Pawakapan, Professor für Politikwissenschaft an der thailändischen Chulalongkorn-Universität, gegenüber der DW. Die 37-jährige Paetongtarn Shinawatra hat keine Regierungserfahrung und ist erst seit 2023 als Parteichefin der Partei Pheu Thai (PTP).

Am Mittwoch (14.08.) hatte das Verfassungsgericht in Thailand Srettha Thavisin, den Vorgänger von Paetongtarn,  wegen eines Ethikverstoßes des Amts enthoben. Paetongtarn und Srettha gehören der PTP an, die von Thaksin gegründet wurde. "Die neue Regierungschefin muss an der Macht bleiben. Das ist der einzige Weg für PTP", sagte Siripan Nogsuan Sawasdee, Politikwissenschaftler an der Chulalongkorn Universität in Bangkok. "Die PTP will auch die nächsten Wahlen gewinnen. Sie muss in der Lage sein, ihre Politik umzusetzen."

Srettha Thavisin wurde mit einem Entscheid des Verfassungsgerichts des Amtes enthobenBild: Chaiwat Subprasom/ZUMAPRESS/picture alliance

Schwindende Popularität

In den beiden Dekaden vor der Wahl von 2023 hat die PTP alle Wahlen in Thailand dominiert. Allerdings wurde sie bei den Parlamentswahlen 2023 nur die zweistärkste Kraft hinter der Fortschrittspartei (MFP) um den 43-jährigen Politiker Pita Limjaroenrat. Jedoch gelang es Pita nicht, eine Mehrheit in der konstituierenden Nationalversammlung auf sich zu vereinen, der neben 500 gewählten Abgeordneten weitere 250 vom Militär berufene wahlberechtigte Senatoren angehören.

"Die Mittelschicht und die jungen Wähler interessieren sich nicht für Thaksin", so Punchada Sirivunnabood, Professor für Politikwissenschaft an der thailändischen Mahidol-Universität. Die größte Herausforderung für Paetongtarn sei es, das gleiche Maß an Popularität zu erlangen, die ihr Vater einst genossen hatte.  "Das ist aber unwahrscheinlich", glaubt Punchada. "Die Wirtschaft müsste florieren, zum Beispiel mit einem zweistelligen Wachstum. Und sie müsste nicht nur eine, sondern mehrere Wahlversprechen umsetzen. Ich glaube nicht, dass die PTP in der Lage ist, ihre Wählerbasis zu erweitern. Selbst als sie in der letzten Legislaturperiode an der Macht war, sank ihre Popularität", so Punchada gegenüber DW.

Pita Limjaroenrat trotz Wahlsieg kein Premier von Thailand 2023Bild: Chatkla Samnaingjam/dpa/picture alliance

Stellvertreterin des Familienclans?

Ob Paetongtarn selbstständig der Regierungsarbeit nachgehen oder die Weisungen ihres Vaters ausführen wird, ist noch unklar. In der Öffentlichkeit wird sie als Stellvertreterin von Thaksin wahrgenommen. Dieser musste nach dem Ende seiner Amtszeit durch einen Militärputsch 2006 ins Exil gehen. Wegen Korruption wurde er in Abwesenheit zu acht Jahre Freiheitsstrafe verurteilt. Erst 2023 durfte er nach Thailand zurückkehren. Am 13. Februar 2024 wurde er auf Bewährung entlassen.

"Dieses Image der Stellvertreterin ihres Vaters loszuwerden, wird extrem schwierig sein", sagte Politologe Punchada. Viele Politikexperten zweifeln an Paetongtarns Führungsqualitäten und ihrer Fähigkeit, die PTP wieder auf die Beine zu bringen.

Die frühere Premierministerin Yingluck Shinawatra und ihr Bruder Thaksin Shinawatra, ebenfalls ein ehemaliger Premier von ThailandBild: Yingluck Shinawatra/Facebook/REUTERS

"Schon 2011 hieß es 'Thaksin denkt, Yingluck lenkt'. Die Neuauflage jetzt: 'Thaksin denkt, Paetongtarn lenkt'. Aber jetzt gibt es starke Konkurrenz. Nach der Auflösung der Fortschrittspartei (MFP) von Pita im August 2024 wurde die neue Volkspartei (RTGS) gegründet", sagte Puangthong. "Als Premierministerin hat sie mit vielen Problemen zu kämpfen. Es wird zunehmend hervorgehoben werden, dass Paetongtarn wenig Expertise hat. Und immer mehr Leute werden sagen, dass sie das Amt nur übernimmt, weil ihr Vater Thaksin ist."

Paetongtarn, in Thailand als Ung Ing bekannt, studierte Hotelmanagement an der University of Surrey in England und arbeitete für den Hotelzweig des Familienimperiums, bevor sie in die Politik ging. Sie wurde im vergangenen Oktober PTP-Vorsitzende.

Wiederbelebung der Wirtschaft notwendig

Thailand befindet sich in einer schwierigen Wirtschaftslage. Ex-Premier Srettha, ebenfalls PTP, hat während seiner Amtszeit kaum etwas erreicht. "Die sinkende Popularität der PTP ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass sie nach einem Jahr noch keine politischen Maßnahmen ergriffen hat", so Siripan.

Das Vorzeigeprojekt der Partei, eine Sonderzahlung in Höhe von umgerechnet 280 US-Dollar an alle Menschen als digitale Währung, musste mehrmals verschoben werden. "25 Millionen Menschen haben sich nun für die Sonderzahlung registriert. Die PTP würde eine Imagekrise bekommen, wenn sie das Geld nicht erhalten", so Puangthong. Die Regierungspartei habe diesem 14 Milliarden US-Dollar schweren Vorhaben Priorität eingeräumt und andere Wahlversprechen auf die lange Bank geschoben, fügt sie hinzu.

Gefahr von Putsch und Gerichtsverfahren?

Die neue Premierministerin Paetongtarn muss aber vor einem Militärputsch und Gerichtsverfahren auf der Hut sein. Diese hatten in der Vergangenheit viele thailändische Regierungen gestürzt.

Thaksin wurde durch einen Putsch entmachtet, sein Verbündeter Samak Sundaravej hielt sich nur neun Monate im Amt. Sein Schwager Somchai Wongsawat war 2008 drei Monate Premierminister. Und 2014 ereilte seine Schwester Yingluck das gleiche Schicksal nach knapp drei Jahren Amtszeit, ebenfalls durch einen Putsch. "Wenn es zu großen Protesten kommt, befürchte ich, dass Thailand eine weitere Militärintervention erleben könnte", sagt Punchada.

Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan.

In einer vorherigen Version dieses Beitrags hieß es, dass der thailändische König Vajiralongkorn den Politiker Thaksin Shinawatra begnadigt habe. Tatsächlich hat der König die Haftstrafe von acht auf ein Jahr verkürzt, nachdem Thaksin um königliche Gnade ersucht hatte. Die DW hat den Fehler korrigiert. Auch der Zahlendreher bei Pita Limjaroenrat Alters wurde korrigiert.