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Politik

Thailand schiebt AstraZeneca-Impfungen auf

12. März 2021

Immer mehr Länder stoppen vorerst den Einsatz des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca. Ein deutscher Experte kritisiert diese Maßnahme und spricht von einer "unangemessenen Nutzen-Risiko-Abwägung".

Thailands Premier Prayuth Chan-o-cha bei der Präsentation des Sinovac-Vakzins aus China (24.02.2021)
Doch lieber Sinovac? Thailands Premier Prayuth Chan-o-cha bei der Präsentation des Vakzins aus China (im Februar)Bild: Sakchai Lalit/AP Photo/picture alliance

Nach der Aussetzung des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca durch mehrere europäische Länder hat Thailand die Einführung des Vakzins vorläufig aufgeschoben. Obwohl die Qualität des AstraZeneca-Wirkstoffs gut sei, werde man das Mittel noch nicht anwenden, teilte die Impfkommission des südostasiatischen Landes mit. "Wir warten darauf, dass Dänemark und Österreich eine Entscheidung treffen", sagte der thailändische Virologe Yong Poovarawan.

Thailand wollte das Präparat ursprünglich von diesem Freitag an einsetzen. Die erste Dosis sollte Ministerpräsident Prayut Chan-o-cha erhalten. Am Donnerstag hatte Dänemark die Impfungen mit dem Vakzin des britisch-schwedischen Herstellers ausgesetzt. Die Nicht-EU-Länder Norwegen und Island schlossen sich der Entscheidung aus Kopenhagen an.

Rumänen, Luxemburg, baltische Staaten, Italien

Während zuletzt auch Bulgarien die Verimpfung komplett aussetzte, geht es in anderen EU-Staaten um eine konkrete Charge des AstraZeneca-Vakzins. Die Charge ABV 5300 war - neben anderen Ländern - auch nach Rumänien, Luxemburg und in die baltischen Staaten geliefert worden. Sie wurde dort bis auf Weiteres gesperrt.

Italien stoppte am Donnerstag den Einsatz einer anderen Charge mit der Kennung ABV 2856 nach "einigen ernst zu nehmenden negativen" Vorkommnissen. Es handele sich um eine Vorsichtsmaßnahme, da noch kein direkter Zusammenhang mit den Impfungen festgestellt werden konnte.

Phiole mit AstraZeneca-Vakzin: Impfstopp vernünftig oder kontraproduktiv?Bild: Peter Cziborra/REUTERS

Nach Angaben der dänischen Gesundheitsbehörde liegen Berichte über "schwere Fälle" von Blutgerinnseln bei Geimpften vor. Bisher sei allerdings nicht geklärt, ob ein Zusammenhang zwischen Impfungen und Erkrankungen bestehe. Die EU-Arzneimittelbehörde EMA teilte später mit, es gebe derzeit keinen Hinweis, "dass die Impfung diese Zustände hervorrief, die nicht als Nebenwirkungen des Vakzins aufgelistet sind".

In Österreich hatte eine Geimpfte eine Thrombose bekommen und war zehn Tage nach der Injektion gestorben. Zwei weitere Menschen, die das Präparat aus derselben Charge erhalten hatten, erlitten ebenfalls Thrombosen, zudem wurde bei einem Patienten eine Lungenembolie diagnostiziert.

"Nutzen überwiegt die bekannten Risiken"

Das für Impfstoffe in Deutschland zuständige Paul-Ehrlich-Institut hält weiter am AstraZeneca-Vakzin fest. "In Übereinstimmung mit der EMA überwiegt aus Sicht des Paul-Ehrlich-Instituts der Nutzen der Impfung die bekannten Risiken", erklärte die Bundesoberbehörde mit Sitz in Langen. In Deutschland seien bis Donnerstag insgesamt elf unterschiedliche Fälle von Gerinnungsstörungen bei etwa 1,2 Millionen Impfungen gemeldet worden. Vier Menschen seien gestorben.

Paul-Ehrlich-Institut in Langen: "Elf Fälle von Gerinnungsstörungen bei 1,2 Millionen Impfungen"Bild: Patrick Scheiber/imago images

Bei der Betrachtung aller derzeit verfügbaren Informationen zu den deutschen und internationalen Meldungen zu Blutgerinnseln nach einer Impfung mit dem Vakzin von AstraZeneca gebe es "derzeit keinen Hinweis, dass die Impfung diese Erkrankungen verursacht hat". Die aufgetretenen Ereignisse würden aber - in enger Zusammenarbeit mit der EMA - mit den europäischen Arzneimittelbehörden weiter untersucht.

"Wahrscheinlich mehr Thrombosen ohne Impfung"

Mehrere Experten sehen die Entscheidung der dänischen Behörden, die Verabreichung des Vakzins vorerst auszusetzen, höchst kritisch. Der Direkter des Instituts für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene der Universität Jena, Mathias Pletz, sagte, Blutgerinnsel kämen bei schwerkranken COVID-19-Patienten sehr häufig vor. Durch das Aussetzen der Impfungen in Dänemark für zunächst zwei Wochen sei es sehr wahrscheinlich, dass nun mehr Menschen an COVID-19 erkrankten als ohne diesen Beschluss - und etwa fünf Prozent davon vermutlich schwer. So könnten folglich auch mehr Thrombosen entstehen.

"Die Entscheidung verursacht wahrscheinlich mehr Schaden, als dass sie potenzielle Impfkomplikationen verhindert, von denen wir derzeit nicht einmal wissen, ob es überhaupt Impfkomplikationen sind", sagte Pletz. Das sei eine unangemessene Nutzen-Risiko-Abwägung gewesen.

jj/AR (dpa, afp, rtr)