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PolitikThailand

Thailands neuer Premier Srettha im Schatten der Generäle

Emmy Sasipornkarn
23. August 2023

Der ehemalige Immobilienmogul Srettha Thavisin wird mit Billigung des mächtigen Militärs eine Koalitionsregierung aus ehemaligen Erzrivalen anführen, während der eigentliche Wahlsieger in der Opposition bleibt.

Thailand Srettha Thavisin
Der neue Premier Srettha Thavisin kann jubeln - solange ihn das Militär unterstütztBild: Chalinee Thirasupa/REUTERS

Drei Monate nach der Parlamentswahl in Thailand ist Srettha Thavisin zum Premierminister gewählt worden. Der 60-jährige Immobilienunternehmer von der populistischen Partei "Pheu Thai" erhielt die Mehrheit der Stimmen in beiden Kammern des Parlaments - im vom Volk gewählten Repräsentantenhaus und im vom Militär ernannten Senat mit 250 Senatoren. Seine Wahl beendet eine monatelange politische Unsicherheit in Thailand. 

Sretthas Partei "Pheu Thai" hatte bei der Parlamentswahl nur Platz zwei geholt. Die meisten Stimmen erhielt die Partei "Move Forward" (MFP). Vom Militär ernannte Senatoren hinderten diese aber daran, ihren Kandidaten im Parlament zu nominieren. 

Srettha wird nun eine Koalition aus elf Partnern anführen, zu der auch zwei pro-militärische Parteien gehören, die dem scheidenden Premierminister Prayuth Chan-ocha nahestehen. Prayuth war seit 2014 an der Macht, nachdem er die vorherige "Pheu Thai"-Regierung durch einen Putsch gestürzt hatte. 

Viele Beobachter sind der Meinung, dass der Aufstieg des ehemaligen Immobilienmunternehmers Srettha ins Amt des Premierministers vorhersehbar war. Die "Pheu Thai" hatte nach der Wahl die Verbindungen zur eigentlichen Siegerpartei "Move Forward" abgebrochen, um sich mit ihren ehemaligen Gegnern zu verbünden, die dem Militär nahe stehen.  "Move Forward" von Pita Limjaroenrat  - die Partei, die die meisten Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte - ist nun nicht einmal mehr Teil der neuen Koalition. 

Puangthong Pawakapan, Professorin für Politikwissenschaft an der Chulalongkorn-Universität, beschreibt das im Gespräch mit der DW so: "Sie haben einen Deal abgeschlossen und die Dinge haben sich entsprechend entwickelt." Nachdem die "Pheu Thai" mit militärnahen Parteien koalierte, hätten die Senatoren, die unter dem Einfluss des Militärs standen, für Srettha gestimmt.

Sein Aufstieg in die Spitzenposition erfolgte am selben Tag, an dem der Gründer der "Pheu Thai" und der umstrittene ehemalige Premierminister Thaksin Shinawatra nach 15 Jahren im selbst auferlegten Exil ins Land zurückkehrte. "Pheu Thais Koalitionspartner werden die Dinge auf ihre eigene Art regeln. Im Gegenzug durfte Thaksin auch nach Hause kommen", sagte Puangthong. 

Die frühere thailändische Premierministerin Yingluck Shinawatra (2011 bis 2014) umarmt ihren Bruder Thaksin Shinawatra, der ebenfalls Premierminister (2001 bis 2006) warBild: Yingluck Shinawatra/Facebook/REUTERS

Die Ereignisse vom 22. August markieren eine neue Wende in einem Machtkampf zwischen der "Pheu Thai" - die in den letzten zwei Jahrzehnten zusammen mit ihren Vorgängerparteien, die mit Thaksin verbunden sind, fünf Wahlen gewonnen hat - und dem Establishment in Thailand, in dem Monarchie, Militär und Großunternehmen verflochten sind und das seit langem großen Einfluss auf Politik und Gesellschaft im Land ausübt. 

Wer ist Srettha? 

Der Außenseiter Srettha verfügt über keine Regierungserfahrung. Dennoch wurde er ins politische Rampenlicht katapultiert, als die "Pheu Thai" ihn als einen ihrer drei Kandidaten für das Amt des Premierministers ernannte. Andere Kandidaten waren Chaikasem Nitisiri, der Leiter der Abteilung Strategie und politische Leitung der Partei, und Thaksins jüngste Tochter Paetongtarn.

Ähnlich wie der 74-jährige Milliardär und Ex-Premier Thaksin kann auch der 60-Jährige Neuling im Amt, Srettha, auf eine erfolgreiche Wirtschaftskarriere zurückblicken. Vor seinem politischen Debüt war Srettha Präsident eines der größten Immobilienentwickler Thailands. 

Srettha Thavisins Know How soll Thailands Wirtschaft ankurbeln - Experten sind skeptischBild: Athit Perawongmetha/REUTERS

In Bangkok geboren und in den Vereinigten Staaten ausgebildet, hat Srettha einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der University of Massachusetts und einen Master in Finanzen von der Claremont Graduate School in Kalifornien.

Der politische Neuling ist in der Geschäftswelt beliebt. In einer Umfrage, die kürzlich durchgeführt wurde, gaben zwei Drittel def hundert bedeutendsten CEOs in Thailand an, dass sie Srettha an der Spitze sehen möchten. Mit Hinweis auf seine Karriere hat die "Pheu Thai" Sretthas geschäftliche Fähigkeiten hervorgehoben. Sie sollen nach den Einbußen in der COVID-19-Pandemie für die wirtschaftliche Erholung des Landes sorgen.

Doch viele bezweifeln, dass seine Erfahrung als erfolgreicher Geschäftsmann ihm nun viel nutzen werden. "Seine Hände werden durch Faktoren gebunden sein, die es ihm nicht erlauben werden, Politiken so zu fördern, wie er möchte", so Punchada Sirivunnabood, Professorin für Politikwissenschaft an der Mahidol-Universität in Thailand.

Wie ist Thailand an diesen Punkt gelangt? 

Die Wahl am 14. Mai zeigte, dass die thailändischen Wählerinnen und Wähler nach fast einem Jahrzehnt unter militärischer Herrschaft Veränderungen wünschen. Die siegreiche "Move Forward" hatte den Wahlkampf auf radikale Reformen im Machtgefüge Thailands ausgerichtet. Auf der Agenda standen die Zerschlagung von Monopolen, die Reform des Militärs und die Änderung des Gesetzes, das Beleidigungen der Monarchie unter Strafe stellt.

Doch nachdem der progressiven Partei die Ernennung ihres Anführers Pita Limjaroenrat verwehrt wurde, übernahm die "Pheu Thai" die Aufgabe, eine neue Regierung zu bilden.

Vor der Wahl hatten die beiden Parteien noch die Zusammenarbeit mit Putschführern abgelehnt. Viele waren nun enttäuscht, als die "Pheu Thai" die Allianz mit "Move Forward" beendete und eine neue Koalition bildete, die Parteien umfasste, die mit Amtsvorgänger Prayuth verbunden waren.

Prayuth hatte eine entscheidende Rolle bei der Absetzung der letzten - von Thaksins Schwester Yingluck geführten - Regierung der "Pheu Thai" im Jahr 2014. "Wir leben in der Realität. Viele Menschen warten auf die Regierung und auf die Politik der Partei, die ohne eine von der Pheu Thai geführte Regierung nicht umgesetzt werden können", sagte Srettha nach der Entscheidung seiner Partei. 

Nach dem Putsch von 2014 war die Verfassung Thailands umgeschrieben worden. Parteien, die nicht vom Militär und konservativen Eliten unterstützt werden, wurde es nahezu unmöglich gemacht, eine Regierung zu bilden. Der überraschende Sieg von "Move Forward" war daher ein schwerer Schlag für die Militär-Royalisten. "Wahlen [in Thailand] wurden lange Zeit von der autoritären Regierung als Fassade benutzt. Der einzige Unterschied besteht darin, dass die Menschen nicht länger bereit sind, eine leere Demokratie hinzunehmen", sagt Politikprofessorin Puangthong.

Wie geht es weiter? 

Srettha wird immensen Herausforderungen gegenüberstehen. Er muss eine Allianz mit einer vielfältigen Palette von Interessen zusammenführen und gleichzeitig die Unterstützung des Establishments, das ihn ins Amt gebracht hat, aufrechterhalten. "Srettha wird Thailand so regieren, dass die Koalitionspartner zufrieden sind - sei es durch die Zuteilung von Ministerposten oder durch grünes Licht für Budgets für Großprojekte", analysiert Puangthong. 

Rückschlag für Thailands Demokratie-Bewegung

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Paul Chambers, politischer Analyst und Dozent an der Naresuan University in Thailand, stimmt dem zu: "Srettha wird den pro-militärischen Parteien von Prawit und Prayuth erlauben, zu tun, was sie wollen." Obwohl "Pheu Thais" politische Programme zur Linderung der Armut in der Vergangenheit erfolgreich waren, haben einige bereits Zweifel daran, dass die Partei ihre populistischen Versprechen nun umsetzen kann. 

Da die "Pheu Thai" Kompromisse eingehen muss, um die Koalition aufrechtzuerhalten, wird "die neue Regierung ineffektiv sein und der Versuch der Partei, die Wirtschaft anzukurbeln, wird nicht die gewünschten Ergebnisse bringen", erwartet Puangthong. 

Beobachter gehen davon aus, dass die Schönwetter-Periode von "Pheu Thai" mit dem Militär früher oder später ein Ende finden wird. "Sretthas Regierung wird nicht die volle vierjährige Amtszeit überdauern", prognostiziert Professorin Punchada Sirivunnabood von der Mahidol-Universität. Auch der Experte Chambers warnt, "sobald für die konservativen Kräfte irgendetwas mit Srettha schief läuft", könnten Anschuldigungen wie etwa Steuerhinterziehung dazu genutzt werden, "Srettha aus dem Amt zu drängen".