Regierungschefin flieht vor Demonstranten
1. Dezember 2013Thailands Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra ist am Sonntag vor aufgebrachten Regierungsgegnern in Sicherheit gebracht worden. Nach Auskunft eines Mitarbeiters ihres Büros stürmten Demonstranten das Gelände eines Sportclubs der Polizei, wo sich Yingluck aufhielt. Sie habe das Gebäude wohlbehalten verlassen und sei an einen anderen Ort gebracht worden.
Wie im Bürgerkrieg
Für diesen Sonntag haben die Regierungsgegner zum Sturm auf Thailands Machtzentralen aufgerufen. Zehntausende rückten an verschiedenen Orten auf Gebäude der Regierung vor. Um sie aufzuhalten, ging die Polizei erstmals massiv gegen die Protestierenden vor. Die Regierung ließ zudem mehr als 2700 Soldaten aufmarschieren - erstmals seit Beginn der Unruhen. Die Soldaten seien aber unbewaffnet, hieß es.
Dennoch: an den Brennpunkten der Massendemonstrationen sieht es aus, wie in einem Bürgerkrieg: umgeworfene Autos mit zerstochenen Reifen und eingeschlagenen Scheiben, Polizisten in Kampfmontur, Nebelschwaden in der Luft. Vermummte Demonstranten heben Tränengaspatronen auf und schleudern sie zurück auf die Sicherheitskräfte. Auf beiden Seiten gehen Menschen zu Boden, klagen über Atemnot und brennende Augen.
Die ersten Toten seit Protestbeginn
Mittlerweile sind auch die ersten Toten zu beklagen: Zwei Menschen wurden in der Nähe eines Stadions tot aufgefunden. Dort hatten sich am Samstag rund 70.000 Anhänger der Regierung, die sogenannten Rothemden, zu einer Solidaritätskundgebung versammelt. Es gab Auseinandersetzungen mit Regierungsgegner, bei denen mehrere Menschen verletzt wurden. Für die Gewalt machten sich Regierungsgegner und -anhänger gegenseitig verantwortlich.
Protest-Anführer als Anheizer
Thailand wird seit Ende Oktober von der größten Protestwelle seit dem Frühjahr 2010 erschüttert, als bei der Niederschlagung wochenlanger Demonstrationen von Anhängern des ehemaligen Ministerpräsidenten Thaksin Shinawatra gegen die damalige Regierung mehr als 90 Menschen getötet wurden. Bei der blutigen Unterdrückung des Protests spielte der heutige Anführer der Regierungsgegner, Suthep Thaugsuban, eine wichtige Rolle. Er war damals stellvertretender Regierungschef.
Bis Freitag war der Protest noch friedlich verlaufen. Daraufhin heizte Suthep offenbar die Stimmung an: "Wenn wir nicht siegen, bin ich bereit auf dem Schlachtfeld zu sterben" - bis dahin war allerdings nirgendwo bei den Protesten von "Schlacht" die Rede war. Vielmehr reichten Demonstranten Polizisten Rosen durch den Stacheldraht.
Suthep will nach eigenen Angaben das Regierungssystem umkrempeln. Ein sogenanntes "Volkskomitee" soll die Macht übernehmen, mit 37 Männern, und ihm selbst an der Spitze. Das soll eine neue politische Kultur schaffen, heißt es schwammig.
Ein tief gespaltenes Land
Die jüngsten Proteste entzündeten sich an einem von der Regierung befürworteten Amnestiegesetz, das den Bruder von Ministerpräsidentin Yingluck eine Rückkehr nach Thailand hätte. Die Regierungspartei ließ den Gesetzentwurf mittlerweile wieder fallen. Thaksin war vor gut sieben Jahren durch einen Putsch königstreuer Militärs gestürzt worden. Er lebt im Exil und gilt vielen als Strippenzieher der derzeitigen Regierung.
Thaksins Sturz im September 2006 spaltet die thailändische Gesellschaft bis heute und sorgte in den vergangenen Jahren mehrfach für schwere Regierungskrisen. Die Rothemden verfügen besonders in den ländlichen Gebieten des Königreichs über großen Rückhalt. Die als Gelbhemden bekannten Regierungsgegner sind dagegen vor allem bei ranghohen Beamten und Militärs sowie Geschäftsleuten und Angehörigen der Mittelschicht anzutreffen.
cw/sti (dap, af, rtr)