Autobiografie: "No Place for a Lady"
14. September 2015Viele Autobiografien von Frauen schildern das eigene Leben nur im Verhältnis zu einem Mann – einem Verhältnis der Nähe wie bei Eva Gabrielsson, die in "Versprechen" ihr Leben mit dem Autor der "Millennium"-Krimis Stieg Larsson beschrieb, oder der Abgrenzung wie in Françoise Gilots Picasso-Büchern. Oft sind sie verkappte Ratgeber, starke Bücher über starke Frauen (zum Beispiel Miriam Meckels "Brief an mein Leben"), und noch häufiger eine unterhaltsame Form von Eigenwerbung von Prominenten - oftmals Schauspielerinnen oder Sängerinnen (Hanna Schygulla, Patricia Kaas, Gaby Köster, um nur einige Goodseller zu nennen).
Spannend zu lesen sind weibliche Autobiografien, die ihre Story bestürzenden politischen oder gesellschaftlichen Umständen verdanken: Erlebte Geschichten wie die von Malala Yousafzai ("Ich bin Malala") oder Neda Soltani, die über "Mein gestohlenes Gesicht" schrieb. Der große Reiz, aber auch die Gefahr bei vielen dieser Autobiographien besteht darin, dass sie oft romanhafte Züge annehmen – ein Beispiel ist die Beschreibung einer Flucht aus Nordkorea in "Schwarze Magnolie" von Hyeonseo Lee.
Sich durchsetzen gegen Vorurteile und Zweifel
Die 1940 in Berlin geborene Thea Rosenbaum hat dagegen ein Buch vorgelegt, das in keine der beschriebenen Kategorien fällt. "No Place for a Lady" erzählt ein "ganz normales Leben", fern von skandalträchtigen persönlichen Geschichten. Doch auch wenn sich die deutsch-amerikanische Journalistin in keiner Weise zur Rebellin stilisiert – als "normal" würde man den Verlauf ihres Lebens sicherlich nicht beschreiben.
Als Kind erlebte sie in den Bunkern Berlins den Bombenkrieg und versteckte sich 1945 mit ihrer Mutter vor Soldaten der Roten Armee. Sie wurde vom eigenen Großvater missbraucht. Die Selbstzweifel, die sie als junges Mädchen plagten, münzte sie um in preußische Zielstrebigkeit: Sprachen lernen - zumindest gut Englisch sprechen, besser als die Lehrerin, die ihr einst eine schlechte Note gegeben hatte -, das war es, was sie wollte und nicht das Sekretärinnen-Dasein, das ihr Vater für erstrebenswert hielt. Und es gelang ihr: Als Au-pair-Mädchen in London träumte sie dann bald auf Englisch.
Erste und einzige Vietnam-Korrespondentin
"Während meiner ganzen Karriere habe ich mich immer bemüht, die Erste und die Beste zu sein" – das Fazit der über 70-Jährigen klingt so selbstverständlich, entspricht aber nur dem, was Thea Rosenberg tatsächlich erreichte. Ihre Karriere begann, als sie Deutschlands erste und jüngste Börsenmaklerin wurde und den Sprung nach New York schaffte. Mit Mitte zwanzig folgte sie ihrem amerikanischen Mann nach Vietnam und wurde die erste und einzige Frau, die für die dpa aus dem Vietnamkrieg berichtete. Freundschaften, die sie dort schloss, halfen ihr später als ARD-Korrespondentin und Produzentin in Washington.
Anfang der 70er Jahre berichtete sie – inzwischen zweifache Mutter – für deutsche Presseagenturen über die gesellschaftlichen Umbrüche in den USA. Sie schrieb für deutsche und inzwischen auch amerikanische Medien über Mondlandekapseln, Atom-U-Boote und Clownsschulen, den Ku-Klux-Clan und Playboy-Chef Hugh Hefner. Bis auch die ARD auf sie aufmerksam wurde und ihr eine Stelle in Washington anbot, die sich für sie zum "Traumjob" als Senior Producer des deutschen Auslandsstudios entwickeln sollte.
Senior Producer in Washington
Fünf US-Präsidenten kamen und gingen während ihrer Karriere beim deutschen Fernsehen. Als White House Pool Producer koordinierte sie über dreißig Jahre lang die ausländischen Korrespondenten. Sie arbeitete mit Peter Merseburger, Fritz Pleitgen, Tom Buhrow und Claus Kleber zusammen und begleitete sie bei ihren Reisen mit den amerikanischen Präsidenten. Sie organisierte Interviews mit Michail Gorbatschow, Muhammad Ali und Michael Jackson.
Thea Rosenbaum bleibt in der Erzählung ihres Lebens immer sachlich, ihre Autobiografie lässt sich an den Fakten der Weltgeschichte überprüfen. Als die Terroranschläge vom 11. September 2001 Amerika erschüttern, steht sie als Organisatorin der Berichterstattung für Deutschland in vorderster Front. Bei den Schilderungen jener strapaziösen Tage spricht sie auch von ihren Emotionen, die in ihrem Buch ansonsten keine Rolle spielen. Mut und Neugier, das zeigt ihr Lebensweg deutlich, waren es, durch die sie in einer Männerwelt bestand. Nach diesem Buch wird niemand mehr sagen, dass sie als "Lady" in dieser internationalen Medienwelt nicht am richtigen Platz gewesen wäre.
Thea Rosenbaum: "No Place for a Lady. Mein ganz normales Leben", Herbig Verlag, September 2015, 288 Seiten
Die englische Ausgabe erschien im Februar 2014 unter dem Titel "No Place for a Lady" bei AuthorHouse. Die deutsche Fassung wurde von der Autorin geändert.